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Nationalanarchismus

 letzte Aktualisierung: 30. Mai 2007

Nationalanarchismus

AUTO:  -CHTHON & -NOM
Nr. 24,  4. April 2006
Freiheit!
– Übersicht –

 

Aus Bewag wird Vattenfall.
Und Kundenbeschimpfung bleibt Kundenbeschimpfung.
Ein populistischer Fotoroman von Peter Töpfer
 

Vor ein paar Monaten ist der Berliner Stromversorger Bewag privatisiert worden und hat bei dieser Gelegenheit seinen Namen geändert: Vattenfall. Die Stadt verkauft ihr Tafelsilber; alles wird schlanker und effizienter; folgerichtig wird der Strom immer billiger. Wenn nicht, sind immer die anderen schuld, am besten die Ölscheichs.

Der Neue wollte die Kundschaft vor Verunsicherung bewahren und startete eine aufwendige Kampagne. Überall in Berlin sah man auf Werbeflächen:  “Aus Bewag wird Vattenfall. Und Hertha bleibt Hertha”, oder: “Aus Bewag wird Vattenfall. Und Rock’n’Roll bleibt Rock’n’Roll”.

Vattenfall Kundschaft

Wie jedes Unternehmen, das was auf sich hält, hatte sich der alte Eigentümer, die Bewag, sehr um die Kunst verdient gemacht – auf Kosten der Kunden, versteht sich. Ein “Kunstprojekt” war realisiert worden: “Entdecken Sie die Werke international renommierter Künstler am modernsten Heizkraftwerk Europas.”

Die Berliner Stromkunden zahlten folgende “international renommier-
ten Künstler” und deren “Kunstwerke”:

Dan Graham, New York: “Pavillon”,
Ayse Erkmen, Istanbul: “Bänke”,
Per Kirkeby, Kopenhagen: “Türme und Mauer”,
Franz Ackermann, Neumarkt St. Veit: “Wandfries”

Thomas Bayrle Wandbild

Auch zum Zuge kam der in Berlin geborene Thomas Bayrle mit “Wandbild”:
eine riesige, an einem Gebäude des Kraftwerks befe-
stigte Tafel entlang der Michaelkirch-
straße, die das Kraftwerksgelände begrenzt.

Thomas Bayrle Bewag

Da Geld angesichts der Bedeutung des kulturellen Engagements der Bewag  keine Rolle spielte, erschien es nur recht und billig,  Künstler und Werk
durch einen hinter dem Zaun in den Boden eingelassenen Quader zu verewigen.

Vattenfall, der neue Stromlieferant für Hunderttausende Berliner Haus-
halte – auch er ein großer
Förderer von Kunst und Kultur –, ließ sich
nicht lumpen und übernahm das “Kunstprojekt” der Bewag.

Die Michaelkirchbrücke verbindet die von der Spree getrennten Berli-
ner Bezirke Friedrichshain und Kreuzberg.

Tag für Tag passieren viel-
leicht 15000 Vattenfall-Kun-
den die Michaelkirch-
straße und das Heizkraftwerk mit seinem Kunstwerk.

Doch rechnet man einmal nach, ist nicht ein einziger von diesen Tausenden von Vattenfall-Kunden ein “Gerechter” – alle sind “Frevler”. Denn in der ganzen Stadt – so sagt es das “Wandbild” – gibt es höchstens “fünfzig Gerechte”.

Nur alle 20 Tage kommt ein “Gerechter” am “Kunstwerk” vorbei. Wer aber ist dieser “Gerechte”? Sind Sie es? Bin ich es? Wer ermittelt ihn? Der Vorstand der jüdischen Gemeinde? Die Anti-Defamation League, Außenstelle Berlin? Wo ist das Casting für Germany’s next Gerechter? Sitzt Vattenfall in der Jury? Wie kann man sich bewerben? Bei der Schwulen-Liga im Roten Rathaus? Wo erfahre ich die Kriterien eines “Gerechten”? Bei Haim Saban? Ich will zu den Auserwählten gehören, die ihre Vattenfall-Rechnung bezahlen, ohne sich verarscht vorkommen zu müssen. Vielleicht kriege ich dann sogar einen Rabatt von Vattenfall... Oder als Preis einen elektrischen Chanukka-Leuchter.  
Zahlen Frevler überhaupt Rechnungen?

Die wenigsten der Passanten und Kunden haben sich je dieses Wandbild angesehen. Es wird ihnen egal sein. Sie interessieren sich nicht für diese Art Kunst.
Nichtsdestotrotz bezahlen sie Monat für Monat ein Unternehmen und einen Künstler, von denen sie beschimpft werden.
Was wird Herr Bayrle von den Berliner Stromkonsumenten für sein “Kunstwerk” bekommen haben, mit dem er sie beleidigt? Eine halbe Million? Merkt der noch was?
Ein Wechsel zu einem anderen Stromanbieter dürfte wenig Sinn haben: Heute machen alle auf Kunst. 
Ich auch.

Das Schloß

Blick von der Michaelkirchbrücke