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AUTO Nr. 8 (Okt. 2001) / Theorie
Peter Töpfer: Freier Nationalismus und Anarchie. Zu den Dialektiken Strategie/Taktik und Vor-/Nachapokalyptik. Beobachtungen auf einer nationalistischen
Konferenz
Nationalanarchisten sind nur bedingt Teil der sog. nationalen Opposition bzw. des sog. nationalen Widerstands. Die im nationalen Widerstand stattfindenden Diskussionen sind jedoch für die
nationale Anarchie von Interesse und Bedeutung, so etwa die Diskussion zwischen revolutionären Kräften in der NPD (Revolutionäre Plattform, RPF) und den sog. freien Nationalisten. Von diesen Diskussionen und der
sich u.a. daraus ergebenden Entwicklung wird es auch abhängen, inwieweit sich Nationalanarchisten dem nationalen Widerstand zugehörig fühlen können. Angesichts der wachsenden Bedeutung der sog. freien
Nationalisten wäre dies durchaus vorstellbar, falls eine bestimmte, von uns positiv gewertete Entwicklung in freinationalistischen Kreisen, die im folgenden angedeutet wird, anhält.
Der AUTO-Reporter hatte die Gelegenheit, einer Diskussionsveranstaltung beizuwohnen, bei der NPDler bzw. RPFler und freie Nationalisten jeweils ihre Art des Kampfes darstellten und
diskutierten. Für den freien Nationalismus sprach auf dieser Veranstaltung Thomas „Steiner“ Wulff; für die RPF Steffen Hupka.
Aus nationalanarchistischer Sicht konnte dem nationalen Widerstand nichts besseres passieren als das Verbot einiger nationalistischer Parteien in den 80er Jahren. Durch diese Verbote hat
sich der nationale Befreiungskampf dezentralisiert und rückverortet, wodurch er sich in eine Richtung entwickelt hat bzw. entwickeln mußte, die der nationalen Anarchie nahe kommt.
Diese Entwicklung hat nicht freiwillig stattgefunden; es hätte sie ohne die staatliche Repression höchstwahrscheinlich nicht gegeben. Die Nationalisten sind vom Staat zur
Dezentralisierung gezwungen worden. Mit der Zerschlagung der zentralistischen, faschistoiden und dogmatischen Parteien hat der Staat der nationalrevolutionären Sache einen großen, gar nicht zu überschätzenden
Dienst erwiesen. Der Staat zwingt die Nationalisten, ganz unten zu operieren und von allen möglichen hohen Rössern herunterzukommen.
Der Begriff „Dezentralisierung“ bedeutet: Übernahme von Verantwortung der Einzelnen in kleinen überschaubaren Gruppen vor Ort, deren Aktivisten sich persönlich gut kennen und die
sich z.T. sogar aus Kindheit und Jugend kennen. Diese Orte sind der unmittelbare Lebensraum der Nationalisten, die dadurch, daß sie echter Bestandteil der Gemeinschaften vor Ort sind (wirtschaftlich, kulturell,
kommunikativ, stammes- und sippenmäßig), ihren politischen Charakter verlieren, sich also vom Staat entfernen und sich dem Volk in seiner wirtschaftlichen, kulturellen und stammes- und sippenmäßigen Konkretheit
nähern, ja mit diesem eins werden. Dezentralisierung bedeutet Unabhängigkeit von äußeren Mächten, bedeutet Autonomie und Autarkie gegenüber herrschaftsambitionierten Fremden und damit Freiheit. Nämlich die
Freiheit, selbst über sein Leben und über das Leben der eigenen Gemeinschaft zu bestimmen. Das bezieht sich zunächst weniger – aber immer mehr – auf das wirtschaftliche und kulturelle Leben als auf
den nationalen Befreiungskampf, ist aber perspektivisch, also für die nachrevolutionäre Zeit, von großer Bedeutung. So gesehen entspricht die Bezeichnung „freier Nationalismus“ der Wirklichkeit.
In der Art und Weise, wie der Kampf des Volkes gegen die Fremdbestimmung geführt wird, spiegelt sich die potentielle unverstellte Lebensweise des Volkes, d.h. darin ist die Lebensweise
enthalten, die das Volk ohne Fremdbestimmung haben würde. Charakter und wirtschaftliche, geistige, sittliche und gefühlsmäßige Verfassung des Volkslebens wird entscheidend davon geprägt sein, wie und von welchen
Menschen der Befreiungskampf geführt wird.
Wird der Befreiungskampf von großen Gruppen oder gar einer Massenpartei geführt, so wird die nachrevolutionäre Wirklichkeit sehr von den Führern dieser Gruppen oder vom Führer dieser
Partei geprägt sein. Automatisch wird es zu Widersprüchen zwischen den Menschen vor Ort und der zentralen Macht kommen. Je mehr die einzelnen Aktivisten die Verantwortung und die Freiheit an ortsfremde Führer
delegieren, die sie persönlich überhaupt nicht kennen, desto wahrscheinlicher ist es, daß sie nach einer revolutionären Umwälzung genau so wenig eigenverantwortlich und frei sein werden wie unter den derzeitigen
Verhältnissen.
Es gibt aber nicht nur diese perspektivische Betrachtungsweise, sondern auch die auf die Gegenwart der Menschen bezogene. Je mehr wir auf unsere Selbstbestimmung im Hier und Jetzt achten,
desto mehr wird das Ergebnis einer Abschüttelung der Fremdherrschaft uns selbst entsprechen. („Der Weg ist das Ziel.“)
Ein Mensch, der unfrei ist, der wenig Interesse und Gefallen an Freiheit hat, der unfähig ist, der zu wenigem befähigt ist, der muß sich Fähigeren oder Machtgeilen fügen und ihnen die
Verantwortung und damit seine Freiheit überlassen. Von Selbstbestimmung und Abwesenheit von Fremdbestimmung und Ausbeutung kann dann aber kaum mehr die Rede sein, mit welchen hochtrabenden Begriffen auch immer
dieser Mensch um sich wirft („Freiheit“, „Volkssouveränität“ usw.).
Die nationalistischen Parteien waren in sich gespalten, wobei die Spaltung auch mitten durch die Einzelnen ging: Einerseits waren es Menschen, die sich der Fremdbestimmung nicht beugen
wollten und die bestehenden Verhältnisse von einer lebensbejahenden Grundlage aus ablehnten – sie lehnten die Besatzer ab, weil sie ihre Lebensqualität und ihre Freiheit einschränkten und ihre Würde und Ehre mit Füßen trampelten. Andererseits handelte es sich bei den Nationalisten um von den bestehenden menschen- und naturfeindlichen Verhältnissen Zerstörte und Ausgestoßene, die die bestehenden Verhältnisse aus einer negativen, lebensuntüchtigen und lebensfeindlichen Einstellung heraus ablehnten und diese Negativität mit hehren und idealistischen Phrasen verdeckten und die gar keine Würde und Ehre kannten, auf denen herumzutrampeln es den Besatzern und ihren Lakaien möglich gewesen wäre. Diese Leute konnten nur Phrasen dreschen, mit denen sie sich gegenseitig die Zugehörigkeit und angebliche Treue bestätigten, unterhalb derer aber eine heillose Zerstrittenheit wie überhaupt Heillosigkeit herrschte.
Zum einen waren die Nationalisten also für das System zu gut, war ihre Lebenskraft eine Bedrohung für das lebensfeindliche System; zum anderen waren viele vom Standpunkt der Freiheit, der
Selbstbestimmung und der Eigenverantwortung aus betrachtet noch viel schlechter als – und von Nutzen für – das System. Mit jenem zweifelhaften bis akommunalen Menschenmaterial ist genug Erfahrung
gesammelt worden. Hatten die nationalistischen Parteien aus dieser Gruppe rekrutiert bzw. hatten dieses Menschen diese Parteien hervorgebracht, so rekrutierten unter ihnen anschließend wiederum die
Geheimdienste, falls diese Parteien nicht von Anfang geheimdienstliche Schöpfungen waren.
Einer der vielen Vorteile, die die Zerschlagung der Parteien und die Bildung autonomer Strukturen mit sich brachte, war, daß das Eindringen von Geheimdienstagenten sehr erschwert wurde
bzw. daß diese kaum mehr Einfluß ausüben können. Gemeinschaftsfähige Individualisten – wie sie jetzt gefragt waren – und aus eigenverantwortlichen Einzelnen bestehende Gruppen sind ziemlich schwer
einzuschätzen, unberechenbar und kaum zu manipulieren.
Über die in vieler Hinsicht den freien Nationalisten bzw. den Nationalanarchisten ähnelnden fundamental-kritischen und radikal-aufklärerischen Revisionisten schreibt Robert Faurisson: „Es
ist eine Tatsache, daß Revisionisten weder Vorgesetzte noch Schüler haben. Sie stellen eine vielgestaltige Gruppe dar. Sie schließen sich ungern zusammen, eine Eigenheit, die ebenso viele Vorteile wie Nachteile
mit sich bringt. Ihr Individualismus macht sie ungeeignet für gemeinsame Unternehmungen. Andererseits ist es der Polizei unmöglich, eine so ungleichartige Gruppe zu infiltrieren und zu überwachen; sie kann ihren
Weg nicht durch die Kanäle der revisionistischen Struktur machen, weil es so etwas einfach nicht gibt. Diese Persönlichkeiten fühlen sich frei zu improvisieren, jeder nach seiner Fähigkeit oder seinem Geschmack,
revisionistische Tätigkeiten, welche die verschiedenartigsten Formen haben können. Die Qualität der unternommenen Arbeit spiegelt diese Ungleichheit wider, und man muß zugeben, daß auch die Ergebnisse ungleich
sind.“(1)
Es war nun das ebenfalls unfreiwillige Verdienst des Staates, eine qualitative Selektion vorzunehmen: Hörige, Unfähige, Untüchtige, Unfreie, Mitläufer, Autoritätssüchtige und solche, die
unterhalten werden wollten, schieden aus einer bis dahin zweifelhaften Volksbefreiungsbewegung aus, und die übrigen mußten mit der neuen Lage zurechtkommen und sich etwas einfallen lassen. Die Nationalisten
wurden auf sich selbst zurückgeworfen; alle persönlichen Zusammenhänge und Kameradschaften wurden, wenn sie nicht wegfielen, einer radikalen kritischen Prüfung unterzogen. Auch die eigene Person wurde dabei
nicht ausgelassen; jeder mußte sich selbst auf existentieller Ebene fragen, wie es nun mit ihm selber weitergehen soll. Aus dieser Art Tabularasa entstanden nach und nach kleine aber feine Kameradschaften.
In diesem Moment wurde davon gesprochen, daß der Kampf und die Organisation desselben neue Formen annehmen müsse, während aber das Ziel dasselbe bleibe. Es gründeten sich vor Ort freie
Kameradschaften, deren Mitglieder sich untereinander kannten, die sich nun noch besser kennenlernten und die sich immer mehr aufeinander verlassen konnten. Damit aber vollzog sich ein inhaltlicher Wandel, und es
ergab sich eine völlig neue Qualität. Für die freien Nationalisten war dies alles, die Umstrukturierung, nur eine Frage der Taktik gewesen. Strategisch aber schien sich nichts geändert zu haben. Das aber war der
Irrtum.
Die Leute wollen – die Sache einmal in ihre eigenen Hände genommen – nicht einsehen, sie sich bei der nächsten Gelegenheit von Apparatschix und Bürokraten wieder aus der Hand
nehmen zu lassen. Sie sehen stammesübergreifende Abstimmungen, Absprachen und eine notwendige Koordination ein; aber diese dürfen sich nie gegen die ursprünglichen und eigentlichen Interessen des Volkes vor Ort
richten. Soll man eines Tages in die zweite Reihe zurücktreten und dem von Berlin aus eingesetzten Gauleiter gehorchen? Kaum vorstellbar, aber darüber muß man sich klar werden. Sollten nicht Überlegungen
angestellt werden, wie Selbstbestimmung vor Ort und überregionale Angelegenheiten unter ein Dach zu kriegen sind? Wie wird zu verhindern sein, daß die in einigen Bereichen notwendigen zentralen Stellen das
Prinzip der Selbstbestimmung nicht verletzen?
Wir haben es hier mit einem wirklichen und tiefen Wandel eines Teils der deutschen nationalen Befreiungsbewegung zu tun, der diesem selbst offenbar gar nicht richtig auffällt. Die neue,
oberflächlich betrachtet nur taktische Ausrichtung brachte einen qualitativen und strategischen Wandel mit sich. Dieser Wandel vollzog sich urwüchsig und kaum reflektiert, war aber um so wahrhaftiger und tiefer. (2)
Es ist kein Zufall, daß es keine Darstellung von Sinn, Zweck und Mitteln der freinationalistischen Bewegung aus eigener Sicht gibt, und Steiner wäre kein freier Nationalist, wenn er darin
nicht wieder gerade den Charakter und eine Beispielhaftigkeit für freien Nationalismus und also eine Tugend sehen würde, soll es doch eben überhaupt keine Vorgabe geben – die Leute vor Ort sollen ihren
eigenen Widerstand und den Neuaufbau aus sich heraus leisten: Erst dann sei es die Sache des Volkes. Steiner hielte es für inkonsequent und falsch, den Leuten auch nur das mindeste in die Hand zu drücken, oder
gar ein „Manifest des freien Nationalismus“ zu schreiben.
Der freie Nationalismus, wie er sich in den letzten Jahren organisch entwickelt hat, besser gesagt: das freinationalistische Handeln, das mehr oder weniger ohne Ideologie oder Doktrin
auskommt, unterscheidet sich aber wesentlich vom parteipolitischen Nationalismus der alten Prägung; er stellt einen Riesenfortschritt dar. Der freie Nationalismus ist auf dem besten Wege, authentischer Ausdruck
eines freien Volkes zu werden; es ist die Bewegung freier und verantwortungsbewußt handelnder Menschen. Spricht man mit freien Nationalisten, hat man den untrüglichen Eindruck, daß sie sich nicht mehr auf wen
auch immer (ominöse „Führer“ bzw. Möchtegernführer) verlassen, von diesen nichts erwarten und daß sie wissen, daß ihr Schicksal und das ihrer Heimat von ihnen selbst und niemandem sonst abhängt und
bestimmt werden soll. Anders gesagt übernehmen sie jetzt endlich selbst die Verantwortung und die Führung. Führen scheint sachbezogener geworden zu sein; Autorität scheint ihre ursprüngliche Bedeutung
wiederbekommen zu haben: eine Autorität ist jemand, auf den man, weil er seine Fähigkeiten unter Beweise gestellt hat, hört. Das alles hat aber mit dem Old-school-Nationalismus kaum mehr etwas zu tun, der
weitgehend von unmündigem, unfreiem, unfähigem und abhängigem Menschenmaterial gekennzeichnet war (samt den dazugehörigen geltungssüchtigen „Führern“). „Weltanschauung“ und Ideologie sind nun weniger
wichtig. Wichtiger sind praktische Fähigkeiten, ob sie nun den Befreiungskampf betreffen oder wirtschaftliche, handwerkliche oder kommunikative sind. Es wird nicht mehr so viel gequatscht. Die Bewegung ist
menschlicher, realistischer und bodenständiger geworden.
Damit aber hat sich der freie Nationalismus beachtlich der Anarchie genähert. Der freie Vortrag des Kameraden Steiner auf besagter Veranstaltung zeichnete sich in Inhalt und Form durch
erstaunlich große Nähe zu anarchistischen Positionen aus; ich glaubte streckenweise, ich höre nicht richtig!
Es war darin viel zu hören von Vielfältigkeit und Buntheit des Widerstandes, von Spontaneität, Phantasie, von Eigenverantwortung, Eigeninitiative und Freiheit. Das ging so weit, daß
Steiner von „Führerlosigkeit“ sprach. Es war viel die Rede von freiem und eigenem Denken und Handeln: Jeder solle das machen, was er für richtig hält. Es gibt keine Zentrale, die irgend etwas vorgäbe.
Steiner betonte auch immer wieder den örtlichen, regionalen Aspekt.
Steiner nannte weitere zahlreiche Vorteile autonomer Gruppen gegenüber einem Parteiapparat – und das sehr überzeugend –, verblieb aber in seinen Ausführungen fast nur im
Rahmen der Taktik. Der Wandel im Strategischen und die diesbezügliche Verschiedenheit gegenüber den Nationalisten, die weiter auf Parteipolitik setzen, blieben von ihm unberührt. Änderungen in Taktik und
Operativität haben aber eine Auswirkung auf Strategie und Zielsetzung, was in den freinationalistischen Kreisen noch nicht wahrgenommen und reflektiert wurde.
Die Verschiedenheit von Freien und denen, die nach wie vor auf Parteipolitik setzen und nach den Verboten in die NPD gegangen sind, läßt das Bedürfnis nach strategischen Diskussionen
wachsen: Was will man überhaupt? Es stellt sich die Frage, ob man überhaupt noch – nachdem in der Taktik verschiedene Wege gegangen werden – eine gemeinsame Strategie entwickeln kann, ob man
überhaupt noch ein gemeinsames Ziel hat.
Es sieht so aus, als scheuten sich die Sponti-Nationalisten, diese strategische Verschiedenheit wirklich anzuerkennen und ihrerseits Überlegungen bezüglich des Ziels ihres Kampfes
anzustellen. Symbole und Mythen aus parteipolitischer Zeit haben den besagten Wandel überlebt, wirken diskrepant und werden auch nicht weiter hinterfragt.
Es ist zu befürchten, daß die freien Nationalisten ihre taktische Überlegenheit erkannt haben, sich aber mit ihrer Rolle als Soldaten und der nicht sehr hohen Genauigkeit ihres Ziels
begnügen. Anstatt etwa die Einheit von Bauern- und Soldatentum in einer freigermanischen Räte- und Bündnisstruktur anzustreben (freie Strukturen und örtliche Selbstbestimmung im Kampf und in Friedenszeiten), scheint man sich zu sagen: Sollen sich doch andere um diese Dinge einen Kopf machen!
Steiners Gegenüber in der sehr kameradschaftlich geführten Diskussion war Steffen Hupka, der für die Partei (NPD) und für ein Handeln in und mit ihr, für einen organisierten und zentral
geführten politischen Willen, also für einen Leninismus plädierte. Hupka nahm Steiner gegenüber ziemlich konträre Positionen ein, sie waren oft das genaue Gegenteil von dem, was Steiner gesagt hatte. Beide
beschworen das gemeinsame Ziel, aber sollen damit nicht vielleicht die beträchtlichen Unterschiede überdeckt werden? Nüchtern wird auf parteipolitischer Seite festgestellt: „Die Diskussion mit den führenden
Vertretern der freien Kräfte verdeutlichte die Gemeinsamkeiten, aber auch die unterschiedlichen strategischen Auffassungen.“ (Unabhängiger Rundbrief, Organ der RPF, Nr. 3/01)
Es muß Steiner eine gewisse Inkonsequenz attestiert werden. Zwar betonte er immer wieder – zu recht – an vielen Beispielen aus der Praxis die höhere Wirksamkeit des
spontinationalistischen Herangehens, aber er scheint sich die Fragen „Wirksamkeit wofür?“ und „Was wirkt wozu?“ nicht zu stellen. Ist die Wirkung freinationalistischen Handelns tatsächlich noch mit
der parteipolitischen vereinbar? Haben beide Herangehensweisen wirklich die gleiche Wirkung?
Wenn Steiner z.B. von Spontaneität und der dieser innewohnenden Kraft spricht, dann ist er – die Art und Weise, wie er sich ausdrückt, beweist es – der Position nicht mehr
fern, in dieser einen Wert an sich zu sehen und nicht nur einen Wert als Mittel zur Erlangung eines Zieles. Spontaneität ist Ausdruck eines freien Menschen, eines Menschen, der nicht von Zweifeln zernagt ist,
der selbstsicher, selbstbewußt und heil ist. Darin liegt aber ein Wert an sich. Jedem Menschen ist zu wünschen, daß er spontan sein kann. Spontaneität erhält ihren Wert nicht (nur) daher, daß sie etwas
bestimmtes bewirkt, sondern daß sie unmittelbarer Ausdruck der Freiheit eines Menschen und einer Menschengruppe ist. Frei zu sein ist ein Genuß, aus dem eine ganz andere Qualität sowohl des Lebens, der Gemeinschaft, des revolutionären Kampfes und mithin der nachrevolutionären Wirklichkeit erwächst: ein positives Lebensgefühl.
An mehreren Stellen aber beeilte sich Steiner, Hupka entgegenzukommen und zu betonen, daß z.B. die freien Strukturen nur solange existieren würden, solange sie notwendig seien. Die freien
Kameradschaften hätten nicht den Anspruch, auf Dauer zu existieren und zu überleben. Wenn der gemeinsame Feind geschlagen sei, werde man sich selbst auflösen. Der Freie Nationalismus – doch nur Mittel für
anderer Zwecke?
An dieser Stelle muß sich Steiner natürlich die Frage nach seiner Glaubwürdigkeit gefallen lassen. Da diese jedoch instinktiv eindeutig zu seinen Gunsten ausfällt, muß gefolgert werden,
daß er in einem gewissen Zwiespalt lebt, denkt und handelt.
Dieser Zwiespalt kann durch realistische Konzepte von Dezentralisierung, Rückverortung, Stammesautonomie und Bündnis germanischer und europäischer Nationen beseitigt werden.
Es scheinen die fehlenden nachrevolutionären Konzeptionen zu sein, die das Bedürfnis nach Zusammenarbeit mit den staatsorientierten Kräften nähren. Auf der anderen Seite scheinen die
leninistischen Kräfte zu wissen, daß sie ohne den Elan und ohne die Gewandtheit der Freien nicht ihr Ziel erreichen können. Vielleicht ließen sich die Kräfte auf einer ehrlichen Grundlage bündeln, indem es bei
den Freien zu mehr Diskussionen über nachrevolutionäre Vorstellungen kommt (ein Feld, das z.Zt. ausschließlich von etatistischen Kräften besetzt wird) und erkennbar wird, inwiefern die sich daraus ergebende
Zielsetzung mit Punkten der Leninisten vereinbar sind.
Wenn sich der freie Nationalismus besonders durch die Einheit von Theorie und Praxis auszeichnet und direkter Ausdruck des Volkswillens und des Willens, frei und freies Volk zu sein, ist, dann ist damit auch gesagt, daß seine personellen Zusammenhänge und Strukturen („Kameradschaften“) nicht nur als Mittel zu einem Zweck gesehen werden können, sondern als Kern oder Keim einer anderen, nämlich nachrevolutionären, nachapokalyptische oder nachzivilisatorischen Wirklichkeit. Lösten sich diese Strukturen auf, wäre das sehr bedauerlich, weil es hieße, daß Menschen mit Sinn für Freiheit und Verantwortung – Menschen, die sich selbst bestimmen wollen und sich für ihr Leben an ihren Orten verantwortlich und in ihrer Freiheit wohl fühlen – logischerweise unter eine neue Fremdbestimmung geraten würden, von wem auch immer ausgeübt.
Es scheint so, als schrecke Steiner vor der Vorstellung einer konsequenten Regionalisierung und Dezentralisierung des Lebens der Menschen zurück. Er bejaht sie zwar für den revolutionären
Kampf, aber für das eigentliche Leben, dem er doch so nahe ist, scheint er sie für ausgeschlossen zu halten. Aber ohne Regionalisierung und Dezentralisierung keine Selbstbestimmung. Selbstbestimmung ist ein
Widerspruch zu Zentralismus und Massenmenschentum.
Um Steiners Zwiespalt (offenbar der des gesamten freien Nationalismus) auszuräumen, kann es jetzt nur heißen, den Aspekt der inneren Freiheit („die Freiheit im Kopf“), von dem
Steiner oft spricht, noch weiter in den Vordergrund zu rücken und die innere Befreiung voranzutreiben und zu radikalisieren, um das Gemeinwesen so tief wie möglich, nämlich von den Einzelnen her, wie sie
wirklich sind, zu begründen. (Christian Worch spricht in diesem Zusammenhang von einer notwendigen „Rückverjüngung“.) (3)
Frei im Sinne von ungebunden zu sein (gegenüber einer Partei), heißt zunächst überhaupt noch nicht, wirklich innerlich frei zu sein, worauf Steffen Hupka zurecht verwies. Ein Teil der
Freinationalisten schließt sich der NPD nicht an, weil ihnen diese zu wenig zentralistisch und doktrinär ist; diese sind weniger frei sind als viele NPD-Mitglieder. Insbesondere die Basis bleibt hier noch weit hinter den führenden Kräften zurück. Es wäre zu wünschen, daß Steiner und andere einen größeren Einfluß ausüben und andere, besonders Jüngere, zur Übernahme von Verantwortung und zu Freiheit und Selbständigkeit ermutigen.
Fehlende innere Freiheit heißt, das Potential nicht auszuschöpfen, heißt, die Möglichkeiten der Lebensgestaltung nicht zu sehen, heißt, sich selbst zu verunfähigen und weniger
Verantwortung übernehmen zu können. Aus ungebundenen Nationalisten müssen noch viel mehr freie Nationalisten werden!
Anmerkungen: (1) Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 5 (2) (2001), S. 146-169
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