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[Dies ist die aktuelle (Apr. 2001 bis Okt. 2001) Netzpräsenz der deutschsprachigen Nationalanarchisten. Es sind Ausweichseiten, da die nA-Domäne (www.nationale-anarchie.de) derzeit nicht bearbeitet (und nun auch nicht mehr besucht) werden kann.
Zuerst wurde am 7. Dezember 2000 von der Polizei der Rechner beschlagnahmt, auf dem sich die zur Bearbeitung nötige Datei befindet (zu Hausdurchsuchung und Kriminal-Ermittlungen siehe
hier; Stellungnahme zur Anzeige hier).
Dann sind - nachdem die Ermittlungen eingestellt wurden und der Prozeß kläglich gescheitert ist - am 12.4.02 die nationale-anarchie.de-Seiten und auch der Netzort
www.volksheil.de vom Provider Strato AG ganz und gar  stillgelegt worden: alles reiner  Zufall... Begründung: rechtswidriger Domain-Name (!), erotische, extremistische usw. Inhalte
www.nationale-anarchie.de wird demnächst wieder überarbeitet im Netz sein mit neuen Positionen und Weiterentwicklungen  (Nationenbegriff, antideutsch, aber nicht antinational... siehe z.B.
Text von Flo). Anleitung zum Öffnen gesperrter Seiten. Techniken zur Umgehung von Internet-Zensur. Siehe www.vgt.ch und www.ioz.ch.]

=> Die Netzseiten von Sleipnir, Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik (www. freespeech.org/sleipnir) sind von Freespeech skandalöserweise ohne Benachrichtigung und Kommentar abgestellt worden. Sleipnir wird hier als Gast beherbergt.<=

AUTO: -chthon & -nom
  nationalanarchistische Stromzeitschrift
 

AUTO Nr. 7  (Juni 2001) / Theorie

Gruppe Heidnische Befreiung (Marseille)*: Das neuheidnische Mißverständnis

Das Neuheidentum basiert im wesentlichen auf einem Mißverständnis, das in gleichem Maße von seinen Feinden - in erster Linie den christlichen Kirchen -, wie von denen unterhalten wird, die sich selbst als Neuheiden bezeichnen, seien es Neonazis, die im Neuheidentum eine Heiligung des Rassenhasses sehen, oder Intellektuelle der französischen Neuen Rechten, deren Vorläufer der Royalist Charles Maurras gewesen ist und für die das Neuheidentum die höchste Ausdrucksform eines rechten apollinischen1 Ästhetizismus mit leidenschaftlichem Hang zu Ordnung und Hierarchie ist.
 

Der Fall Hitler

Die Neonazis erklären sich zu Heiden, weil, wenn man ihnen Glauben schenken darf, das Dritte Reich heidnisch gewesen ist. Als Beweis dafür dienen ihnen die Nazi-Symbolik, die Zeremonien des SS-Ordens und die antichristlichen Reden und Schriften dieses oder jenes NS-Führers. Die historische Wahrheit indessen ist eine ganz andere: Die NSDAP hat sich stets zum Christentum bekannt2; sie hat sich außerdem mit den konservativen Christen verbündet und sich, um an die Macht zu gelangen, auf die Kirchen gestützt. Hitler hat dann am 7. Juli 1933 das Konkordat mit dem Papst abgeschlossen und in der Folge Freidenker und Neuheiden unterdrückt, die sich in ihrer großen Mehrheit nicht mehr frei äußern konnten und denen gewisse Berufe nicht mehr zugänglich waren (z.B. Offizier in der Wehrmacht). Es hatten also keineswegs nur Juden im Dritten Reich unter diskriminierenden Maßnahmen zu leiden. Man wird bestimmt einwenden, daß das Verhältnis zwischen dem NS-Staat einerseits und der katholischen Kirche und eines Teiles des deutschen Protestantismus ("Bekennende Kirche") andererseits später gespannt war. Beide, die Kirchen und die NSDAP, stritten sich insbesondere um die Kontrolle über die deutsche Jugend. Doch dieser Streit war nichts anderes als einer zwischen verschiedenen totalitären Mächten. Die katholische und die Bekennende Kirche gehörten im übrigen zu denjenigen, die von Hitler in den Jahren 1933 bis '34 libertizide Maßnahmen forderten, insbesondere gegen Freidenker und Neuheiden, die sie des "Liberalismus" und des "atheistischen Bolschewismus" bezichtigten; gegen die ersten antijüdischen Gesetze des Regimes kam von ihnen kein Widerspruch. Außerdem mündete der Streit nie in einem offenen Bruch: Nur eine sehr kleine Anzahl deutscher Christen beteiligte sich an isolierten Aktionen des Widerstands. Was die NS-Führer anging, die mehrheitlich Katholiken waren, so verließ keiner von ihnen die Kirche, der sie angehörten, und keiner hörte auf, die Kirchensteuer zu bezahlen. Die von den christlichen Kirchen gern verbreitete Darstellung des Nationalsozialismus als ein ausgesprochen heidnisches Regimes, an der sich die am meisten degenerierten Repräsentanten der "arischen Rasse", Parteiverbotsgeistglatzen, Freizeitgermanokanakenklatscher, Geburtstagsfeierstürmer und Konzertverhinderungstaffeln festhalten, findet kaum Entsprechung in der Wirklichkeit.

Was soll auch an dem ideologisch-kulturellen Trödelladen des Nationalsozialismus heidnisch gewesen sein, der aus einer Mischung von Runen, römischen Grüßen, griechischer Bildhauerei und ägyptischer, bzw. babylonischer Monumentalität einerseits, unter denen der normale Deutsche erdrückt und von der Allmächtigkeit des Pharaos Adolf Hitler überzeugt werden sollte, und einem germanischen Monotheismus3 andererseits, der auf dem Glauben an einen deutschen Gott, Gott der Heerscharen basierte, der die Deutschen auserwählt hatte? Ein Jahwe mit den Gesichtszügen Odins? Einige Autoren haben bemerkt, daß sich der Nationalsozialismus als ein im Grunde umgekehrter Judaismus darstellte, dessen Anhänger es für notwendig erachteten, das offensichtliche und störende hebräische Vorbild zu vernichten. An dieser Stelle tritt die Verwandtschaft des Nazismus mit dem angelsächsischem bzw. Afrikaner-Rassismus kalvinistischer Prägung klar hervor, deren jüngste Manifestationen der Ku-Klux-Klan in den USA, der Oranje-Orden in Nordirland und die Apartheid in Südafrika sind bzw. waren, deren ideologische Wurzeln in den alttestamentarischen Schriften liegen. Wir können den neonationalen Sozialisten nur den Wechsel der Religion (falls sie überhaupt eine haben) und die Lektüre des Alten Testaments empfehlen. Dort finden sie sehr viel mehr Inspirationsmaterial als in den europäischen Mythen, wo Mord, Völkermord und Haß auf alles, was verschieden ist, keine Ehrenplätze einnehmen und keinerlei göttliche Rechtfertigung empfangen.
 

Das neurechte Paradox

Wir haben in der Einführung zu diesem Artikel die Neue Rechte angeführt. Wie die Alte, so bekämpft auch die Neue Rechte die aus der Französischen Revolution hervorgegangene Ordnung. Ihre soziale Basis ist dennoch eine andere: Sie stützt sich auf einen Teil der Intellektuellen, während die Alte Rechte im Landadel wurzelte. Intellektuell war die Alte Rechte vom Positivismus und vom Szientismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts geprägt. Die ersten Repräsentanten dieser Neuen Rechten waren in Frankreich Charles Maurras - Erbe des Positivismus' von Auguste Comte - und seine Freunde, mit denen er 1899 die Zeitschrift Action Française gründete. Anfangs sah sich Maurras sowohl als Heide (siehe "Anthinéa" und "Le chemin de paradis"), als auch Katholik (weil die katholische Kirche, ihm zufolge, das "christliche Gift" neutralisiert hätte), doch nach und nach trug in ihm der Katholizismus den Sieg über das Heidentum davon und am Ende wurde letzterer ganz erstickt.

Am Ende der 60er Jahre erschien eine neue Bewegung in Frankreich und im übrigen Europa, die sich selbst als "Neue Rechte" bezeichnete. Diese Bewegung hatte viele Ähnlichkeiten mit der Action Française der Anfänge4, aber sie lehnte deren Katholizismus ab.

Paradoxerweise ist die Neue Rechte aus den gleichen Gründen heidnisch (und bezeichnet sich immer noch so), aus denen heraus die Alte Rechte christlich war: aus denen einer aristokratischen Werteordnung.

Während die Alte Rechte meinte, die Ungleichheit der Menschen sei Ausdruck göttlichen Willens und die Christen müßten diesem gehorchen, verdächtigt die Neue Rechte das Christentum, den egalitaristischen Bazillus in Europa eingeführt zu haben.

Maurras - und die ganze Neue Rechte nach ihm - kritisierte den metaphysischen Egalitarismus des Christentums - die Gleichheit der Menschen vor Gott -, der dem politischen Egalitarismus (der Demokratie) und dem sozialen Egalitarismus (Sozialismus) den Weg geebnet hätte. Die gleichen Überlegungen findet man - furchtbar vereinfacht und als Karikatur - bei Dietrich Eckart, der in den ersten Jahren des politischen Kampfes Hitlers Mentor war und von dem eine Schrift - bezeichnend ihr Titel - "Der Bolschewismus von Mose bis Lenin" stammte. 

Die Idee, der zufolge das Christentum eine Sklavenmoral und eine Moral des Ressentiments sei, ist sowohl von den Freunden Maurras' am Anfang des 20. Jahrhunderts, als auch von der heutigen Neuen Rechten von Nietzsche übernommen worden.5 Letztere, die sich von den Schriften Celsus' inspirieren ließen - eines römischen Gegners der ersten Christen -, beschreiben mit Wohlgefallen, wie Rom nach und nach zum Christentum konvertierte - durch den Einfluß der Sklaven! Eine absurde Sicht ohne historische Grundlage. Sklaven hätten - in einer so gnadenlos hierarchischen Gesellschaft (deren Konturen später von der Kirche so getreu übernommen wurden) - ihre Herren überzeugt, bekehrt und unterrichtet: Wie soll man sich das vorstellen? Rom ist christlich geworden, weil seine führende Klasse (der die Kirchenväter Ambrosius, Jeronimus, Augustinus usw. entstammten) - begründet oder nicht - von den Vorteilen des Christentums überzeugt war. In der Folge sind es die verschiedenen keltischen, germanischen, slawischen usw. Eliten, die, freiwillig zum Christentum konvertiert, dieses ihren Völkern aufzwangen - einhergehend mit der neuen Feudalordnung, die die heidnisch-libertäre Ordnung der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der Sippen und Stämme überlagerte und ersetzte.


Eine Fehldeutung Dumézils

1. In ihrem antiegalitaristischen Diskurs stützt sich die Neue Rechte auf die Arbeiten Georges Dumézils. Dieser hatte, von Studien der den indoeuropäischen Völkern eigenen Mythen ausgehend, die Existenz eines Geistes der Dreigliederung ausgemacht, die das Selbstverständnis der Indoeuropäer seit Urzeiten prägten. Die Neue Rechte schien hierin das Mittel zur Rechtfertigung einer sozialen Hierarchie gefunden zu haben, die dem Kastenwesen in Indien ähnelt oder den mittelalterlichen Ordnungen mit Priestern oben, Arbeitern unten und Kriegern dazwischen. Nachdem sie, wie wir gesehen haben, die Gleichung „Christentum gleich Egalitarismus“ aufmachte, rechtfertigte die Neue Rechte - gewissermaßen wissenschaftlich - eine anderen Gleichung: (indo-europäisches) Heidentum gleich Anti-Egalitarismus. Doch selbst, wenn man annimmt, daß die Theorie der Dreigliederung auf das Soziale angewandt werden kann (was so von Dumézil, wie er selbst sagte, nicht gewollt war; diesbezügliche Versuche wurden im übrigen selten unternommen), weist nichts auf eine Hierarchie hin. Im Gegenteil, es scheint klar zu sein, daß die Indogermanen die drei Stände6 gleichermaßen würdigten. Es könnte im übrigen sein, daß der von den neurechten Beweihräucherern des politischen "Dezisionismus" und der Kriegertugenden verachtete dritte Stand der wichtigste war, weil dieser, neben dem alltäglichen Überleben der Gemeinschaft und ihrer biologischen Kontinuität, das "Fortbestehen der gesellschaftlichen Bande" sicherte, um einen Begriff Michel Maffesolis zu gebrauchen. (Die  Funktion des dritten Standes beinhaltete in der Tat, außer der Herstellung von Gütern und der Reproduktion der Menschen, alles, was mit der Sexualität im weitesten Sinne dieses Wortes und schließlich auch mit der Pflege des Gemeinschaftslebens zu tun hatte.) Die Funktionen der beiden anderen Stände blieben ruhen und latent und traten nur in Krisenzeiten hervor, als Entscheidungen zu treffen oder Feinde zu bekämpfen waren. Professor Allard, hervorragende Fachkraft in Sachen Völkerkunde der Germanen, scheint diese Sichtweise zu bestätigen, wenn er darauf hinweist, daß die germanischen Völker, die, daran sei erinnert, den Urschoß der indoeuropäischen Kultur bildeten, bis zu Beginn der Christenzeit (oder gar, was die Schweden betrifft, bis ins Mittelalter) nur ein an den dritten Stand gebundenes, ein Volks-, Bauern- oder "vanisches" Königtum kannten, das unter dem Schutz der Göttin Freya stand, bevor die Umstände (insbesondere der militärische Druck der Römer) sie dazu zwangen, sowohl die Institutionen als auch den Kult zu wechseln, um ein auf Kriegern beruhendes und Wotan höriges Königtum anzunehmen.7
 

Kommunion und Befreiung

Das sogenannte Heidentum der Neonazis und das der Neurechten stellt in unseren Augen jeweils einen doppelten Irrtum dar. Der erste besteht darin, daß die einen wie die anderen in ihrem "Heidentum" die Auserwähltheit ihrer Rasse und die selbsterklärte Aristokratie (Bestenherrschaft) sehen. Doch das Heidentum bietet, wie wir gesehen haben, im Gegensatz zum Christentum für solche Absichten keine Handhabe. Und von da aus - und hier haben wir es mit dem zweiten Mißverständnis zu tun - kann ihr eingebildetes Neu-"Heidentum" nicht gelebt werden. Nun ist das Heidentum nichts, nur ein leeres Wort, wenn es zu aller erst keine gelebte Wirklichkeit ist.

Neuheidentum, so wie wir es verstehen8 und das wir in aller Bescheidenheit zu leben und zu lehren versuchen, ist sowohl Befreiung als auch Kommunion. Befreiung von körperlichen und moralischen Zwängen, die sowohl vom Christentum als auch von den aus diesem und seinen Zerfallserscheinungen hervorgegangenen Institutionen und Ideologien herrühren und die den Status der europäischen Frauen und Männer als Freie zerstört haben, um sie der Willkür der Herren auszuliefern, die später die Gestalt von Staat und Unternehmerschaft annehmen und von der Seelenpolizei der Kirche und der diese ablösenden Ideologien begleitet werden. Das Christentum hat die Welt vom Göttlichen getrennt. Es hat dabei, wie es Max Weber sagt, "die Welt entzaubert". Wir streben nach einer Rückverzauberung der Welt und zwar mittels einer Wiedervereinigung mit dem Großen Ganzen, mit Mutter Erde, mit der Menschlichkeit inmitten der Bindungen, die von Liebe, Freundschaft, Kameradschaft und Elternschaft hergestellt werden. Der Orgiasmus - höchster Ausdruck gelebter Gemeinsamkeit - hilft uns dabei, denn die Extase, zu der er uns führt, erlaubt uns, unsere Individualität und unsere Endlichkeit zu überwinden.
 

Für ein amoralisches und anarchistisches Heidentum

Sagen wir es frei heraus: Unser Neuheidentum ist amoralisch. Doch handelt es sich hierbei um einen "ethischen Immoralismus", um einen weiteren Begriff Michel Maffesolis zu gebrauchen, der sorgfältig zwischen Moral (dem Sein-sollen, das die Wurzel von alle Arten von Totalitarismus bildet) und Ethik (dem Ausdruck des Lebenwollens und des Zusammenseins) unterscheidet: "Es ist vielleicht nötiger als je zuvor, eine Unterscheidung anzustellen zwischen einer Moral, die eine Reihe von Verhaltensregeln verordnet und festlegt, wonach ein Individuum oder eine Gesellschaft zu streben hat, die, mit einem Wort, auf der Logik des Seinmüssens aufbaut, und einer Ethik, die ihrerseits auf ein Gleichgewicht und eine gegenseitige Relativierung der verschiedenen Werte verweist, die ein gegebenes Ganzes ausmachen. Die Ethik ist vor allem Ausdruck des vollständigen und nicht zu unterdrückenden Lebenwollens, aus ihr spricht die Verantwortung, die dieses Ganze in bezug auf seine Fortdauer wahrnimmt. Zu einer Zeit, wo in Folge der Überholtheit der politischen Vorstellungen viele ,edle Seelen' ihre Moral unter die Leute bringen wollen, ist es vielleicht nicht unnütz daran zu erinnern, daß sich die schlimmsten Tyranneien stets im Namen des Seinsollens errichteten, dem auch der vordergründig sanfte Totalitarismus des zeitgenössischen Technizismus viel zu verdanken hat."9

Unser Neuheidentum ist auch darin anarchistisch, als es den todbringenden Institutionen (insbesondere dem Staat und dem Geld) jegliche Legitimität abspricht, die sich, zumeist gewaltsam, an die Stelle der ursprünglichen Gemeinschaften, Sippen, Dörfer, Stämme und Völker gesetzt haben, in denen - mehr oder weniger beschönigt - ein wildes Durcheinander der Körper herrschte10 und um deren Wiederherstellung in ihrer Organizität im Schoße dionysischer Gemeinschaften, vergleichbar den zügellosen Umzügen der griechisch-römischen Antike, es dem Heuheidentum geht.11


Dionysos und Schiwa 

Obgleich "neu", knüpft unser Heidentum an das an, was es an Archaischstem und Subversivstem im antiken Heidentum gegeben hat, was die Figur des Dionysos in Griechenland und in Rom repräsentiert und Schiwa heute noch in Indien darstellt. Diese Götter und die Kulte, die man ihnen weihte, sind von den Alten, die der etablierten Ordnung der Urbanität, oder im Falle der Inder der Kasten, anhingen, verdächtigt worden. Die einen und die anderen zögerten nicht, die Zuschauer zu verfolgen, wie es der Bericht über die Unterdrückung der Bacchanten des Livius T. bezeugt. Dennoch organisierte sich im mediterranen Europa gerade um sie der Widerstand gegen die Christianisierung und in Indien der Widerstand gegen die Islamisierung.

"Selten", schreibt Mircéa Eliade über Dionysos, "taucht ein Gott zur Zeit, die mit einem so archaischen Erbe belastet ist, auf: Rituale mit Tiermasken, Phallophorie, Zerstückelungsorgien,  Menschenfresserei, Mania, Enthusiasmos. Am bemerkenswertesten ist die Tatsache, daß der Dionysos-Kult, trotz der Bewahrung dieses aus den Urzeiten stammenden Erbes und einmal dem spirituellen Universum der Griechen einverleibt, stets neue religiöse Werte erschaffen hat."12

Der Dionysos-Kult, entstanden aus dem Mutter-Erde-Kult und obwohl einen gewissen Bruch mit diesem markierend, da es sich um eine männliche Gottheit und - in Zeussens Schenkel empfangen, wo er seine Trächtigkeit vollendet - um den Übergang von der Matri- zur Patrilinearität handelt, weist noch deutliche Züge von diesem auf. Dionysos ist ursprünglich der Gott des Baumes und des aus der Erde entstandenen Weinstockes. Es ist nicht verwunderlich, daß er gleichzeitig der Gott der orgiastischen Praktiken gewesen ist. In der Tat gehen vom Baum, diesem "Sammelbecken der die Natur belebenden Kräfte, auch Kräfte aus, mit denen sich auch jene füllen, die seinen Kult zelebrieren und die bei sich die gewöhnlichen Auswirkungen der Besessenheit auslösen (...). Das Göttliche des Baumes", fährt Henri Jeanmaire fort, "erfährt einen Kult, der von Natur aus orgiastisch und extatisch ist. Diese Regel, die in zahlreichen lokalen Kulten geschildert wird, in denen Artemis als Baumfrau Gegenstand eines Dienstes ist, der in der Ausführung extatischer Tänze besteht, gilt auch für Dionysos."13 Doch ist Dionysos, so fügt Mircéa Eliade hinzu, nicht nur mit der Vegetation verbunden, sondern "mit der Totalität des Lebens, wie seine Beziehungen zu Wasser und zu Keimen, zu Blut, Sperma und den vitalen Exzessen zeigen, die durch sein Auftreten in Tiergestalt (Stier, Löwe, Bock) ihre Illustrierung finden. Sein unerwartetes Erscheinen und Wiederverschwinden spiegelt in gewisser Weise das Erscheinen und Verbergen des Lebens wider, d.h. den Wechsel von Leben und Tod und letztlich seine Einheit. (...) Durch sein vielgestaltiges Auftreten und Verschwinden offenbart  Dionysos das Mysterium und das Heiligtum der Vereinigung von Leben und Tod."14

Nach Bachofen und Ludwig Klages hat man in Dionysos- (oder Schiwa-) und im Mutter-Erde-Kult gern den Ausdruck eines vor-indogermanischen, "pelagischen"15 (oder, im Falle des Schiwaismus, dravidischen) Substrates gesehen.16 Der Ursprung dieser Kulte ist von manchen in den neolithischen Zivilisationen der voranatolischen Ära gesehen worden. Aber die Bedeutung der nordischen Beiträge zum Dionysismus ist nicht zu bestreiten, wie Henri Jeanmaire festgestellt hat.17 Tatsächlich scheint der Mutter-Erde-Kult ein gemeinsames Erbe aller euro-mediterranen Völker zu sein: ein Erbe aus den Zeiten vor der Individuation des indoeuropäischen Abzweiges.


Eine Präzisierung des Begriffs "indoeuropäisch"

Zur Eiszeit wies Europa eine große rassische, sprachliche, kulturelle und kultische Einheit auf. Die Erwärmung des Klimas beendete dies nach und nach. Und so traten, den Paläolinguisten zufolge, in der Kupferzeit die ersten Indoeuropäer auf, die ursprünglich aus dem Norden Europas kamen und sich in den Steppen Rußlands und Mittelasiens aufgehalten hatten. Sie hoben sich von der allgemeinen Masse und den alteuropäischen Ureinwohnern ab, hatten eine pastorale und kriegerische Lebensweise und eine patriarchale und hierarchische Sozialstruktur, die sie den europäischen und indischen Völkern aufzuzwingen versuchten.18 Als Banden von Plünderern eroberten die Protoindoeuropäer in der Tat Europa, ihre alte Heimat, und weiteste Teile des Nahen und Mittleren Ostens. Die indoeuropäische Transplantation aber griff nicht überall und vor allem nicht in der gleichen Weise. Man sollte u.a. stets daran denken, daß, wenn man von den "Indoeuropäern" spricht, nicht der erobernde Kern von einst gemeint ist, von dem man schließlich auch sehr wenig weiß, sondern alle indoeuropäisierten Völker, die mit diesem Kern fusionierten; auch im Hinblick auf die Studien Georges Dumézils zur Dreigliederung, bzw. Trifunktionalität, von denen wir weiter oben sprachen. Wir haben gesehen, daß die Germanen, die wahrscheinlich eine Mischung von "kriegerischen Hirten, Trägern der Glaskeramik und Streitäxten"19, d.h. den Protoindoeuropäern, und den autochthonen Völkern des europäischen Nordens waren, lange Zeit dem Matriarchat und einer völkischen oder demokratischen Form des Königtums treu blieben.

Im hellenisierten Griechenland und im arisierten Indien, wo das Indoeuropäertum mit seinen bestimmendsten Aspekten aus historischen Gründen besonders prägend war, hielten der Dionysismus und der Shivismus unter dem Aspekt des Wahnsinns und der Raserei die Sprache der Revolte des Lebens, der Natur und des ur-europäischen Substrates gegen die Ideologie von der Selbst-, Fremd- und Weltbeherrschung, wie sie von den alten Eroberern mitgebracht wurde, am Leben.


Von Grundtvig zu Asgar Jorn: dänisches Neuheidentum

Die fränkische, später deutsche, Expansion sah es nicht nur auf den Osten ab. Auch der Norden war Ziel. Schon zu Zeiten Karls des Großen war Dänemark, das durch den Fluß Eider von den kaiserlichen Besitzungen getrennt war, bedroht. Später überschritt Heinrich I. die Eider und legte die Schleswiger Mark an. Um dem Vorstoß zu begegnen, legten die ursprünglich heidnischen dänischen Könige im 9., 10. und 11. Jahrhundert ein befestigte Linie an, den Dannevirke. Einige Jahrhunderte später gab der dänische Pastor Grundtvig (1783 bis 1872) der von ihm gegründeten Zeitschrift den Namen Dannevirke. Grundtvig ging es um den Kampf gegen den deutschen Hegemonismus, der sich in den territorialen Forderungen hinsichtlich Schleswigs, das integraler Bestandteil des dänischen Königreiches war, und Holsteins, das im Besitz des Königs war, äußerte, aber auch im Hang der dänischen Oberschicht zur deutschen Kultur. Und ihm ging es auch darum, bei seinen Landsleuten ein Gefühl des Nationalstolzes zu entwickeln. Doch war Grundtvig mehr als das: Er, der Pastor der lutherischen Staatskirche, grub die skandinavische Mythologie aus und vermied alles, diese als Zeugnis eines überholten Glaubens darzustellen. Er ermunterte seine Landsleute dazu, diese Mythologie ernst zu nehmen und sie als Trägerin von Wahrheit zu betrachten: der Kampf der Riesen mit den Göttern erschien ihm sehr wohl real und gleichzeitig für die Ordnung der Welt und ihrer Regeneration notwendig. Die Lehre der Mythologien anstelle des klassischen Humanismus sollte ihm und seiner Schüler zufolge den Kampfgeist und die Vitalität der Dänen wecken helfen, indem die Dänen von Göttern und den nordischen Helden erfuhren und den Sieg ihres Freiheitsstrebens über den herrscherlichen und monarchischen Absolutismus und die deutsche Gefahr erringen.20

In Anwendung der Lehren Grundtvigs ergriffen die durch dessen Schule gegangenen dänischen Bauern im Verlaufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Partei für ihre politische und soziale Emanzipation gegen die Bevormundung durch den Landadel und seiner Verbündeten, das städtische Bürgertum, und organisierten sich in solidarischen Körperschaften. Sie gründeten eigene Schuleinrichtungen, eine Volkspolizei und ein dichtes Netz von Genossenschaften. Während des Zweiten Weltkrieges bekannte sich der dänische Widerstand seinerseits zum Grundtvigismus und ließ sich von diesem weitestgehend inspirieren.21

Zu den Widerständlern, die sich der von der skandinavischen Mythologie ausgehenden Botschaft verpflichtet fühlten, zählte ein gewisser Asger Jorn.22 Asger Jorn war avantgardistischer Künstler, in den 30er Jahren expressionistischer Maler, zwischen 1948 und 1951 Mitglied der aus dem revolutionären Surrealismus hervorgegangenen Gruppe Cobra, Mitglied der Situationistischen Internationale, die er mit Guy Debord im Juli 1957 gründete und deren Zeitschrift er ab Juni 1958 auch gemeinsam mit Guy Debord herausgab. Asger Jorn wirkte sein ganzes Leben lang in enger Verbindung zur skandinavischen Mythologie. Sie beeinflußte seine Kunst, während er gleichzeitig, wie es den Situationisten eigen war, den Warencharakter, den auch das Mythologische im alles verschlingenden Kapitalismus annimmt, entlarvte. Seine Überlegungen über Alternativen zum Kapitalismus waren von der Poesie der Mythologie geprägt: Sind die Götter und Helden des Nordens nicht Beispiel für einen schöpferischen und voll verantworteten zerstörerischen Wahn, für eine Lebensweise, die die Regeln des Anstandes und des Marktes herausfordert, denen wir mehr und mehr unterworfen sind?23


Der Schwindel vom Mai '68

Die Situationisten waren den Ereignissen vom Mai 1968 geistig vorausgegangen und haben diese vorweggenommen.

Mai '68 war jedoch - und das glauben wir sagen zu können, auch wenn die Kommentatoren aus Anlaß des 30. Jahrestages der Ereignisse dieses leuchtenden Monats im Gebrauch von Superlativen nicht gegeizt haben und das, was im Nachhinein als eine etwas lärmende studentische Kundgebung erscheint, als "Revolution" bezeichnet haben - ein riesiger Schwindel. Weit davon entfernt, den Übergang der Gesellschaft von einer "entfremdeten" hin zu einer "befreiten" dargestellt zu haben, war der Mai '68 lediglich ein Beschleuniger des Übergangs von der Produktions- zur ungebremsten Konsumtionsgesellschaft, die von den Situationisten zu ihrer Zeit bereits kritisiert worden ist, in der die Bedürfnisse angeblich durch den Massenkonsum von Gütern und Dienstleistungen befriedigt werden. Weit davon entfernt, die Herrschaft ihrer Väter zu brechen, begnügten sich die jungen bürgerlichen 68er damit, diese einfach zu ersetzen. Sind die revoltierenden Studenten von gestern nicht die hohen Beamten, die Politiker und die Geldleute von heute?

Was uns viel interessanter erscheint als der Mai '68, das ist die große Bewegung, die ihm vorangegangen war, die ihn vorbereitet und ermöglicht hat und die die 68er am Ende verraten haben: Die Hippie-Bewegung. Es besteht in der Tat kein Zweifel daran, daß uns in den Jahren der Entstehung und der Blüte dieser Bewegung die Bacchanten einen Besuch abgestattet haben: aus der Mitte eines Umzuges junger Mädchen mit bloßen Brüsten und junger Männer mit Blumen in den Haaren. Wir sahen sie in den öffentlichen Parks umherspringen und die gute Nachricht der befreienden Liebe verbreiten. "Sex, Drogen und träumerische Musik" war ihre Devise.

Mai '68 stellte nicht den Höhepunkt der Hippiebewegung dar, sondern den Beginn ihrer sowohl politischen als auch kommerziellen Ausbeutung. In diesem Monat verschwanden die Bacchanten, erschreckt vom Auftauchen der Politkommissare, die paradoxerweise das der Händler vorbereiten sollten, in die Tiefen der Wälder zurück.

Es hängt nur von uns ab, ob sie wieder zurückkehren...

Schreiben wir also die Träume von kollektiver Befreiung des Flower Powers und seinem Streben nach Echtheit auf unsere Fahnen. Übernehmen wir das Beste und das Bewährte seiner Kommune-Experimente und seiner quasi heidnischen Spiritualität und reißen wir uns los aus diesem Zustand der Enteignung unserer Existenz in der virtuellen Welt und ihres endlosen Spektakels, das sich an die Stelle des wirklichen Lebens setzen will.

Anmerkungen:

1 Johannes Hoffmeister: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Hamburg 1955: "apollinisch-dionysisch: Von Schelling eingef. Begriffspaar zur Bez. des im Wesen des Gottes Apoll zutage tretenden klaren, nüchternen, auf Form und Ordnung gerichteten, bewußten Willens im Gegensatz zu dem sich in Dionysos offenbarenden rauschhaften, alle Formen sprengenden, unbewußten und unklaren Schöpfungsdrang."

2 Vgl. den Bezug auf das "positive Christentum" in Art. 24 des NSDAP-Programms von 1920 und die Radioansprache vom 1. Februar 1933, in der die ideologische Ausrichtung der neuen, von Hitler geführten Regierung dargelegt wurde.

3 Ob dieser Monotheismus sich christlich oder antichristlich gab, tut nichts zur Sache. Maurras kritisierte schon zu seiner Zeit den "Monotheismus des nationalen Ichs" der Deutschen, eines lokalen Produktes des protestantischen Bibeltums. (zit. von Patrice Sicard, in: "Maurras ou Maurras", S. 15)

4 Die 1974 von der GRECE, dem organisatorischen Kern der Neuen Rechten, herausgegebene Broschüre mit dem Titel "Maurras ou Maurras" (siehe Anmerkung 3) zeigte deutlich, daß sich die Neue Rechte dieser Ähnlichkeiten, ja sogar einer gewissen Verbindung der beiden Bewegungen bewußt ist.

5 Mit dieser Idee hat Nietzsche in Genealogie der Moral nicht ausdrücken wollen, daß sich nur Sklaven zum Christentum bekannten, sondern daß dieses Sklaven produzierte (was durch die Geschichte bestätigt wurde) und von denen angenommen wurde und wird, die einen Hang zur Unterwerfung haben. Das Problem der Neuen Rechten ist es, daß sie vieles wortwörtlich nimmt, eingeschlossen, wie wir später sehen werden, die von Georges Dumézile entwickelte Theorie der Trifunktionalität bei den Indoeuropäern (siehe auch Jean Haudry, Die Indo-Europäer, Wien 1986).

6 Im Deutschen auch als Lehr-, Wehr- & Nährstand bekannt - d.Ü.

7 Jean-Paul Allard, La royauté wotanique des Germains, in: Etudes indo-européennes, Zeitschrift des Institutes für indo-europäische Studien an der Universität Jean Moulin (Lyon III), Nr. 1 (Januar 1982) und 2 (April 1982).

8 Der Gebrauch der Vorsilbe "Neu" ist von daher gerechtfertigt, als daß wir seit einigen Jahrhunderten in einer geistigen und institutionellen Welt leben, die zutiefst vom Christentum geprägt ist. Wir versuchen wirklich, uns davon zu lösen und somit das Heidentum der Ahnen neu entstehen zu lassen. Diese Zugang ist schwierig und schließt außerdem einen Teil von Bekehrung mit ein, wie er dem ursprünglichen Heidentum völlig fremd war. Aus all diesen Gründen scheint es uns die Präzisierung von Nutzen, daß jemand, der sich heute einfach als Heide im Sinne des einstmaligen Heidentums ausgibt, offenbar nur ein Hanswurst sein kann.

9 Michel Maffesoli, L'ombre de Dionysos. Contribution à une sociologie de l'orgie, Paris 1982, S. 18/19

10 Ein Durcheinander, das sich in der - reellen oder imaginierten - Blutsverwandtschaft zwischen den Gemeindeangehörigen (die Gemeinschaften waren, daran sei erinnert, Blutsgemeinschaften) symbolisierte und das sich in den alltäglichen Aktivitäten aller Art verwirklichte, sei es in der gemeinschaftlichen Arbeit oder in der "unproduktiven Verausgabung" -  auch sie gemeinschaftlich - anläßlich der orgiastischen Feiern, die den Jahresablauf und die menschliche Existenz durchwirkten.

11 Vgl., was die dioinysischen Umzüge angeht, P. Foucart, Des associations religieuses chez les Grecs. Thiases, éranes orgéons, 1873.

12 Histoire des croyances et des idées religieuses, Bd. 1, Paris 1976, S. 380 - 381.

13 Dionysos, Histoire du culte de Bacchus, Paris 1951, S. 213/214.

14 a.a.O., S. 373/374

15 pelagisch gleich vor-indogermanisch. Siehe Ludwig Klages, Der Geist als Widersacher der Seele, insbesondere das Kapitel "Das Weltbild des Pelasgertums".

16 Vgl. Alain Daniélou, Shiva et Dionysos, Paris 1979, S. 17 - 59.

17 a.a.O. S. 39

18 Vgl. Jean Haudry, Les Indo-Européens, Paris 1981

19 ebenda, S. 115

20 Erica Simon, Nationales Erwachen und Volkskultur in Skandinavien, Kopenhagen 1960, S. 7-112

21 W. Glyn Jones, Denmark, London 1070, S. 171

22 Henning Eichberg, Die Geschichte macht Sprünge. Fragen und Fragmente, Kapitel "Vergleichender Wandalismus. Wer sind Sie, Asger Jorn?", Koblenz 1996, S. 56

23 ebenda S. 55 bis 62

* Die Anschrift der Gruppe Heidnische Befreiung Marseille lautet:
Groupe Libération Paienne
B.P. 2355
F-13215 Marseille Cedex 02


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