|
AUTO Nr. 7 (Juni 2001) / Palästina
Serge Thion: Wer zerstört Israel?
(Bei diesem Text handelt es sich um einen Vortrag, der am 3. April 2001 vor der Konferenz
revisionistischer Historiker in Beirut gehalten werden sollte. Die Konferenz wurde am 23. März 2001 - wahrscheinlich auf USraelischen Druck - von der libanesischen Regierung verboten.)
Bevor wir die im Titel gestellte Frage beantworten, ist es vielleicht nützlich, die von mir verwendeten Begriffe zu definieren.
Was bedeutet der Begriff
"Israel"?
Israel, das ist die Bezeichnung für politisch-religiöse Gruppen des nahen Ostens, über die jene Mythologie berichtet, deren Textsammlung die Bibel überliefert. Die
Wiederverwendung dieses Begriffes zu politischen Zwecken zweitausend Jahre nach dem Ende des antiken Israels ist als solche bereits ein intellektueller Schwindel.
Mit "Israel" wird
heute ein politisches Gebilde bezeichnet, das die Gestalt eines Staates, aber keine Verfassung hat, dessen geographischer Raum nicht bestimmt ist, das also keine Grenze besitzt, und auch über keine
klare Definition verfügt, wer zur Klasse seiner Bürger gehört oder nicht. Tatsächlich sind sehr viele Bewohner seines Raumes (der theoretisch nicht definiert ist, aber durch die militärische
Präsenz existiert) keine Bürger, und selbst unter seinen Bürgern genießen einige nicht die Bürgerrechte. Man könnte die Situation mit der jener der USA kurz vor Aufhebung der
Rassendiskriminierungsgesetze vergleichen. Die Schwarzen im Süden waren amerikanische Staatsbürger, doch bis in die 60er Jahre hinein hatten sie nicht alle Rechte (Bürgerrechte, Bildung, Stellung in
der Armee usw.). Eine vergleichbare Diskriminierung, die sich auf "Rasse" begründet, gibt es in Israel. Es ist wahrscheinlich das letzte Land der Erde - nach Südafrika -, das eine solche
Diskriminierung in seinen Gesetzen und Bestimmungen praktiziert.
Die Vereinten Nationen haben die Tatsache anerkannt, daß Israel auf einer rassistischen Doktrin gegründet worden ist, und es hat
aller Mittel des Druckes und der Erpressung von Seiten der USA bedurft, damit diese wesentliche Feststellung 1995 vorläufig gestrichen wurde. Israel, das also nicht über die eigentlichen Merkmale
eines anerkannten Staates verfügt - ein Territorium, eine Verfassung, eine Art interner Konsens über die Modalität des politischen Lebens -, hat, von 1948 an bis heute, auf die militärische Gewalt und
den Terror zurückgreifen müssen, um seine Existenz aufrechtzuerhalten. Israel ist im Besitze eines der gigantischsten Waffenarsenale der Region, einschließlich einer
überdimensionierten Rüstungsindustrie. Es kann sich unbegrenzt der Geheimnisse der modernsten amerikanischen Rüstung bedienen und verfügt zudem über sowjetische Waffen, darunter Flugzeuge, die aus
der riesigen Beute vergangener Kriege stammen und die für viele mit diesen veralteten Waffen ausgerüstete Staaten von kommerziellem Interesse sind.
Außerdem verfügt Israel über Atomwaffen, mit
denen es unter den Nuklearmächten einen Platz weit vorne einnimmt. Man muß unterstreichen, daß die anderen Mächte - auch die Länder in der Region, die keine Atomwaffen
besitzen - so tun, als wüßten sie nicht um die Existenz dieser Waffenlager, deren Einsatzdoktrin unbekannt ist, die selbst in den politischen Kreisen Israels nie debattiert wurde. Wir
haben es hier mit einer der großen Gefahren zu tun, die unseren Planeten bedrohen. Die Südafrikaner, die Argentinier und vielleicht einige andere Länder haben am
Vorabend eines Regimewechsels behauptet, ihre mit der Hilfe der Israelis gebauten Atomwaffen-Prototypen loswerden zu wollen. Doch diese Frage ist niemals in einer Verhandlung
der Mächte mit dem kleinen Israel angeschnitten worden. Diese Blindheit ist äußerst verantwortungslos und könnte sich in der Zukunft als schweres Versagen und kriminelle
Komplizenschaft herausstellen.
Israel ist also eine Konstruktion von der Art, welche die Angelsachsen Maverick nennen: ein gefährliches, unkontrollierbares und
unvorhersehbares Element. Daß es sich um eine tödliche Gefahr für die Leute im Land und in den benachbarten Gebieten handelt, das zu bemerken haben wir seit 1948 und den vier Kriegen
in den Jahren 1956, 1967, 1973 und 1982 mehr als genug Gelegenheit gehabt. Jedes Mal ist die Zivilbevölkerung von den israelischen Militärs als Geisel genommen worden.
Deswegen werden sich ein normales Leben und friedliche Verhältnisse erst nach der Auflösung Israels einstellen können.
Was verstehen wir unter dem Begriff
"Auflösung"?
Es geht um nichts anderes als um die Dekonstruktion jenes Staatsapparates, der mit dem Etikett "Israel" versehen ist. Wir befinden uns hier auf dem Gebiet
der Institutionen. Man sollte sehr wohl eines Tages von der "jüdischen" Konstruktion zu einer politischen Konstruktion übergehen, die von der arabischen Mehrheit in Palästina gewählt und
akzeptiert wird. Der Platz der am Ort verbleibenden Juden wird also nach den Traditionen der Toleranz und der Gastfreundschaft bestimmt werden, die die moslemische, christliche und drusische
Bevölkerung dieser Gegend der Welt auszeichnet. Daß das Zusammenleben der Gemeinden früher traditionell keine besondere Gewalt verursacht hat, ist bekannt.
Es wird also nicht die
körperliche Unversehrtheit der Menschen, die sich heute in Palästina aufhalten, in Frage gestellt. Jede vernünftige Person wird leicht anerkennen, daß diese notwendige
politische Entwicklung in Ruhe und in der Achtung vor den einzelnen Menschen vonstatten gehen sollte. Denken wir an die Auflösung der Sowjetunion. Der Auflösung des
Staates Israel wird mit Sicherheit seelisches Leid bei vielen Juden, insbesondere außerhalb des Nahen Ostens, zur Folge haben. Das ist so verständlich wie unvermeidbar. Die mit Israel verbundenen
Juden haben sich ein ganzes Jahrhundert lang selbst vergiftet, sich in der Illusion wiegend, eine "nationale Heimstatt" sei eine Quelle der Sicherheit und der Behaglichkeit für die - wie
man sagte - von pogromistischen Regimen verfolgten Juden. Das Ergebnis ist aber genau das Gegenteil des Gewollten: Die ihrerseits zu Pogromisten gewordenen Juden leben nun selbst in einer großen
Unsicherheit im Nahen Osten, in einer Unsicherheit, zu der sie selbst durch wiederholtes Blutvergießen beigetragen haben. Das Ende Israels bedeutet das Ende eines schmerzlichen und blutigen Traumes,
der mehreren Tausend Juden und mehreren Zehntausend Arabern das Leben gekostet haben wird, ohne die anderen Opfer zu zählen, die in diese permanente Katastrophe hineingezogen worden sind. Israel
delenda est.
Das Ende Israels wird den Juden wieder gestatten, frei zu atmen und den politischen, finanziellen und ideologischen Mächten nicht mehr ununterbrochen hinterherhecheln zu müssen, wie
für das Überleben Israels notwendig erschien. Sie werden alle die Völker, in deren Mitte sie leben, nicht mehr gegen sich aufbringen, und denen all die Machenschaften, Erbschleichereien und
Erpressungen längst unerträglich sind, mit denen Israel konsolidiert oder bereichert werden soll, legal oder illegal, durch Waffenhandel, Geldwäsche, mafiosen Gruppen, Kartellen aller Art.
Die
Juden werden endlich normale Menschen werden können, die die Probleme der Gesellschaften, in denen sie leben, mit anderen teilen können, ohne ständig besessen zu sein von dem Bedürfnis zu klagen, sich
als Märtyrer darzustellen, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, in den Vorzimmern der Macht unaufhörlich zu antichambrieren, und stets das größte Stück vom Kuchen zu reklamieren.
Von der
Legitimität
Der einzige Grund, der das "Israel" genannte politische Gebilde vor der Auflösung bewahren könnte, wäre seine eventuelle Legitimität. Wir werden diese Frage daher
prüfen.
Der Zionismus als politisches Programm entstand am Ende des 19. Jahrhunderts als eine Antwort der nationalistischen - auf deutsch sagt man der völkischen [dt. i. O.] - Art auf den
Zusammenbruch der traditionellen jüdischen Gesellschaft Mittel- und Osteuropas. Es ist inzwischen anerkannt, daß diese völkische Strömung auch den Nationalsozialismus [i.O.: Nazismus] hervorgebracht
hat. Die osteuro- päischen Juden, bis dahin hauptsächlich in ländlichen Marktflecken, den berühmten Shtettl, lebend, standen unter dem beherrschenden Einfluß konservativer Rabbiner, oft von
einem magischen Spiritualismus mittelalterlicher Herkunft erfüllt (Hassidim und andere Sekten). Unter dem Druck der liberalen Revolutionen und der industriellen Entwicklung zerfielen diese Gemeinden,
ihre Angehörigen gerieten - zum ersten Mal und mit einem beträchtlichen Rückstand auf die umgebenden Völker - unter den Einfluß der Philosophie der Aufklärung (Haskola): Vorstellungen von
politischer Freiheit, der Trennung von Staat und Religion und möglicher Kritik an den religiösen Dogmen haben dazu beigetragen, daß sich die Juden aus der rabbinischen Mühle befreien und sich ohne
Vorbereitung in eine breitere Gesellschaft werfen konnten, die sich - mit einem Kapitalismus in voller Expansion - in technischer und sozialer Hinsicht selber in voller Modernisierung befand. Es war
wie ein Tritt in einen Ameisenhaufen. Alle Arten von Strömungen der Emigration entstanden: nach Amerika, nach England, nach Frankreich, nach Deutschland. Einige, von nationalistischen Ideen belebt
und von großen jüdischen Banken unterstützt, gingen nach Palästina; man war nur zu froh darüber, diese jungen, unkultivierten und armen Juden loszuwerden, die schon die Gehwege der großen Städte
bevölkerten wie heute die ihrerseits unglücklichen Türken, Kurden oder Afrikaner aus Mali.
Unter den wirtschaftlich bedingten Wanderungsbewegungen des 19. Jahrhunderts, die den Start der
großen Industrialisierung ermöglichten und - in Nord- und Südamerika - die Okkupation des den Indianern geraubten Landes erlaubten, hatte das zionistische Projekt nie eine Mehrheit an Teilnehmnern
gefunden.
Gewiß war der Zionismus ein Realität und in jüdischen Kreisen seit 1948 anerkannt; doch der Gedanke, daß man Palästina besetzen müsse und dabei den Minderheitenstatus, der den jüdischen
Gemeinden jahrhundertelang das Überleben erlaubt hat, aufgeben sollte, überzeugte nur wenige, selbst unter den momentan Entwurzelten.
Nehmen Sie den Fall Artur Koestler: Als
junger mitteleuropäischer Intellektueller hing er für kurze Zeit dem Zionismus und seinen Idealen an, wendete sich dann ab, beschäftigte sich mit anderen Ideen und kümmerte sich um andere Dinge.
Viele jüdische Intellektuelle der 20er bis 50er Jahre hatten eine solche Phase; sie nahmen an einigen Kolloquien teil, spendeten etwas Geld, fanden dann einen Weg in das Leben, das sie umgab. Es ist
daher absolut unhaltbar, davon zu sprechen, daß Israel das Ziel der jüdischen Gemeinden darstellte: Diese wollten in den Ländern akzeptiert werden, die sie aufgenommen hatten, sich kulturell
integrieren und assimilieren - die religiöse Identitätsstiftung war weggefallen. Die Jungen legten tausend Mal mehr Hoffnung in den Kommunismus als in die dürre Utopie der Rückkehr nach Palästina. Wenn
man den Mythos, den man uns einzureden versucht, einmal für bare Münze nimmt, die Juden seien ein "Volk", dann hat sich dieses Volk bis ins Jahr 1948 hinein nichts anderes gewünscht, als
eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den Ländern, in denen sie sich befanden. Es gab den Sonderfall der vielen Juden, die in den 40er Jahren durch die Politik der Nazis deportiert und
entwurzelt worden sind und die den Krieg überlebt hatten. Es ist bekannt, daß die Zahl dieser Überlebenden ein gewichtiges Thema kontroverser Diskussionen ist (siehe Norman Finkelstein).
Diese Hunderttausenden Menschen - oft junge Leute, denn diese überlebten die Deportationen besser - waren Heimatlose und konnten von gewissen Wiedereingliederungsprogrammen profitieren. Viele gingen
nach Palästina; nicht alle blieben dort.
Die einzige Rechtfertigung Israels war nun der Nationalismus, ein äußerst künstlicher Nationalismus, dessen Konstrukteure in den Laboratorien der
Jewish Agency und ihrer benachbarten Bürokratien saßen: Es mußten, um dieses Skelett von Staat einigermaßen am Leben zu halten, dringend all diese Einwanderer, die aus 40 Ländern kamen und ebenso
viele Sprachen sprachen, vereinigt werden. Das ganze religiöse Brimborium vom "verheißenen Land", das Geschenk, das ihr Gott ihnen mit dem palästinensischen Land gemacht haben soll, all
diese Rhetorik wurde nach außen verwendet, um die christliche Welt davon zu überzeugen, daß die Juden Rechte hätten, wo sie sich doch nur zusammenschlossen, um sich mit nackter Gewalt
zu etablieren.
Diese ganze Geschichte, die von den Hebräern handelte, die einst in dieser Gegend gelebt hatten, interessierte nur einige darauf spezialisierte Ideologen. Die Masse der
"Bürger" war der Religion gegenüber gleichgültig. Soweit sie einer Religion anhingen, war es die mehr oder weniger mystische der Rabbiner des europäischen Ostens, deren Horizont die Weiten
der Steppe voller - je nach Jahreszeit - Schnee oder Schlamm waren. Die kleinen, wirklich religiösen Kreise waren dem Zionismus gegenüber, in dem sie eine Verspottung ihres spirituellen Anspruches
erkannten, feindlich eingestellt und viele sind es heute noch immer. Für sie ist der politische Mißbrauch des Religiösen für Machtzwecke ein Skandal, eine Mischung aus Geld und Blut, der sie, denen
es im wesentlichen darum geht, Texte unter die Lupe zu nehmen und hinter deren verborgene Bedeutung zu kommen, empört.
Lassen wir für den Augenblick den Fall der nach 1948 aus den arabischen
Ländern gekommenen Juden beiseite, deren Gründe für eine Auswanderung sehr unterschiedlich waren: manchmal religiös, messianisch, manchmal mit profaneren Dingen verbunden, wenn es nicht ganz
einfach durch den Terror bedingt war, den die zionistischen Apparate selbst ausübten.
In den Augen der Israelis selbst hat Israel also kaum eine Legitimität. Die vage Berufung auf
einen zeitlichen Vorrang in der Geschichte, archäologische Funde, Entdeckungen aller Art und notwendig vorläufige Forschungsergebnisse sind nichts als auf Schulbänken ewig wiedergekaute Ideologie.
Wenn sich Leute, die selbst nicht daran glauben, auf eine heilige Geschichte berufen, ist das Schwindel. Die einzige Rechtfertigung ist die Gewalt: Dieses Land gehört uns, weil wir es uns genommen
haben. Das ist die einzige ideologische Säule, die das ganze Gebäude zusammenhält. Wenn man die Gewalt wegnimmt - das wäre Inhalt und Ergebnis eines wirklichen Friedensprozesses, der eben nur einen
Sinn hätte, wenn er mit einem Gewaltverzicht einherginge -, stürzt alles ein. Es gibt heute niemanden, keinen Analytiker und keine Denkschule, die sich zutrauen würden vorauszusagen, wie die
israelischen Institutionen, das politische Regime, die Grenzen dieses Landes, sein Rechtssystem aussehen würde, wenn man dem Ganzen die Grundlage der Gewalt entzöge, die allgegenwärtige
Militärmaschine, die Tag für Tag im ganzen Land alles Oppositionelle tötet und massakriert.
Der jüdische Nationalismus hat nach dem Krieg und den großen Verlusten, die die jüdische Bevölkerung
Europas erleiden mußte, und nach dem Krieg von 1948, aus dem ein embrionaler jüdische Staat hervorgegangen ist, nie wieder die jüdischen Massen angezogen (mit Ausnahme der Juden aus den moslemischen
Ländern). Nur sehr wenig Juden aus Amerika, Frankreich oder England sind emigriert, und von denen, die nach Palästina gegangen sind, sind viele wieder weggegangen.
Die sowjetische Unterstützung
von 1948 war nur von kurzer Dauer. Das Kalkül Moskaus hinsichtlich der Rolle, den der kleine Judenstaat im Kampf gegen den britischen Imperialismus im Nahen Osten spielen konnte - ein Kampf, von dem
Stalin besessen war -, hat sich ziemlich bald als falsch herausgestellt. Tatsächlich sollte der Kampf gegen den Imperialismus von Bewegungen ausgehen, die mit dem arabischen Nationalismus und
dem Kommunismus verbunden waren, und nicht von Israel, das im Gegenteil versuchte, Teil einer westlichen Allianz zu werden, um die arabischen und moslemische Welt beherrschen zu können. Man hat es
1956 gesehen, als Ben Gurion die französische Führung zu einer militärischen Intervention gegen das Regime von Abdel Nasser - der den Suezkanal nationalisiert hatte - zu bewegen suchte. Was Israel zu
verkaufen hatte, war eine Art Plan, wie er den Kreuzzügen zugrunde gelegen hatte: die Juden als Brückenkopf des Westens in einem Orient, den es mit Gewalt und Bedrohung kleinzukriegen galt. Es
ist der gleiche Plan, den sie zwanzig Jahre später den Amerikanern vorschlugen, als sie sich als "Flugzeugträger" für das von den USA errichtete globale Herrschaftssystem anboten. Es ist
bekannt, daß die Amerikaner Saudi-Arabien und dessen Öl vorzogen. Dort war es, wo sie sich - mittels des Golfkrieges - endgültig niederließen. Der Aufbau eines israelischen nuklearen Waffenarsenals,
wie er ab Ende der 50er Jahre betrieben wurde, steht in der Tradition dieser strategischen Allianz, die die zionistischen Führer immer als die einzige Garantie für die Existenz ihres kleinen,
zwischen Jordan und Sinai implantierten Gettos ansahen.
Wenn man nun die Dinge aus der Sicht der Palästinenser und der anderen Länder außerhalb Palästinas betrachtet, stellt sich die Frage der
Legitimität Israels in einem ganz anderen Rahmen. Daß die westlichen Staaten weiter ihre Kreatur bemuttern, ist im Rahmen einer auf die Kontrolle der Ölverräte zielenden Doktrin nachvollziehbar, die
den erdölreichen Nahen Osten unbedingt zu kontrollieren, zu entmüdigen, zu zersetzen und zu entmachten aufgibt. Das Sykes-Picot-Abkommen aus dem Jahre 1916, mit denen die Überbleibsel des Osmanischen
Reiches zwischen Frankreich und Großbritannien aufgeteilt werden sollten, hat dem Geiste nach seine Aktualität behalten. Erinnern wir uns daran, wie ungeniert Mitterand seine Soldaten in den Libanon
geschickt hat, oder Bomber, oder Kriegsschiffe, ohne daß irgendein wirkliches Interesse Frankreichs auf dem Spiel gestanden hätte. Das war die alte Politik der Levantehäfen, die bis in unsere Tage
fortgeführt wird. Mit Israel als Wunde in der Flanke der Araber empfiehlt es sich, diese Wunde zu infizieren, sie offen zu halten und darauf zu achten, daß sie die Region so lange wie möglich
paralysiert. Die Legitimität dieser Vereiterung ist natürlich null, und die Europäer werden Israel fallen lassen, wenn ihnen der Preis für ihre Unterstützung zu hoch erscheinen wird. Wirklich
starke Bande existieren allein zwischen Israel und den Vereinigten Staaten.
Für die Palästinenser und für die übergroße Mehrheit der öffentlichen Meinung in den Völkern der Region hat Israel
nicht die geringste Legitimität, welcher Art auch immer. Jeder kann für sich anstellen, was die Wissenschaftler ein Gedankenexperiment nennen: Stellen Sie sich vor, Sie sind bei sich zuhause und Ihr
Haus wird mit einem Male von gestikulierenden, grölenden und bewaffneten Ausländern überfallen und eingenommen, die Sie dazu zwingen, das Haus leer zu räumen und sich mit Ihrer kleinen Familie in der
Hundehütte draußen im Garten einzurichten. Die ganze Zeit über werden Sie bedroht; man will Ihnen die Rechte über den Teil des Gartens, den Sie jetzt besetzen, absprechen. Die Eindringlinge hindern
Sie daran zu arbeiten, wenn Ihnen danach ist, und antworten mit Gewehrschüssen, wenn Sie Ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen. Nach fünfzig Jahren der Spannung und der Krise, wo
sich grundsätzlich nichts an Ihrer Lage ändert, schlagen sie Ihnen Frieden vor. Der Frieden, das ist für diese vom Himmel auf Ihr Grundstück gefallenen Ausländer erstens, daß Sie ihnen Ihr Haus
überlassen; daß Sie zweitens akzeptieren, in Zukunft in Ihrer Hütte zu bleiben; daß Sie drittens Ihre Kinder davon abhalten, Krach zu machen, um jene nicht zu stören, die in Ihrem Haus leben; und daß
viertens auf dem kleinen, steinigen Teil des Gartens, auf dem Sie eingepfercht sind, Ihre Tun und Treiben von den neuen Bewohnern Ihres Hauses kontrolliert wird, die die Hauptwege im Garten und
die Stellen behalten, die ihnen genehm sind. Dieser unglaubliche Zynismus ist indessen genau das, was die westlichen Zeitungen und Regierungen unter der Rubrik "Frieden" ernsthaft den
Opfern des größten andauernden Diebstahls unserer Zeit vorschlagen. Es ist also verständlich, daß unter diesen Bedingungen die Installation der Juden im Rahmen des Zionismus, d.h. in einem Projekt
der Aneignung von Land und Ressourcen, für die Palästinenser und die andern Bewohner des Nahen Ostens, die seit 1948 bis heute einer nach dem anderen von der israelischen Armee bedroht und
geschlagen werden, vollständig, unwiderruflich und endgültig unannehmbar ist. Daß sich manche zu Instrumenten der Politik des zionistischen Gebildes haben machen lassen, oder sogar zu bestimmten
Zeiten versucht haben, Bündnisse mit den eingedrungenen Juden zu knüpfen, ist eine genau so sichere wie unleugbare Tatsache. Korruption und politische Ambitionen gibt es zu allen Zeiten und an allen
Orten. Doch wenn mancher resigniert hat und sich dazu erniedrigt, mit solch widerlichen Personen wie Begin, Rabin und Konsorten Abkommen zu schließen, so heißt das nicht, daß sie in ihrem Herzen die
massive und gefährliche Präsenz des zionistischen Gebildes billigen. Was die Palästinenser verlangen - alle, so wie sie sind -, ist der Rückzug der Juden; ist, daß sie Palästina verlassen, wo sie
nur Schlechtes getan haben. Mit dieser rauhen Wahrheit muß der untergeschobene "Frieden" konfrontiert werden. Diese radikale Wahrheit bedeutet natürlich in keiner Weise, daß die
Palästinenser fremdenfeindlich, "antisemitisch" (was auch immer das heißen mag) oder den Juden oder dem Judentum gegenüber feindlich eingestellt seien. Wie alle Völker dieser Region
sind sie im Gegenteil offen und gastfreundlich, selbst unter den schlimmsten Umständen: Das kann ich persönlich bezeugen. Nein, diese Wahrheit kommt von der Tatsache, daß man nirgendwo die Leute
davon überzeugen kann, das Gegenteil von dem zu sein, was sie sind; man kann sie nicht davon überzeugen, daß ihre Rechte eigentlich anderen gehören und daß Frieden ab sofort das Wort für permanente
Ungerechtigkeit ist.
Wenn man aber die Palästinenser nicht überzeugen kann, wird es keinen Frieden geben. Und wenn es keinen Frieden geben wird, wird es Krieg geben. Die unterschiedlichen Phasen
der Intifada zeigen, daß dieser Krieg die verschiedensten Aspekte annehmen kann. Er hat Höhen und Tiefen, zeitweilige Siege und vorläufige Niederlagen. Doch die einfache Tatsache, daß er weitergehen
wird, ist der Schlüssel, den man nicht verlieren darf, wenn man verstehen will, was sich in Zukunft abspielen wird: Die Juden Israels werden niemals in Ruhe leben können; niemals, niemals werden sie
in der Straße gehen können, ohne darauf zu achten, was in ihrem Rücken geschieht; niemals werden sie in ihr Auto einsteigen können, ohne bei dem Gedanken einen Schauer zu bekommen, eine Bombe könnte
explodieren. Sie werden weiter wie Hunde leben: mit einem "abgesicherten" Raum in ihrer Wohnung, wenn möglich ohne Fenster, in dem Gasmasken, Wasserreserven und Zwieback bereit liegen; sie
werden weiter davon träumen, in den Ferien nach Goa oder Kalifornien zu fahren, an Orte, wo das Risiko gering ist, daß ihr sogenanntes Jüdisch-Sein ihnen ein Messerstich oder eine Kugel aus der
Kalaschnikoff beschert. Sie werden es bitter bereuen, sich für diese Zombie-Existenz entschieden zu haben, und sie werden sich fragen, ob es das wirklich wert war.
Die einzigen vielleicht, die
Israel eine Art Legitimität und ein Existenzrecht zusprechen würden, sind die aktiven Teile der jüdischen Gemeinden in den USA und den anderen westlichen Staaten. Viele dieser Leute betrachten Israel
als eine Art Touristenattraktion, die sie sich leisten, weil sie irgendeine "ethnisch" motivierte Gewissenspflicht empfinden. Das ist eine Art Antwort auf die bohrende und unabweisbar im
Raum stehende Frage, die fast alle Geister der alten jüdischen Gesellschaft des Yiddishlands beschäftigte: "Ist es gut für uns?" - für uns Juden das einzige Kriterium.
Ein
politisch-militärisches System ohne jegliche Legitimität, das für keinen in der Region akzeptabel ist, kann nicht lange überleben. Es muß, um sich über Wasser zu halten, Gewalt anwenden, und
der astronomische Preis für diese Gewalt muß von anderen bezahlt werden. Es ist ein Kunstprodukt, das nicht länger halten wird als die Finanzierung, die es sich aus fremden Truhen beschaffen muß.
Sein Überleben hängt also direkt von den Zufällen des politischen Lebens der Völkergemeinschaft ab. Eine Finanzkrise, ein Zusammenbruch des Währungssystems oder jede andere ökonomische Krise auf
internationaler Ebene wird Israel in eine Spirale der Auflösung geraten lassen. Aber uns scheint, daß es noch andere Möglichkeiten gibt, mit diesem politischen Ungeheuer zu einem schnelleren Ende zu
kommen.
Dementsprechend stellt sich die Frage: Wer wird Israel zerstören?
Die moslemische Welt?
Die moslemische Welt ist ohne jegliches politisches Rückgrat. Die meisten Staaten, in denen die Mehrheit der Bevölkerung moslemisch ist, stehen unter
völliger Kontrolle des Westens, welche meist wirtschaftlichem Gebiet ausgeübt wird und als solche nicht im gegebenen Maß sichtbar ist. Die moslemische Welt stellt sich heute in etwa als politische
Qualle dar: kein Skelett, keine Muskeln und ein Gehirn, das auf elementarste Funktionen beschränkt ist. Sie birgt ein Brennen verursachende Partikel, die Juckreiz verursachen können.
Selbst
das, was man die islamistische Strömung nennen könnte, ist weit von einer Vereinigung entfernt und nicht in der Lage, politisch bemerkbare Offensiven zu starten. Die Islamische Republik Iran hat ein
Beispiel für den Widerstand gegen den US-Imperialismus gegeben, während sich im Gegensatz dazu die Taliban-Bewegung mit Hilfe der Amerikaner entwickelt hat. Der Terrorismus, den man oft die Waffe der
Schwachen genannt hat, hat keine politische Wirkung von Dauer. Der Islamismus wird wohl vorerst gespalten bleiben.
Die moslemische Welt, deren demographischer Schwerpunkt sich weit im Osten des
arabisch-persischen Golfes befindet, ist absolut unfähig, Israel zu zerstören. Doch indem sie den Palästinensern hilft, kann sie dazu beitragen, das Ende dieses blutigen neokolonialen Abenteuers zu
beschleunigen.
Die arabische Welt?
Diese hat nie ein zutreffenderes Bild ihrer Ohnmacht abgegeben als zu Zeiten der Spaltung zwischen den Ländern des Widerstands und den anderen, die sich
damit abgefunden haben, aus den Näpfen der Amerikaner zu essen. Es muß hier keine erneute Analyse ihrer inneren Schwächen angestellt werden: Jeder kennt sie. Alle Staaten schützen ihre nationalen
Interessen: aus diesem Grunde bestehen die Staaten ja. Wenn sich die arabische Welt eines Tages vereinen wird, wird das Schicksal des zionistischen Gebildes besiegelt sein. In der Zwischenzeit müßten
die arabischen Regime abgelöst werden und sich von der beschämenden Vormundschaft, der sie sich unterworfen haben, befreien. Das ist ein Ziel, das die arabischen Massen ganz und gar nicht aus
dem Blick verloren haben, und es lauern bestimmt noch einige Überraschungen.
Einige Male haben die Israelis ihre Probleme verlagern können, indem sie Kriege gegen benachbarte Länder ausgelöst
haben. Paradoxerweise macht es die Knechtseligkeit dieser Länder schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, wieder mit diesem Szenario anzufangen. Der arme Barak hat noch kurz vor seinem Sturz versucht,
diese Karte zu spielen. Alles, was man in diesem Zusammenhang von den arabischen Ländern erhoffen kann, ist, daß sie den Mund halten und den Palästinensern auf diskrete Art helfen.
Die
Palästinenser?
Sie befinden sich seit einem Dreivierteljahrhundert im Kampf. Sie leisten mit all ihrer Kraft Widerstand: ihre Ablehnung der Judenherrschaft, von der man in ihrem Fall sehen kann,
wie unmenschlich und häßlich sie sein kann, kommt tief aus ihrem Bauch heraus. Mit den Verträgen von Oslo usw. haben sie Schwäche erkennen lassen, haben sie sich kompromittiert; sie haben ihre Seele
für ein Bündel Illusionen, Lügen und Schwindel verkauft. Die von der Arbeiterpartei, der Erbin des klassischen Zionismus, vorgeschlagenen Pseudokompromisse sind das Produkt der ersten Intifada. Die
Israelis, die behaupten, daß die Araber nur die Sprache der Gewalt verstünden, verstehen selber nur diese Sprache. Die Intifada hat sie zurückweichen lassen, doch haben sie versucht, ihre Position
der Stärke auszuspielen, so lange sie konnten. In den darauf folgenden sieben Verhandlungsjahren ist die Last der Unterdrückung noch viel schwerer geworden. Es waren sieben Jahre der hohlen Phrasen,
der Lügen und der gebrochenen Versprechen, die im September 2000 für die Wiederaufnahme der Intifada gesorgt haben.
Das ist die einzige Politik, mit der das Unterdrückungssystem zermürbt werden
kann. In nur wenigen Wochen hat die Intifada - noch aktiver und offensiver als in ihrer ersten Phase - jedes Konzept, jede ideologische Konstruktion zerstört, mit deren Hilfe israelische Führung
hoffte, endlich ihre Herrschaft über ganz Palästina durchzusetzen. Man hat der israelischen Politik bis auf den Grund schauen können: Die Israelis haben keinerlei Idee, wie sie es schaffen sollen.
Der Rauch der sogenannten Verhandlungen hat sich mit dem Abgang des großen Zauberkünstlers, Hampelmann Clinton, verzogen. Rumpelkammern sind durchaus von Nutzen.
Doch die Weiterführung der
Intifada für sich allein wird nicht ausreichen, den zionistischen Apparat zu zerschlagen, weil dieser den größten Teil seiner Energie woanders her bezieht. Wie ein Baum, der seine Wurzeln ausbreitet,
um an Nährstoffe heranzukommen, streckt Israel Wurzeln in die militärischen und finanziellen Ressourcen der westlichen Staaten. Die Leute im Nahen Osten haben nur eine undeutliches Bild der Lage,
weil sie zu nahe dran sind: Israel ist nicht wirklich eine nahöstliche Macht, es ist eine supranationale Institution, die sich direkt aus den öffentlichen Kassen der USA, Deutschlands und
anderer westlicher Staaten alimentiert.
Die Revisionisten?
Die Arbeit der Revisionisten, die in ihrer Mehrheit Leute sind, die persönlich kein politisches Ziel verfolgen, hat die Wirkung,
daß diese seitlichen Wurzeln, die Israel mit Sauerstoff und Nahrung versorgen, angegriffen werden. Im Verlaufe eines langen Prozesses, dessen einzelne Etappen hier nicht dargestellt werden brauchen
und der in vielen Veröffentlichungen beschrieben ist, hat sich Israel sein Existenzrecht und das Recht, die Ressourcen der Diaspora wie diejenigen der Staaten, in denen sich die Juden aufhalten,
anzuzapfen, auf ein dogmatisiertes Bild der Verfolgung aufgebaut, die die europäischen Juden während der wenigen Jahre der Herrschaft Adolf Hitlers erlitten. Wenn es sehr wohl Verfolgungen gegeben
hat, ist doch das Bild, das die pro-israelischen Ideologen davon zeichnen, aus Gründen, die dem Bedürfnis Israels entsprechen, jede Kritik und jede Infragestellung von sich zu weisen,
sehr deformiert.
Freunde im Nahen Osten kennen die Israelis in Gestalt der Flugzeuge, die sie überwachen oder bombardieren, der Panzer, mit denen sie beschossen werden, und der Soldaten, die
bösartig die Jugendlichen verwunden, die Steine auf sie werfen. Wir in den westlichen Ländern, wir kennen die Rechtsanwälte, die Bücherschreiber, die Schwadroneure in den Radios und Fernsehsendern,
die angeblich antirassistischen Ligen und die sogenannten Menschenrechtsorganisationen, die Prozesse, die Isolierung, die Dämonisierung der Gegner bis hin zu ihrer persönlichen und beruflichen
Ruinierung. Das ist eine viel zähere, verborgene Welt, in deren Dunkel Tiefschläge ausgeteilt und Politiker ferngesteuert werden, eine Welt der Heuchelei, Erpressung und Angst. Hier gibt es keine
Granaten, keine Gewehre, keine Steine, sondern Artikel, Gerüchte, Verleumdungen und richterliche Vorladungen.
Das Schicksal Israels entscheidet sich auch hier.
Man könnte daran
zweifeln. Wir selbst haben uns lange Zeit die Frage stellen können, ob der Revisionismus schließlich eine Bresche in die Festung der Nachfahren von Herzl und Jabotinski schlagen wird, wie klein
sie auch sei. Dank des Eigensinns und der Hartnäckigkeit, der ermüdenden und aufopferungsvollen Arbeit und auch durch den riesigen Resonanzkörper des Internets haben wir schließlich die
Schwachstellen ausmachen und unsere Chance ergreifen können, haben wir gemerkt, daß wir mit der Aufklärung beginnen können, daß das Monster in seiner eigenen Höhle in der Falle sitzt. Es hat
mit einem traurigem Heulen begonnen. Abgesandte sind in den zionistischen Archipel aufgebrochen, haben zum Sammeln getrommelt, die Gefahren ausgemacht, Kräfte und Geld mobilisiert: ein neuer Feind,
der "Holokaust"-Revisionismus, tauchte auf, den mit den abgenutzten Gewändern des guten alten Antisemitismus auszustaffieren nicht mehr reichte. Ein Museum nach dem anderen, eine Konferenz
nach der anderen, eine Zeitung nach der anderen, die ganze kleine Welt der Schmeichler und Beweihräucherer Israels, der Jammerer und Berufsheulsusen fing an, ihre Galle, ihre Beleidigungen und ihre
Flüche auf die wenigen Revisionisten auszuschütten, die noch nicht von der tagtäglichen Unterdrückung zerquetscht waren. Wir erleben mit der Denunzierung der Beiruter Konferenz einen ganz und
gar beispielhaften Höhepunkt der Desinformation, die von der großen Propagandamaschinerie der Ostküste in Gang gesetzt und sogleich von der amerikanischen Diplomatie, der Presse und den
Intellektuellen aufgegriffen wurde, darunter einigen arabische Autoren von Wert, die im Westen leben und die hiesigen Spielregeln kennen und sich jeden Morgen entscheiden müssen, von welcher
Seite ihr Brot beschmiert sein soll. Wir vernehmen diese ganze internationale Kakophonie mit Wohlgefallen: Sie zeigt uns, daß der Revisionismus dort, wo er sich zu Wort meldet, vor allem in Europa,
den Vereinigten Staaten und ganz besonders im Internet, den größten der Wurzelstränge imperialer Unterdrückung zernagt, nämlich den, der sich "Holokaust" nennt, der dazu dient,
ein Schuldgefühl in die Öffentlichkeit zu tragen, damit diese Länder ausgeplündert werden können. Das ist das berüchtigte Stockholm-Syndrom, nur auf industrieller Ebene.
Heißt das aber, daß
ein Bündnis zwischen den Palästinensern und den Revisionisten bereits ausreichen wird, um den in den Boden Palästinas festgekrallten zionistischen Leviathan zu stürzen? Das glauben wir nicht. Dieses
Bündnis ist notwendig, aber es reicht nicht. Was also dann ?
Die besten und erbittertsten, die wildesten Zerstörer Israels wird man unter den Juden selbst suchen und finden. Und das ist nicht
unlogisch.
Im Laufe der Jahrhunderte haben die jüdischen Gemeinden, sowohl die aschkenasischen als auch die sephardischen, eine politische Tradition entwickelt, deren Modell von den alten Texten
aus der Zeit des babylonischen Exils vorgegeben wurde: die von Ratgebern des Königs (was verschiedene Rollen bedeuten konnten: Verwalter, Bankier, Dolmetscher usw.), die sich den direkten Zugang zur
Macht versagten und aus den Beziehungen mit dem Souverän den für ihre Gemeinde, die aufgrund der religiösen Exklusivität und den Riten der "Reinheit" stets am Rande der Gesellschaft
lebte, nötigen Schutz zogen. In der europäischen Geschichte spricht man von "Hofjuden" [deutsch im Orig. - d.Ü.]. Es genügte, wenn wenige Familien diese subalternen Aufgaben beim örtlichen
Souverän erfüllten, damit es der Gemeinde gut ging. Durch den Verzicht auf ihre politische Unabhängigkeit und dank dieses Verhältnisses der Unterordnung unter die Machthaber vor Ort, christlich oder
moslemisch, konnte die antike jüdische Gesellschaft überleben. So konnte sie auch von jenen, die die Juden um ihre unbestreitbaren Privilegien beneideten, als "parasitär" bezeichnet werden.
Es braucht hier nicht weiter hervorgehoben werden, daß diejenigen, die uns die Geschichte der Juden als eine Abfolge ununterbrochener Verfolgungen zeichnen, uns täuschen - oder sich selbst, um
dem Rahmen der Tragödie zu entsprechen, in welche sie sich so gern szenieren. Die Geschichte der Juden in der Diaspora ist eher die des Schutzes, der ihnen von Herrschern gewährt wurde, die ein
ureigenes Interesse daran hatten und unter denen die katholische Kirche an erster Stelle steht - noch vor den Jeziden und den Samaritern -, ohne die es die Juden heute nicht geben würde.
Das
letzte Mal, als die Juden als solche vor 1948 politisch unabhängig waren, ist es böse ausgegangen. Josephus Flavius hat sehr gut beschrieben, wie die Römer im Jahre 70 Jerusalem eingenommen haben.
Man sieht dort deutlich, daß es der Einfluß der Extremisten, der Eiferer, wie Josephus Flavius sie nennt, war - der Fanatiker einer Art "jüdischen Nationalismus'" -, der die Katastrophe
über die Juden und die Krise gebracht hat, in deren Folge der jüdische Tempel und die Präsenz der Juden vor Ort für die kommenden Jahrhunderte zerstört werden sollte. Ohne den Vergleich zu weit
und in alle Einzelheiten treiben zu wollen, was eine tiefere Untersuchung nötig machen würde, ist doch ersichtlich, daß in der jüdischen Welt von heute der Stoff eines inneren Konfliktes liegt,
der erst mit dem endgültigen Zusammenbruch des politischen Projektes enden wird, das den am Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen jüdischen Nationalismus - wie die anderen Nationalismen der kleinen,
aus der Auflösung der großen Reiche der Moderne entstandenen Völker - belebt hat.
Da ist zunächst der große Graben, der die israelischen Juden von denen in der Diaspora (in den USA,
Rußland, Frankreich, Argentinien, Kanada usw.) trennt. Wir sprechen hier der Kürze halber nicht von den Israelis, die keine Juden sind (Araber, darin eingeschlossen die Drusen, die Falaschen, Russen,
Ukrainer, die fast ein Viertel der Bevölkerung ausmachen). Die Diasporagemeinden sind von den Zionisten unter großen Schwierigkeiten mit dem Mythos von Israel als dem "Hafen des Friedens und der
Sicherheit für die überall von Haß, Neid und Rassismus bedrohten Juden" erobert worden. Die "Holokaust"-Propaganda diente als Hintergrund. Wenn Israel zur Sackgasse wird, in der
es sehr gut möglich ist, daß die Juden durch Gewalt umkommen, werden sich die Werte umkehren: Israel wird zur Falle, zum Objekt der Abstoßung. Der Idealismus wird brechen: Aus positiv wird
negativ.
Der zweite Faktor ist das Ende des Zionismus als immer noch zu erreichendem politischen Ziel. In der Arbeitspartei und in anderen Parteien der Linken und der Mitte ist man Anfang der
90er Jahre zu der Auffassung gelangt, daß man, um Frieden und Sicherheit zu bekommen, nicht nur den Traum von der beständigen Expansion (Eretz Israel, also Großisrael) aufgeben und also akzeptieren
müsse, den Nichtjuden ein Recht auf einen Teil des Bodens des historischen Palästinas einzuräumen, sondern noch viel weitergehen und etwa Nichtjuden (in diesem Fall die PLO) als
Söldnermiliz engagieren müsse, der man die Sorge um Frieden und Sicherheit anvertraut. Zwar hat die israelische Führung es bisher für angebracht gehalten, so zu tun, als gäbe sie nicht die Kontrolle
über Zonen auf, die sie aufzugeben versprochen hatte. Aber der konzeptionelle Bruch ist sehr wohl in den Köpfen eines großen Teiles der jüdischen Bevölkerung geschehen. Der Zionismus erscheint vielen
als eine überholte Ideologie, die der Generation ihrer Großeltern; eine Modernisierung drängt sich ihnen auf, und ein Wechsel von der archaischen Herrschaft durch die Gewehre und Panzer hin
zur Herrschaft durch Geld und Technik erscheint möglich. Die militärische Mystik hat einen großen Rückschlag erlitten.
Dieser Geist des Kompromisses wird vom verbleibenden Teil der jüdischen
Bevölkerung als eine Kompromittierung, als ein Verrat an den zionistischen Ideen empfunden, was er in der Tat auch ist. Es gibt ein Potential der Opposition gegen die Politik des Arrangierens mit den
Palästinensern, das sehr stark ist und eine beträchtliche Gewalt ausübt. Die Ermordung Rabins war nur der Eröffnungsakt. Keine Regierung hat die politischen Mittel, die von Clinton und
Arafat versprochenen Kompromisse einzugehen, ohne einen Bürgerkrieg auszulösen. Dennoch ist es unmöglich, eine andere Politik zu machen. Selbst Scharon, der alte Chef mit den faschistischen Ideen,
Anhänger und Praktizierender der Abschreckung durch Massaker, wird nicht umhin kommen, das Thema Sicherheit gegen Land wieder aufzunehmen, was das genaue und absolute Gegenteil des zionistischen
Ideals ist. Denn wenn man damit beginnt, Territorien (die von Gott, der Geschichte, dem Schicksal, den Rothschilds usw. gegeben wurden) gegen ein Element des Vertrauens, gegen etwas ganz und gar
Politisches einzutauschen, das zu jeder Zeit rückgängig zu machen sein wird und von Launen und Ereignissen abhängig ist (etwa der Gewährleistung der Garantie, daß keinem in den Straßen spazierenden
Juden ein Messer in den Rücken gestoßen wird), gibt es keine klar gezogene Grenze mehr.
Ein Kompromiß kann immer den nächsten nach sich ziehen. Man hat im September/Oktober 2000 sehen
können, wie die winzigen Inseln, die, von den Israelis zugelassen, in eine illusorische und lachhafte palästinensische Verwaltung übergegangen sind, sich mit einem Male in Orte verwandelt haben, von
denen aus palästinensische Polizisten, deren eigentliche Aufgabe der Schutz Israels war, mit Handfeuerwaffen auf Juden geschossen haben. Die israelische Rechte hat nicht unrecht, wenn sie sagt, daß
das ein fauler Handel war, daß es gefährlich, ja selbstmörderisch ist, Arabern zu vertrauen, die nur von einer Idee beseelt sind: die Juden ins Meer zu treiben. Und es ist absolut unbestreitbar, daß
eben dies das tiefe, befreiende, paradiesische Gefühl ist, das in den Eingeweiden ausnahmslos aller Palästinenser rumort, auch bei denen, die sich und ihre Familien den Juden verkaufen. Wenn die
Deutschen auch nur einen Bruchteil dessen getan hätten, was die Juden im von ihnen besetzten Palästina getan haben, dann hätte es kaum so viele Franzosen gegeben, die für eine Kollaboration
mit Hitler-Deutschland waren. Die Siedler im Gazastreifen und im Westjordanland sind die Manövriermasse einer extremistischen Politik, die das Kriegsschiff Israel wie die Titanic zum Sinken
bringen wird. Diese Leute sind von allen (politischen, sozialen, religiösen) Fanatismen animiert, aus denen sich der militante Zionismus gebildet hat. Sie haben sich unter erheblichen persönlichen
Opfern in diesen Kolonien niedergelassen. Sie betreiben einen Waffenkult und einen Kult der rassistischen Gewalt. Sie leben in einem permanenten Fieber. Sie werden jede Regierung stürzen, die sie von
dort weghaben will. Die Politik, die darin bestand, diese Dornen nach 1967 in das Herz der palästinensischen Bevölkerung zu pflanzen, lähmt heute jede sogenannte Friedensinitiative. Das war im
übrigen auch ihre Aufgabe: jede Möglichkeit einer Rückkehr auf den Stand, wie er vor der von der Jüdischen Agentur zu Beginn des Jahrhunderts in Gang gesetzten kontinuierlichen Kolonisierungspolitik
herrschte, zu verhindern. Die Maxime war: ein (durch Kauf, Tausch, Eroberung) jüdisch gewordenes Land darf niemals wieder nichtjüdisch werden. Selbst das höchste Gericht gerät wegen dieses Dogmas
unter Druck!
Wenn eine Lage ausweglos herrscht, kommt es zur Stagnation. Keiner ist mehr in der Lage zu entscheiden. Man hält Ausschau nach dem Mann der Tat, der durch vergossenes Blut von aller
Moral befreit ist, nach dem Mann, der den gordischen Knoten durchhaut. Und man findet einen kleinen unentschlossenen und schwächlichen Börsenmakler, der allen Garantien geben muß und zur Ohnmacht
verurteilt ist, denn um zu einer Lösung zu gelangen, die all dem entgegensteht, woran er glaubt, müßte er seine eigenen Freunde massakrieren: eine unlösbare Aufgabe.
Es ist nicht ersichtlich, auf
welcher nichtzionistischer Grundlage man in Israel einen Konsens herstellen könnte. Falls sich eine nichtzionistische Politik aufzwingen sollte, wäre die Hälfte der jüdischen Bevölkerung, die
zionistisch eingestellten Israelis, zum Aufstand gezwungen. Für den Augenblick begnügt man sich mit einem politischen Salat und übt sich im Aussitzen. Der Teil der öffentlichen Meinung, der das
zionistische Dogma aufgegeben hat, ist der europäisierte, amerikanisierte und gebildetste, sind diejenigen, die ziemlich leicht außerhalb Israels ein neues Heim finden könnten, falls die Dinge sich
für sie schlecht entwickeln sollten. Das ist die aschkenasische Elite, die Geld hat, deren Kinder in Amerika studiert haben. Ihr hedonistischer Lebensstil paßt nicht zu den Einschränkungen und
Ängsten, die der Ausnahmezustand und die Unsicherheit in den Städten mit sich bringen. Die Apartheid hat Lücken.
Die anderen sind jene, die sich historisch als letzte einem Zionismus
angeschlossen haben, der nicht für sie gemacht worden war: die jemenitischen, irakischen, persischen, marokkanischen, äthiopischen, russischen Juden bzw. Pseudojuden. Diese müssen sich vor sich
selbst rechtfertigen, warum sie die Gesellschaften aufgegeben haben, in denen ihre Vorfahren ein gutes Leben gelebt haben. Sie hatten eine messianische, mystische Vorstellung vom Land Israel, in dem
- ihren heiligen Schriften zufolge - "Milch und Honig fließen". Die schäbige Wirklichkeit der Einwanderung, der Durchgangslager, der kleinen Jobs, der quasi rassistischen Diskriminierung, der
Ausbeutung und der Selektion für die Posten an vorderster Front bei der Armee hat diese absurden, von der Jüdischen Agentur verbreiten Träume in Luft aufgehen lassen. Doch ganz unten auf der sozialen
Leiter haben sie keine Wahl, keine Rückzugs- oder Rückkehrmöglichkeit; sie fühlen sich nur von einer Politik gerechtfertigt und vertreten, der es darum geht, die Araber, die zur gleichen Zeit die
legitimen Eigentümer der ihnen zugesprochen Güter und ihre Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt sind, zu zermalmen. Es sind die deklassierten Weißen der Apartheid und der rassistischen Regime in Afrika
und im Süden der Vereinigten Staaten von vor gar nicht so langer Zeit. Diese Unterschicht ist nur in den großen Metropolen, von denen sie aufgesogen wurden (Rückkehr der französischen Nordafrikaner (Pieds Noirs),
der Afrika-Portugiesen usw.), mehr oder weniger gut aufgehoben. Im Moment erklärt sich noch niemand bereit, die haß- und mordwütige Masse von Sepharden aufzunehmen. Wer sollte sie auch
wollen? Man sieht es deutlicher als je zuvor: Israel hat die Stellung eines symbolischen Opfers verloren. Die Wende wurde 1982 eingeleitet. Der Überfall auf den Libanon und die
Grausamkeiten, die den Vormarsch der israelischen Wehrmacht begleiteten, hatte die Augen geöffnet. Die von General Scharon geführten Sonderkommandos hatten in den Lagern von Sabra und Chatila ihre
wahre Natur gezeigt. Unter Einsatz aller medialen Kräfte hatten die zionistischen pressure groups mit Alain Finkielkraut an der Spitze in einer vehementen Kampagne in der Öffentlichkeit wieder Terrain gewinnen können. Seither ist die Chronik der vom israelischen Besatzer begangenen Grausamkeiten nie wieder aus der ersten Reihe der Menschenrechtsszene verschwunden, was zum Teil in der Presse einen Widerhall fand, besonders, das muß gesagt werden, in der britischen. (Die Engländer kennen die Natur des Zionismus besser als alle anderen, denn sie haben diese Schlange über dreißig Jahre an der Brust gehabt.) Und wieder gingen seit dem Beginn der Al-Aksa-Intifada Bilder des Schreckens um die Welt. Man sieht die schwer bewaffneten jüdischen Infanteristen sich in Robocops verwandeln, die mit ihrem Trommelfeuer kleine, mit Katapulten ausgerüstete Kinder belegen. Selbst für eine enthirnte und vom Bombardement der Medienpropaganda halb taube und halb erblindete Öffentlichkeit ist auf diesen Bildern sichtbar, wer das Opfer ist. Diese Umkehr der Bilder, die auf lange Sicht ein riesige Bedeutung bekommen wird, wurde und wird Tag für Tag mit dem Blut der jungen Männer bezahlt, die von der fundamentalen Unmenschlichkeit der Politk Israels zur totalen Verzweiflung getrieben werden.
Aus diesem Grund haben die Behörden in Tel Aviv, denen die unvermeidliche Zerstörung des Opferstatus nicht verborgen blieb, in den Jahren 1996/97 eine großangelegte internationale Kampagne mit dem Ziel lanciert, den Revisionismus zu vernichten. Der "Holokaust" ist die letzte Rettungsboje, um das Image der Juden als ewige Opfer zu bewahren, das Israel dazu dient, sich vor Kritik zu schützen. Die Intensivierung der Repression, die wir in Europa beobachten können, ist eine direkte Konsequenz der auf der internationalen Konferenz in Stockholm im Januar 2000 von Israel gestellten Forderungen; eine Konferenz, auf der alle europäischen Regierungen erschienen sind, um sich von dem ins Schlepptau nehmen zu lassen, was unser Freund Finkelstein so treffend die Holokaust-Industrie genannt hat.
Der Ungewißheit ausgeliefert, vom Ausbruch eines gewaltsamen inneren Konfliktes bedroht, des Opferstatus' verlustig gegangen, vom palästinensischen Widerstand in Atem
gehalten, unfähig, einen regionalen Konflikt anzustiften, der in einen "richtigen Krieg" überginge, hat Israel das Vertrauen der Mehrheit der westlichen Juden und die psychologischen
Investitionen verloren, die diese in das gesteckt haben, was, wie es scheint, ihre Vorfahren verrückt gemacht hat: "die Lösung der Judenfrage". Mehrheitlich bestand diese Lösung bis 1945 in
der Integration und der Praktizierung einer jüdischen Kultur als Folklore und Kuriositätensammlung. Die idiotische und kriminelle Politik des Hitler-Regimes sollte der zionistischen Alternative
wieder Kraft einflößen und sogar den extremistischsten dieser gefährlichen Utopisten zumindest vorübergehend den Schein der Legitimation verleihen.
Die Forderung nach Rückkehr der vier
Millionen vertriebenen Palästinenser, die selbst von der israelischen Linken als "Nihilierung Israels" (Amos Oz) gesehen wird, und die Gegenstand verstärkter Forderungen der Völkergemeinde
sein wird, kommt in diesem Zusammenhang noch gar nicht zur Betrachtung.
Nach 50 Jahren blutiger Tyrannei hat der Zeiger das Zifferblatt umrundet. Es ist klar, selbst für die Russen, die nach Israel emigriert sind, um weiter nach Amerika zu kommen,
daß es in Palästina keine "Lösung der Judenfrage" gibt. Man findet hier nicht einmal die "Lösung der Israel-Frage". Außerhalb Israels agieren die Lobbyisten um so wahnsinniger, je
mehr sie bei ihren eigenen Leuten Boden verlieren. Sie ziehen immer größere Geldbeträge ein, um sich doch nur selbst am Leben zu halten. Ihre Gewicht in der amerikanischen Politik kann nur geringer
werden. Die Ressourcen Israels werden, trotz der großen weltweiten Erpressungsoperationen, zwangsläufig abnehmen. Mit den verringerten Ressourcen wird es noch schwieriger, den von der aschkenasischen
Bourgeoisie reklamierten Lebensstandard zu halten und den Konflikt zwischen ihr, die ihre Privilegien behalten will, und der nicht-aschkenasischen Masse, die sich keine andere Lösung ihrer Übel
vorstellen kann als die Vertreibung oder die Vernichtung der Palästinenser, zu schlichten.
Dieser Konflikt ist es, der Israel schließlich zerstören wird. Dieser Konflikt - darauf sei hingewiesen
- ist die einfache Folge der inneren Widersprüche des Zionismus und seiner mangelnden Anpassung an die historischen Gegebenheiten. Palästina war kein Land ohne Volk - wenn das palästinensische Volk
sich seine Identität, sein Bewußtsein auch erst in der Not gebildet hat - für ein Volk ohne Land.
Ein israelisches Volk existiert im übrigen nicht, denn die Juden in ihrer Gesamtheit sind, mit
Ausnahme einer Handvoll Erleuchteter, von denen einige wahrhaftige Serienmörder sind, nicht von sich aus gekommen. Die Juden werden Israel zerstören, so wie sie es bereits in der Vergangenheit getan
haben, eben weil sie keine Nation oder kein Volk bilden, sondern eine große Sekte, die aus Untersekten besteht, die sich in der ideologischen Arena gegenüberstehen: Sadduzärer, Pharisäer, mit ihren
Zeloten und gedungenen Mördern, Judäern und Christen und später Sabattisten und Hassiden, Anhängern und Gegner der Aufklärung, Zionisten und Antizionisten. Diese internen Kriege sind um so
unerbittlicher, als das, worum es geht (der Einsatz), abstrakt ist: es sind, im eigentlichen Sinne, Religionskriege, auch wenn diese Religion vor allem politischer Natur ist.
Damit diese
Zerstörung vollbracht werde, braucht es das Zusammenspiel zweier Faktoren: Die Aufrechterhaltung des Druckes, wie er vom palästinensischen Widerstand ausgeübt wird, und der langsame aber
unaufhaltsame Fortschritt des Revisionismus als Kritik des Bildes, das die jüdischen Gruppen der ganzen Welt aufzuzwingen versuchen. Die Beiruter Konferenz ist eine Etappe
dieses Fortschrittes.
Zur Stunde, wo ich dies schreibe, ist noch nicht sicher, ob diese Konferenz abgehalten werden kann. Ihre Ankündigung hat eine enorme Aktivität des zionistischen Milieus
hervorgerufen, um ihr Stattfinden zu verhindern. Der Medienrummel ist enorm. Ob sie stattfindet oder nicht, ist letztlich nur von sekundärer Bedeutung. Die jüdische Macht hat gezeigt, daß sie an der
Stelle, auf die wir den Finger legen, äußerst verletzlich ist.
Ein amerikanischer Journalist einer kleinen Provinzzeitung aus Florida hat es so ernüchternd wie treffend ausgesprochen: "The
truth is, I fear, that Palestinians won't get their independence until Americans get theirs." (Charles Reese, The Orlando Sentinel, 7. Dezember 2000): "Die Wahrheit ist, befürchte ich,
daß die Palästinenser solange Unabhängigkeit nicht bekommen, solange die Amerikaner nicht die ihre haben."
Unsere Freiheit, im Westen genau so gut wie im Nahen Osten oder in Rußland, ist
eng mit der Freiheit derer verbunden, die unser System am meisten unterdrückt: mit der Freiheit der Palästinenser. Wir haben denselben Feind: eine Koalition derer, die im Nahen Osten ihre Herrschaft
mit Gewalt durchsetzen, mit jenen, die in Europa und in Amerika von dem Drama profitieren, das sich in Palästina abspielt, um ihre Macht durchzusetzen, riesige Ressourcen abzuweiden und eine Tyrannei
auzusüben, die sie als Rache für behauptete 2000 Jahre Unterdrückung darstellen. Wir weisen diese Tyrannei und die Lügen in ihrem Gefolge zurück.
P.S.: Der vorzügliche
russisch-israelische antizionistische Schriftsteller Israel Schamir sagt es ebenfalls und auf seine Weise: "Do not ask for whom the bell tolls, it tolls for you, as no man is an island, said the
Elizabethan poet John Donne, proclaiming the common humanity of Man. These words sent Ernest Hemingway to fight for freedom in Spain in 1936, as freedom is indivisible. We repeated these words
in 1968, we should repeat it now. The struggle for freedom in the US and the battle for Palestine are but one war." ("Fragt nicht, für wen die Glocke schlägt, sie schlägt für euch, denn
niemand ist eine Insel, wie der elisabethanische Dichter John Donne sagte, als er die allgemeine und gleiche Menschenwürde proklamierte. Diese Worte haben 1936 Ernest Hemingway nach Spanien in den
Kampf geführt, denn die Freiheit ist unteilbar. Wir haben diese Worte 1968 wiederholt [um in Moskau gegen die Invasion der Tschechoslowakei zu protestieren], und wir müssen sie jetzt
wieder aussprechen. Der Kampf für die Freiheit in den Vereinigten Staaten und für Palästina ist ein und derselbe Krieg.")
16. März 2001
[Siehe auch Serge Thions Bericht von der Pariser Pali-Demo am 12. März 2001 in dieser AUTO-Ausgabe; weitere Texte von Serge Thion hier; sein Text “Palästina” aus AUTO Nr. 6 hier.]
[zurück zur übersicht AUTO Nr. 7]
|