|
AUTO Nr. 8 (Okt. 2001) / Querfront
Die Zerschlagung des Querfront-Treffens im August 2001 durch die Polizei. Gedächtnisprotokoll
Der Beschluß des Richters am Amtsgericht Fulda (Geschäftszeichen 53a GS 36/01), aufgrund dessen das Sommerlagers zerschlagen wurde und der insinuiert, daß auf dem Lager
„rechtsradikale Lieder gesungen, rechtsradikale Parolen geschrieen und auf weidende Tiere geschossen wird“, ist völlig absurd und entbehrt jeder Grundlage, wovon sich die Polizei sehr wohl schnell und
einfach ein Bild hätte machen können. Eine sofortige Stürmung, Beendigung des Lagers und Inhaftierung seiner Teilnehmer, wie geschehen, war völlig fehl am Platz und überflüssig und kann nur als absolut skandalös
bezeichnet werden. (Es soll hier nicht näher darauf eingegangen werden, daß irgendein Treffen von irgendwelchen Menschen mit welcher Hautfarbe und Überzeugung auch immer hätte stattfinden und nicht von der
Polizei gestürmt und zerschlagen werden dürfen, solange nicht gegen Gesetze der BRD verstoßen wird.)
Ein solches Bild von einem völlig normalen und harmlosen Treffen von Freunden hat die Polizei auch gehabt, als sie an die Stürmung und Zerschlagung des Treffens ging, nämlich im Moment
eines Fußballspiels bei einem Teil der Lagerteilnehmer und im Moment des Badens in einer Kiesgrube bei dem anderen Teil der Lagerteilnehmer. Die Polizei muß das Geschehen und das Verhalten der Lagerteilnehmer
beobachtet haben, bevor sie mit einem Großaufgebot zugeschlagen hat. Sie hat nämlich abgewartet, daß alle Teilnehmer in zwei geschossenen Gruppen versammelt sind, daß z.B. alle Menschen, die in der Kiesgrube
badeten, zum Ufer zurückgekehrt sind. Trotz der Beobachtung eines absolut friedlichen Verhaltens der Lagerteilnehmer ist die Polizei mit unglaublicher und absolut nicht nachvollziehbarer Härte vorgegangen.
Als die letzten aus der Gruppe, die in besagter Kiesgrube schwimmen war, das Ufer erreicht hatten und kaum an Land waren, sah ich einen roten PKW den Uferweg entlang heranrasen, der
hinter sich ein Staubwolke aufwirbelte. Ich dachte noch: Welcher Idiot rast denn hier durch die Natur einen Seeweg entlang?! Doch kaum hatte ich meinen Gedanken gedacht, da war der PKW schon herangekommen, blieb
in einer Staubwolke stehen, und aus ihm sprangen Leute, die zivil gekleidet waren, sich aber lautstark als Polizisten zu erkennen gaben: Es waren drei oder vier. Ich dachte, hier muß es sich um eine Verwechslung
handeln, denn sofort trafen auch mehrere andere Wagen ein, denen etwa zehn weitere uniformierte und bewaffnete Polizisten entstiegen und die plötzlich mitten unter uns standen und uns mit Waffen in Schach
hielten. Manche von uns saßen im Gras, andere wurden gezwungen, sich mit den Händen an unser Fahrzeug gestützt an dieses zu stellen; alle wurden angeherrscht, sich an den uns zugewiesenen Stellen in der uns
zugewiesenen Stellung nicht mehr zu bewegen.
Als ich beobachtete, daß mein Freund Mark Schenke unmittelbar links von mir vom kommandierenden Polizisten brutal bäuchlings auf den Boden befördert, er dabei angeschrieen und geduzt
wurde und ihm Handschallen angebracht wurden, die – als der Einsatzleiter ihm mit einem absurden triumphierenden Ausruf ein Liederbuch aus der Gesäßtasche entnommen hatte – nochmals gestrafft wurde,
wobei Mark Schenke ein Geräusch des Schmerzes äußerte, protestierte ich gegen dieses unglaubliche Verhalten des Polizisten (er war etwa 40 Jahre alt und hatte einen südlausitzer Dialekt). Die einzige Reaktion
auf meinen Protest war ein Befehl desselben Polizisten an einen Untergebenen, mit mir das gleiche zu tun, und so fand ich mich ebenfalls – nackt bzw. nur mit einem Polohemd bekleidet – mit dem Bauch
auf den Boden gezwungen wieder: die Arme hinter dem Rücken in Handschellen, die später ebenfalls völlig unnötig, übertrieben und für mich schmerzlich nachgezogen wurden. Auch ich wurde rüde angesprochen und
geduzt; die Polizisten fielen auch nach Protesten immer wieder in dieses Verhalten zurück.
Ich weiß nicht, welches Bild sie von uns hatten und was ihre Vorgesetzten ihnen gesagt hatten, aber sie behandelten uns nicht wie Menschen; vom Respekt vor Menschen und der
Unantastbarkeit der Menschenwürde schienen sie noch nichts gehört zu haben.
Dann wurden wir zu unseren Personalien befragt und mit einer Sofortkamera fotografiert (mein Foto wurde mir am nächsten Tag ausgehändigt).
|
|
|
Während der Befragung wurden wir immer wieder rüde angesprochen und geduzt.
Darüber hinaus ist es – neben dem unnötigen Anlegen und Nachziehen der Handschellen und dem erzwungenen Stillliegen, -sitzen und -stehen – zu keinen weiteren körperlichen
Brutalitäten gekommen, abgesehen davon, daß wir in der einsetzenden Abendkühle – spärlich gekleidet, wie wir waren, und etwa eine Stunde unbeweglich am Boden sitzend und liegend – froren, wovon eine
Erkältung die Folge war.
Anschließend wurden wir, wobei die Handschellen angelegt blieben, in einen Gefangenentransporter verfrachtet (eine große Zelle für sechs Mann und zwei Einzelzellen), und in diesen auf
eine Polizeiwache gebracht.
Wir wurden in einen Konferenzsaal gebracht und dort festgehalten, und hier trafen wir unsere Freunde wieder, von denen sich dann herausstellte, daß sie beim Fußball festgenommen worden
sind. Erst jetzt wurden mir die Handschellen abgenommen, wobei erhebliche Druck- und Reibespuren sichtbar wurden.
Ein Polizist sagte uns jetzt, daß wir festgenommen seien und bis zum nächsten Morgen festgehalten würden, um einem Richter vorgeführt zu werden, weil unser Zeltlager und unsere
Aktivitäten (wandern, Fußball spielen, baden, singen und sich unterhalten) eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle. Auf unsere mit heftigem Protest vorgetragene Fragen hin, worin genau denn die Gefahr
bestünde, wurde uns nicht geantwortet. Dieser Polizist sagte, es liegen Anhaltspunkte vor, daß unser Zeltlager eine Veranstaltung zum Gedenken an Rudolf Hess sei, die unterbunden werden müsse. Selbst wenn
dies der Fall gewesen wäre – was es nicht war –, so ist dies als Grund einer Festnahme doch sehr verwunderlich, fanden doch an diesem 17. August an mehreren Stellen in Deutschland, u.a. in Wunsiedel,
in aller Legalität Rudolf-Hess-Gedenkfeierlichkeiten statt.
Dann wurden einer nach dem anderen (einschließlich zweier Frauen) wie Verbrecher „erkennungsdienstlich erfaßt“, was sich bis in die Morgenstunde hinzog. Ich selbst war gegen 2.00
Uhr an der Reihe. Über diese ganze Zeit wurde uns nichts zu essen gegeben, obwohl wir hungrig waren und danach verlangten. Erst nach einigen Stunden wurde uns Leitungswasser zu trinken gegeben, und erst am
nächsten Morgen gab man uns jedem zwei belegte Brötchen.
Ich protestierte gegen die erkennungsdienstliche Maßnahmen, wie ich auch bereits im Konferenzsaal gegen die gesamte Polizeiaktion protestiert hatte, mußte mich aber der Androhung von
Gewalt beugen.
Danach wurden wir in Zellen im Keller des Polizeigebäudes gesperrt. Ich selbst wurde mit Herrn Sándor Makai in eine Zelle gesperrt, die für eine Person, d.h. mit nur einer Matratze
ausgestattet war. Eine Decke, mit der man sich hätte zudecken können in den kälteren Morgenstunden, fehlte. Auch dies trug zu meiner Erkrankung bei (Erkältung). Von den Beamten sind wir von oben herab –
„gemütlich und kumpelhaft“ – behandelt und angesprochen worden. Für sie schien es das Normalste der Welt zu sein, daß ein friedliches Sommerlager gewaltsam abgebrochen und seine Teilnehmer
eingesperrt werden. Doch von Beamten eines Staates, der sich freiheitlich-demokratisch nennt, muß erwartet werden, daß sie selbst Verbrecher, die wir offensichtlich nicht waren, menschenwürdig behandeln.
Entsprechend „lustig“, d.h. zynisch, wurden wir gegen 6.00 Uhr geweckt: Die Beamten riefen „Frühstück!“, gemeint aber war nur eine kurzzeitige Zellenöffnung, damit die
Toilette aufgesucht werden kann. In ihrem Zynismus erinnerten mich die Polizisten an Berichte aus Konzentrationslagern während der Zeit des Nationalsozialismus.
Erst gegen 10.00 Uhr wurden wir aus den Zellen geholt. Erst jetzt bekamen wir etwas zu essen.
Dann wurde wir belehrt, daß wir unser Lager abzubauen und den Ort bzw. den „Bereich“ bzw. den Landkreis usw. zu verlassen hätten. Ich fragte mehrere Male nach, welches Territorium
denn nun genau gemeint sei, weil wir uns natürlich wieder versammeln und unser Treffen fortsetzen wollten. Ich bekam keine präzise Antwort auf meine Frage. Ich fragte mehrere Polizisten, doch die einzelnen
Polizisten wichen meiner Frage aus, gaben in sich selbst widersprechende Antworten, die natürlich den Antworten ihrer Kollegen auch widersprachen. So hieß es, wir dürften unser Treffen nicht auf dem Grundstück
der Familie Baunack fortsetzen. Dann hieß es: auch nicht „im Bereich“ des Grundstückes. Als ich den „Bereich“ klar definiert wissen wollte, brüllte mich der Polizist an, daß er gar nicht mehr mit mir
sprechen würde, wenn ich so frech weiterfragen würde. Weitere Antwortvarianten auf meine Frage waren „der Landkreis“, dann „das ganze Bundesland“, und als jemand aus unserer Gruppe sagte, daß wir uns
also nirgends in Deutschland mehr versammeln dürften, kam von Seiten der Beamten eine zustimmende Mimik, aus der ich schlußfolgerte, daß das Versammlungsverbot nicht deutschland-, sondern europa- und weltweit
gilt.
Wenn wir diesem Verbot, das überhaupt nicht definiert war, zuwiderhandeln würden – so drohten uns die Polizisten –, müßten wir wieder mit Haft rechnen, allerdings nicht mit
einem, sondern dann mit sechs Tagen!
Wir fühlten uns vollständig der Willkür des Staatsapparates ausgeliefert und waren uns nicht mehr sicher, überhaupt irgend eine Art Existenzberechtigung zu haben. Unter dieser Bedrohung
entschieden wir uns, an keinem alternativen Ort unser Treffen fortzusetzen, dieses abzubrechen und die Heimreise anzutreten.
Doch selbst dann auf der Heimreise wurden wir – zwei Berliner PKWs – mitten auf der Autobahn von Polizisten in Zivil gestoppt und unsere Personalien erneut überprüft.
Als wir für entlassen erklärt wurden, bat ich darum, irgend etwas Schriftliches darüber zu bekommen, was in dieser Nacht geschehen sei. Es könne doch nicht angehen, daß wir hier eine
Nacht lang festgehalten werden und keinerlei Erklärung dafür bekommen, auch nicht, wo, auf welcher Polizeistelle, von welchen verantwortlichen Beamten wir gefangengehalten worden sind. Die Polizisten lehnten das
entrüstet ab und zeigten sich davon sehr genervt. Erst auf wiederholte Nachfrage und entschiedenem Protest wurde jedem von uns ein Zettelchen mit dem Stempel der verantwortlichen Behörde, nämlich des
Polizeipräsidiums Osthessen, und der handschriftlichen, unleserlichen Vorgangsnummer in die Hand gedrückt.
Berlin, den 23.8.01
|
|