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[Dies ist die aktuelle (Apr. 2001 bis Okt. 2001) Netzpräsenz der deutschsprachigen Nationalanarchisten. Es sind Ausweichseiten, da die nA-Domäne (www.nationale-anarchie.de) derzeit nicht bearbeitet (und nun auch nicht mehr besucht) werden kann.
Zuerst wurde am 7. Dezember 2000 von der Polizei der Rechner beschlagnahmt, auf dem sich die zur Bearbeitung nötige Datei befindet (zu Hausdurchsuchung und Kriminal-Ermittlungen siehe
hier; Stellungnahme zur Anzeige hier).
Dann sind - nachdem die Ermittlungen eingestellt wurden und der Prozeß kläglich gescheitert ist - am 12.4.02 die nationale-anarchie.de-Seiten und auch der Netzort
www.volksheil.de vom Provider Strato AG ganz und gar  stillgelegt worden: alles reiner  Zufall... Begründung: rechtswidriger Domain-Name (!), erotische, extremistische usw. Inhalte
www.nationale-anarchie.de wird demnächst wieder überarbeitet im Netz sein mit neuen Positionen und Weiterentwicklungen  (Nationenbegriff, antideutsch, aber nicht antinational... siehe z.B.
Text von Flo). Anleitung zum Öffnen gesperrter Seiten. Techniken zur Umgehung von Internet-Zensur. Siehe www.vgt.ch und www.ioz.ch.]

=> Die Netzseiten von Sleipnir, Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik (www. freespeech.org/sleipnir) sind von Freespeech skandalöserweise ohne Benachrichtigung und Kommentar abgestellt worden. Sleipnir wird hier als Gast beherbergt.<=

AUTO: -chthon & -nom
  nationalanarchistische Stromzeitschrift
 

Jean-Gabriel Cohn-Bendit: Eine Frage des Prinzips

(Dieser Text, ein Auszug aus dem Text „Génocide, chambres à gaz. Des procès au débat“ (in: L’Anti-Mythe Nr. 25, Paris 19801 ), erschien 1981 in dem Buch „Intolérable intolérance. Recueil de textes en forme de supplique à MM. Les magistrats de la cour d’appel de Paris“2  von Jean-Gabriel Cohn-Bendit, Eric Delcroix, Claude Karnoouh, Vincent Monteil und Jean-Louis Tristani (Édition de la Différence). Das Buch ist über den Buchdienst des Verlages der Freunde zu beziehen: Pf. 350264, 10211 Berlin, Tel./Fax: 030/42857835.)

 

Ich plädiere auf Freispruch

Wie rational über ein Thema schreiben oder zu schreiben versuchen, wenn sich bisher jene, an die sich dieser Text richtet, eine rationale Diskussion ablehnen?

Um sich mit diesem Text einlassen zu können, müßte zunächst erst einmal allein der Gedanke, die Geschichte der „Endlösung“ einer erneuten Überprüfung zu unterziehen, als pertinent3  gelten; diese Pertinenz aber wird nicht gesehen, d.h. es wird der Gedanke bestritten, die Geschichte, so wie sie uns präsentiert wird, werfe enorme Probleme auf. Wie kann man sich – es sei denn, man sei ein Irrer, ein Schwein, ein Blinder oder ein Ignorant – nicht nur diese oder jene Frage des Details, sondern folgende unerhörte Frage stellen:

„Hat Nazi-Deutschland wirklich auf höchster Ebene die konzertierte Vernichtung aller unter seiner Herrschaft lebenden Juden beschlossen? War es darin erfolgreich und hat sechs von neun Millionen Juden mittels Vergasungen auf Basis von Zyklon B vernichtet?“

Ich weiß, daß ich bereits zu viel gesagt habe, daß mancher es ablehnen wird, mir weiter zu folgen; diese letzten Zeilen genügen, mich auf die eine oder andere Art zu diskreditieren.

Es wäre absurd, mich darüber zu entrüsten, denn noch vor zwei Jahren hätte ich genau so reagiert.

Warum dieser Konjunktiv, habe ich doch tatsächlich fast zehn Jahre lang einem Freund gegenüber so reagiert, der mich immer wieder dazu gedrängt hat, Rassinier zu lesen? Was er mir davon erzählte, erschien mir dermaßen daneben, daß ich nicht einsehen konnte, warum ich auch nur eine einzige Minute mit dergleichen Blödsinn verschwenden sollte. Ich gab ihm in etwa all die Antworten, die ich heute selbst bekomme:

1. Das ist alles absurd. Es gibt so viele greifbare Tatsachen, die den Völkermord, die Gaskammern und die Millionen Toter belegen.

Die Diskussion über Zahlen ist nicht nur makaber, sie ändert auch grundsätzlich nichts.

2. Würde es im übrigen etwas daran ändern, daß der Nazismus ein Greuel ist, wie ihn die Menschheit noch nicht gekannt hat? Worin also kann das Interesse einer solchen Diskussion liegen?

3. Der einzige Vorteil, den eine solche Diskussion haben könnte, wäre, ein paar Neonazis eine Freude zu bereiten.

4. Schlußfolgerung: Ich habe wirklich Wichtigeres zu tun.

Dieser Freund ging mir mit seinem Rassinier auf die Nerven; ich verdächtigte ihn sogar – trotz seiner Vergangenheit und seiner aktuellen Arbeit –, ein wenig antisemitisch zu sein... Und heute sehe ich mich der gleichen Skepsis, den gleichen Verdächtigungen ausgesetzte. Ich bitte also jene, die heute die Haltung einnehmen, die ich gestern noch hatte, d.h. fast die gesamte französische Intelligenzija, ob nun Historiker oder nicht, zu verstehen versuchen, wie ich von Gewißheiten, die sie heute haben, zu meinen heutigen Zweifeln gelangt bin.

Ich sage verstehen und nicht akzeptieren, denn es bleibt stets die Möglichkeit, daß ich mich täusche: Wenn ich aber kein Irrer, kein Schwein, kein Idiot oder Fanatiker geworden bin, wird man mir nur in der Diskussion, im Streit, und nicht mit Beschimpfungen, Verdächtigungen oder einem Gesinnungsprozeß aufzeigen können, wo mein Irrtum liegt.

Doch warum habe ich dieses Verlangen nach Diskussion, warum halte ich mich nicht an die Forschung und Reflexionen in der Zurückgezogenheit? Weil ich nicht an die Reflexion glaube, und noch weniger an eine zurückgezogene Wissenschaft. Der Austausch, auf welchem Gebiet auch immer, ist für mich von grundsätzlicher Bedeutung

Die Einsamkeit, manchmal von den Umständen erzwungen, ist immer gefährlich und kann immer zu wahnhaften Überlegungen führen. Ich kann eine solche Situation der Isolierung nicht hinnehmen, ohne zu versuchen, daran etwas zu ändern.

Und was die Sache noch schlimmer macht: Ich bin nicht der einzige, der diese Zweifel hat; ich teile sie mit jenen, für die sie Gewißheit geworden sind und die in ihrer übergroßen Mehrheit Rechte, ja sogar Faschisten sind, d.h. genau das Gegenteil all dessen, woran ich glaube, wofür ich kämpfe; und diese Situation ist für mich unerträglich.

Ja doch, es gibt in mir ein Bedürfnis, mich zu rechtfertigen; in diesen Zeilen steckt ein Plädoyer... Gerichte sind im übrigen eine Konstante in der Geschichtsschreibung dieser Epoche... Alle Historiker machen sich zu Anklägern oder Verteidigern... Die Geschichte selbst ruht im wesentlichen auf Gerichtsakten aus Nürnberg und vom Eichmann-Prozeß. Man verweist auf Dokumente, die von der „Kommission zur Untersuchung der in Polen begangenen Naziverbrechen“ zusammengetragen wurden... Wer schließlich auch immer sich zu dieser Geschichte äußert, wird sogleich – wir werden darauf zurückkommen – dazu ermahnt, nicht nur mitzuteilen, ob er dies als Zeuge zur Entlastung oder zur Belastung des Naziregimes unternimmt, sondern wird darüber hinaus von vornherein zum Verteidiger des Nazismus erklärt, wenn er die Unanzweifelbarkeit bestimmter Tatsachen (die Gaskammern) oder die Logik gewisser Argumente bestreitet.

Ich für meinen Teil plädiere auf Freispruch von der Sauerei, mich, auf die eine oder andere Art, subjektiv oder objektiv, wie es die kleinen und großen Ankläger der guten alten Stalin-Zeit so hübsch ausdrückten, zum Verteidiger des Nazismus, in welchem Maße auch immer, zu machen.

Ich plädiere auf Freispruch von Ignoranz und Geisteskrankheit.

Ich plädiere auf Freispruch denen gegenüber, die mich beschuldigen, mit dieser blöden Marotte die ideologische und politische Leere, in die ich geraten sei, aufzufüllen.

Ich plädiere auf Freispruch von der Anschuldigung, ich sei ein perverser, sich selbst geißelnder Masochist.

Doch – um es noch einmal zu sagen – ich will sehr wohl akzeptieren, daß es möglich ist, daß ich mich täusche. Durch eine ideologische Voreingenommenheit beispielsweise: Mein Antistalinismus ließ mich an bestimmten Dokumenten zweifeln, wo die Stalinisten ausnahmsweise auf diesem Gebiet einmal nicht gefälscht haben sollten...

Man müßte versuchen, mich zu verstehen, meine Texte zu lesen, meine Argumente abzuwägen, so wie ich es mit denen der anderen tue, und mir ohne Beschimpfung zu antworten, kurz: die Diskussion einzugehen.

Wenn die Suche nach der Wahrheit Motivation genug ist, in dieser Sache heute meine Forschungen fortsetzen zu wollen, so war dies keineswegs deren Ausgangspunkt.

Worin das Problem liegt, ist, wie ich dazu kommen konnte, an der offiziellen Geschichtsschreibung, am geltenden Diskurs über die „Endlösung“ zu zweifeln.

Die Antwort darauf ist für einen Neonazi, den diese Geschichte in seinem Versuch, Hitler zu rehabilitieren, stört, einfach, so wie für den stalinistischen Kader einfach war, alles zu leugnen, was seinem Bild vom sozialistischen Paradies in der UdSSR stören konnte. Für mich war die Offensichtlichkeit des Völkermordes, der sechs Millionen Toten und der Gaskammern eine der wenigen Gewißheiten, die 25 Jahre des politischen Umherirrens nicht erschüttern konnten.

Wenn die Historikergemeinde in ihrer großen Mehrheit seit einigen Jahren Zweifel an diesem Teil der Geschichte des Dritten Reichs geäußert hätte, hätte ich, durch meine Vergangenheit als Jude, als Sohn von Emigranten, aufgewachsen in jüdischen Kindergärten, erklären können, warum ich diese Infragestellung nicht akzeptieren könne.

Doch geschieht genau das Gegenteil. Das Problem ist, daß ich zweifle, im Gegensatz zu fast allen Historikern und der Intelligenzija im allgemeinen. Und meine persönliche Geschichte macht diese Zweifel noch unverständlicher! Ich verstehe also, wenn man an meinem Geisteszustand zu zweifeln beginnt...4 

Jene, die trotz allem versuchen möchten, mich zu verstehen, müssen von dem Punkt ausgehen, der dem Bruch vorausgegangen war, von dem, was man gemeinhin von nun an „die Faurisson-Affäre“ nannte. 

 

Liberté liberté chérie...

Von der Tatsache ausgehend, daß der weitaus größte Teil der Menschheit in Ländern lebt, wo es keine Meinungsfreiheit gibt, könnte man zu dem Schluß gelangen, daß man sich glücklich schätzen sollte, in einem Land zu leben, wo es sie gibt, und sich damit zufrieden geben...

Die Dissidenten des Ostens und die Flüchtlinge aus Lateinamerika erinnern uns an dieses Privileg, das zu leugnen absurd wäre.

Aber ich für meinen Teil denke, daß uns gerade dieses Privileg dazu zwingt, uns nicht mit dem zufrieden zu geben, was wir besitzen. Es muß ganz bestimmt verteidigt werden; und es muß verhindert werden, daß man es beschneidet. Doch es muß auch darum gekämpft werden, noch mehr zu erreichen. Auf dem Gebiet der Meinungsfreiheit gibt es keine Grenzen.

Wenn ich auch um den Preis des Unterschieds zwischen einem demokratischen Regime und einem totalitären Staat weiß, gebe ich mich doch nicht mit dem Hintergrund des totalitären Staates zufrieden, um das zu akzeptieren, was für mich eine Begrenzung der Meinungsfreiheit im demokratischen Staat darstellt.

- Die „Zurückhaltungpflicht“ der Beamten ist eine unzulässige Beschneidung der Meinungsfreiheit. Wie kann einem Bürger einer bestimmten Kategorie mit dem Vorwand, daß sie Beamte sind, verboten werden, zu sagen, was sie denken? Um es polemisch auszudrücken: Die totalitären Staaten belegen alle Bürger mit einer „Zurückhaltungpflicht“.

- Daß bestimmte Institutionen wie die Armee nicht so beurteilt werden können, wie wir es für richtig halten; daß man unter das Delikt der „Verunglimpfung der Armee“ fallen kann, wenn man von ihr etwas gesagt hat, was man über jede andere Institution (die Schule z.B.) sagen darf, scheint mir genau so schwerwiegend zu sein. Totalitäre Staaten weiten dieses Verbot nur auf alle Institutionen und die gesamte Gesellschaft aus.

- Daß ein Ausländer sich nicht frei ausdrücken kann, ohne die Ausweisung zu riskieren, erscheint mir ebenso wenig akzeptabel. Ich erinnere mich, wie Chirac, als er Premierminister war, Pliutsch, der gerade aus einem sowjetischen Straflager befreit worden war, zu mehr Zurückhaltung in seinen Äußerungen über die UdSSR ermahnt hat: einen Mann, der unter lebensbedrohenden Umständen in der UdSSR sein Stimme erhoben hatte, um das totalitäre Regime anzuklagen, und der nun, kaum daß er in Frankreich, einem demokratischen Land, eintrifft, den Mund zu halten oder mehr Zurückzuhaltung zu üben hat!

Pliutsch soll in der UdSSR, „seinem Land“, dazu verurteilt sein, den Mund zu halten, weil es keine Meinungsfreiheit gibt, und in Frankreich, wo es sie gibt, weil es nicht „sein Land“ ist. Auch hier kann man sagen, daß die totalitären Staaten alle Bürger wie Ausländer behandeln, denn die Führung der UdSSR bürgert und weist die Dissidenten aus, so wie es Hitler damals mit meinem Vater getan hat.

Das heißt: Es gibt keinen Menschen, Bürger des Landes oder Ausländer, verbeamtet oder nicht, den man daran hindern darf zu sagen, was er denkt. Es gibt keine Institutionen – ob Armee oder Staatschef –, von denen man nicht sagen könne, was man über sie denkt.

Doch der Kampf um die Freiheit geht auch um die Mittel, die einem zur Verfügung stehen, das auszudrücken, was man denkt, was das Problem des Fernseh- und Rundfunkmonopols des Staates und das Geldmonopol in der Presse aufwirft; daher der Kampf für ein freies Radio und eine alternative Presse.

Ich habe es immer als absurd empfunden, daß jene, die zu einem bestimmten Zeitpunkt die Ideen einer Minderheit vertreten, diese in weniger Zeit und weniger Zeilen ausdrücken sollen als jene, die die Ideen einer Mehrheit vertreten.

Wo doch der „gesunde Menschenverstand“ dafür spräche, daß man ihnen mehr Raum gäbe, damit sie sich der Mehrheit besser verständlich machen können.

Daß auch in Wahlperioden – was immer man auch von Wahlen hält – nicht alle Kandidaten die gleiche Redezeit und den gleichen Raum in der Presse bekommen, kann ich nicht als selbstverständlich akzeptieren.

Vielleicht ist eine bestimmte Form oder sind bestimmte Aspekte der Demokratie heuchlerischer als der Totalitarismus Und hier stellt sich folgende Frage: Gibt es Ideen und Meinungen, die nicht das Recht haben, ausgesprochen zu werden?

Auch ich habe gedacht: „Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit.“ Ich war für das Verbot einer faschistischen Kundgebung, einer rassistischen Zeitung... Ich habe 1956, als Guitton zum Professor an der Sorbonne ernannt wurde, mit dem Vorwand protestiert, er sei während des Krieges Anhänger Pétains gewesen, was mich, vermöge der großen demokratischen Prinzipien, nicht davon abhielt, zur gleichen Zeit gegen das Verbot einer linksradikalen Kundgebung, gegen die Beschlagnahme eines Buches über die Folter in Algerien, gegen das unter Druck konfessioneller Verbände erlassene Verbot eines Films wie „La Réligieuse“ zu protestieren.

Ich machte mir die demokratischen Prinzipien für mein Recht auf freie Meinungsäußerung zu nutze und fand alle möglichen Argumente, das Verbot anderer Ideen zu rechtfertigen...

Als ich hörte, wie Gisèle Halimi die Zensur für bestimmte sexistische Bücher oder Filme verlangte, wie sie es für rassistische Äußerungen gibt, und als ich erfuhr, daß man einen Sänger daran hindern wollte, seine hurrapatriotischen Lieder zu singen, so wie Paras5  Serge Gainsbourg daran hindern wollten, seine Reggae-Marseillaise zu singen, habe ich endgültig Partei für die Verteidigung der Meinungsfreiheit ohne Bedingung und ohne Restriktion, was auch immer die zum Ausdruck gebrachten Ideen beinhalten, Rassismus eingeschlossen, ergriffen.

In dieser Haltung wollen manche eine Selbstgeißelung, Masochismus erblicken, weil ich mich für jene einsetze, die mir in die Fresse spucken wollen.

Wenn ich davon überzeugt wäre, daß, meine schlimmsten Feinde – solche, die ein libertärer Jude nur haben kann – sprechen zu lassen, dies früher oder später gleich käme, in der Ausübung meiner Freiheit beschnitten zu werden, wäre auch ich – da kann man sich ganz sicher sein – , wenn auch ganz bestimmt mit dem Tode in der Seele, für Zensur und Verbot...

Doch glaube ich eben nicht, daß, läßt man Rassisten, Faschisten, Stalinisten frei reden, man deren Ideen Vorschub leistet.

1. Weil äußern lassen und die Zensur ablehnen keineswegs heißt, nicht zu kämpfen.

2. Weil, wenn die „Feinde der Freiheit“ zensiert werden, wir selbst mindestens Anhänger der bedingten Freiheit werden, was schon mehr als ein Teilsieg für die „Feinde der Freiheit“ darstellt.

3. Weil ich glaube, daß es (zum Glück!) unmöglich ist zu verhindern, daß bestimmte Ideen im  Umlauf sind, es sei denn, man wendet extrem harte und ausgeklügelte Methoden des Polizeistaates an.

4. Weil es mir nicht nur von einem moralischen Standpunkt gerecht, sondern auch vom Standpunkt der Wirksamkeit aus realistisch erscheint, die Ideen sich frei ausdrücken zu lassen, die ich bekämpfen will: Man bekämpft nur das wirksam, was sich frei äußern kann.

5. Weil schließlich die Ideen von Ideen bekämpft werden und daß angesichts der Taten keine Zeit mehr bleibt zu jammern und von der Regierung Verbote zu verlangen, sondern es höchste Zeit ist, selber zur Tat zu schreiten... Und ich füge hinzu, daß ich nicht aus Prinzip Gewalt ablehne, auch wenn mir die Gewalt ein „Böses“ scheint.

Das also war meine geistige Verfassung, als die „Faurisson-Affäre“ ausbrach.

Ich habe damals den in Le Monde erschienen Text6  nicht gelesen; ich war nur von den Reaktionen wie vor den Kopf gestoßen, die er in der Presse, im Parlament und in Lyon7  hervorrief: Empörung, Forderungen nach beruflichen Sanktionen, gerichtliche Verfolgung...

Und ich erinnere mich auch an das Geschrei, das von der Veröffentlichung des Interviews mit Darquier de Pellepoix8  im Express ausgelöst wurde; ein Geschrei nicht etwa wegen dessen Äußerungen, was ich völlig normal gefunden hätte, sondern wegen der Tatsache, daß der Express dieses Interview veröffentlicht hat!

Als ich die Erklärung Faurissons gelesen habe, dachte ich wirklich, daß sie das Werk eines Neonazis seien; daß, was er sagte, ganz und gar falsch sei; und aus diesem Grunde wollte ich, linksradikaler Jude, in aller Öffentlichkeit und im Einklang mit meinen eben erklärten Überlegungen für sein Recht auf freie Meinungsäußerung Position beziehen...

Ich brauchte für die Abfassung des hier im Anhang abgedruckten Textes, der schließlich in Libération erschien, mehrere Wochen, so unwohl fühlte ich mich...

Daß ich, als sich die Ereignisse überschlugen, mich sogar mit Faurisson getroffen habe, und von ihm dazu gebracht wurde, Rassinier zu lesen – dazu erläutere ich mich weiter unten... Darauf weise ich hier nur hin, um zu erklären, wie ich die letzten Zeilen meines Textes schreiben konnte, wo ich erkläre, daß Faurisson und Rassinier keine Antisemiten seien und daß sie nicht den Völkermord leugneten, was mir zurecht vorgeworfen wurde, denn Faurisson bestreitet9  den Völkermord. Auch auf diese Punkte werde ich noch zurückkommen. Doch nehmen wir an, Faurisson und Rassinier seien Antisemiten und daß alles, was sie sagen, nicht nur falsch, sondern überhaupt „unzulässig“ und „unstatthaft“ sei, so verleugne10  ich meinen Text nicht, der sagt, daß selbst, wenn dies so sei, ich immer noch gegen ein Verbot ihrer Ideen, in welcher Form auch immer, wäre.

Der in Le Monde erschienene und von 34 namhaften Historikern unterschriebene Text11  hat mir u.a. nicht nur die Frage nach der Meinungsfreiheit, sonder die der „Diskutierbarkeit“ geschichtlichen Gegenstandes oder irgend eines wissenschaftlichen Problems gestellt.

Da ich jedenfalls den Anspruch geltend mache, daß keine Idee verboten werden kann, und auf der anderen Seite für mich bestimmte Ideen absolut unzulässig und schädlich sind, stellt sich folgendes Problem: Wie kann man etwas wirksam bekämpfen, was einem nicht nur falsch, sondern darüber hinaus unzulässig und gefährlich erscheint, wenn man die Zensur in all ihren Formen ausschließt?

 

Diskreditieren ist nicht widerlegen...

Das schlichte Verbot, gegen das ich mich in meinem in Libération erschienenen Text wende, ist nicht die einzige Form der Zensur. Man kann auch einer ganzen Reihe von Argumenten heranziehen, denen allen gemein ist, daß sie sich nicht wirklich mit den Gedanken des anderen auseinandersetzen, sondern ihn diskreditieren, ich würde sagen stromauf- und stromabwärts, d.h. was seine Motive und seine Schlußfolgerungen angeht, und die dadurch darauf abzielen, nicht ihn selbst zu untersuchen.

Waren Sie schon einmal in einer psychiatrischen Heilanstalt? – Das dürfte für viele Grund genug sein, Ihnen jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Haben Sie rassistische Ideen von sich gegeben? – Das wird all Ihre Aussagen in Mißkredit ziehen. (Dazu muß das aber erst einmal bekannt werden, denn wenn, wie im Falle Groddek, man Ihre rassistischen Äußerungen erst nach Ihrem Tod und nachdem man Ihre Bücher begeistert gelesen hat, entdeckt, wird die Verblüffung groß sein!)

Doch wenn man daran geht, nicht die Motive oder die Schlußfolgerungen eines Arguments zu untersuchen, sondern das Argument selbst, reicht es aus, es als „kleinbürgerlich“, „reaktionär“ oder „utopisch“ zu erklären, um der Notwendigkeit aus dem Weg zu gehen, es als „falsch“ zu bezeichnen. Mit einer Selbstverständlichkeit wird davon ausgegangen – jeder weiß das! – daß die Wahrheit auf der Seite der Revolution ist. Es genügt, Reaktionär zu sein, und schon ist man allein dadurch im Irrtum...

Ich für meinen Teil weiß, daß meine politischen Ansichten – mein bedingungsloser Egalitarismus, mein Ultrademokratismus, mein Antiproduktivismus zum Beispiel – noch nichts mit der Wahrheit zu tun haben. Und für die Hierarchie, die Elite, die Profitwirtschaft, die Ordnung, die Disziplin, den Führerkult zu sein, heißt nicht, unrecht zu haben. Sicher versucht der eine oder andere von uns, seine politischen Ansichten mit Analysen zu untermauern, die wahr oder falsch sein können, doch keine von ihnen kann letztlich unsere politischen Anschauungen rechtfertigen.

Als solche ist eine reaktionäre Ideologie weder richtiger oder falscher als eine sagen wir „revolutionäre“ Ideologie. Im Gegenteil kann diese oder jene Ideologie mit Sicherheit eine wichtige Rolle bei der Entdeckung einer Wahrheit auf einem bestimmten wissenschaftlichen Gebiet spielen. So begegnen sich die Linke und die Rechte regelmäßig auf dem Schlachtfeld der Genetik und der Vererbungslehre.

Auf diesem Gebiet werden wir in den kommenden Jahren mit Ergebnissen konfrontiert werden, von denen uns „Egalitaristen“ einige gefallen, andere wiederum sehr unangenehm sein werden. Es wäre in jedem Fall absurd, darüber heute zu urteilen. Doch das ist nicht das eigentliche Problem. Es liegt vielmehr ganz einfach darin, welche politischen Schlüsse wir aus dieser oder jener biologischen Entdeckung ziehen. Meine Antwort ist einfach: Bewiese man mir die Ungleichheit der Individuen, von Gruppen und der Geschlechter hinsichtlich beispielsweise ihrer intellektuellen Fähigkeiten, bliebe ich doch allen politischen und gesellschaftlichen Hierarchien, die auf diesen Ungleichheiten basieren, nicht weniger feindlich gesinnt.

Das gleiche gilt meines Erachtens für die Geschichte. 1980 in Frankreich Royalist zu sein – was mir zumindest etwas „seltsam“ vorkommt –, kann, wie mir scheint, ohne daß das weder eine notwendige oder ausreichende Bedingung sei, einen Historiker dazu bringen, spannende, neue und wahre Dinge über das Ancien Régime zu schreiben; und, andersherum, Republikaner, fortschrittlich, links zu sein, kann Sie daran hindern, die Bauernaufstände im Westen Frankreichs zur Zeit der Revolution zu verstehen, ja, kann Sie dazu führen, diese Ereignisse historisch zu entstellen.

Die ideologischen Voraussetzungen, von denen Furet in „Penser la Révolution Francaise“12  so gut zeigt, in welchem Maße sie die Leinwand für ein Verständnis dieser Periode abgegeben haben und noch abgeben, sind für unseren Gegenstand von sehr großer Bedeutung.

Was nun die Geschichte des Dritten Reiches im allgemeinen und die des Völkermordes im besonderen angeht, so sage ich, daß diese Voraussetzungen von absolut entscheidender Bedeutung sind. Wenn es eine „Geschichte des Gedenkens“ gibt, um einen Begriff Furets zu gebrauchen, dann ist es diese; und wenn es eine von denen ist, wo wir weit von einer „konzeptionellen Geschichte“ entfernt sind, dann ist es auch diese!

Ich lehne also für mich die Zensur, die Kritik ad hominem, die ideologische Kritik insofern ab, als sie mich davon abhalten, das Argument des anderen zu prüfen. Was mich, wenn ich mich mit den Argumenten auseinandergesetzt habe, nicht daran hindern wird, auch meinerseits ideologische Kritik zu produzieren.

 

Völkermord, Ausrottung.

Die offiziellen Historiker stützen ihre Theorie vom Völkermord mit folgenden historischen Tatsachen: 1941 erläßt Hitler den Geheimbefehl, alle Juden zu vernichten. Dieser Befehl wird konkret in Auschwitz (und anderen Lagern) mit dem Bau von Gaskammern, in denen Hunderttausende Juden vernichtet werden, ausgeführt. Gesamtergebnis der Vernichtung: vier ein halb bis sechs Millionen Personen.

Die Historiker, die sich „Revisionisten“ nennen, bestreiten die Existenz eines solchen Geheimbefehls, von dem es tatsächlich, außer in den Zeugenaussagen bei den verschiedenen Nachkriegsprozessen und in den Erinnerungen Höß‘13 , des Kommandanten des Lagers Auschwitz, keine Spur gibt. Sie bestreiten die Gaskammern und die Zahl der während des Nazismus getöteten Juden. Daraus schließen sie: Es hat nie einen Völkermord und nie einen Vernichtungswillen gegeben. Der Völkermord sei nur eine Erfindung der Kriegspropaganda, die nach dem Krieg im Verlaufe der verschiedenen Prozesse von zweifelhaften Zeugenaussagen beglaubigt worden sei. Was die „Tatsachen“ angeht – Befehl Hitlers, Gaskammern, Zahlen (von denen ich meine, daß bis heute weder die der offiziellen Historiker, noch die der „Revisionisten“ auf seriöser wissenschaftlicher Grundlage beruhen) –, bin ich nicht weit davon entfernt, den Revisionisten recht zu geben. Falls die anderen Beweise – sei es der Gerstein-Bericht, die Erinnerungen Höß‘ oder die unwahrscheinliche Zeugenaussage Filip Müllers – auch so schlecht begründet sind wie die Beweise, die sich auf das Tagebuch Kremers stützen (die – keiner bestreitet es – als höchst seriös gelten)14 , dann ist die offizielle Geschichtsschreibung kaum mehr glaubwürdig!

Die Frage des Völkermordes, wie sie von dieser Geschichtsschreibung gestellt wird, wirft bestimmte methodologische Probleme auf. Diesbezüglich scheint es mir nicht unnötig, (die Nicht-Historiker, aber leider auch die Historiker) an einige Banalitäten zu erinnern:

a) Wenn wir über einen historischen Abschnitt keinerlei Dokumente besitzen, können wir nichts über ihn aussagen.

b) Die Gewißheit, die wir von der Wahrhaftigkeit der verschiedenen Berichte, die die Historiker auf den verschiedenartigen Gebieten geben, beruhen zuerst auf der Anzahl und der Art der Dokumente, die wir von diesem Abschnitt besitzen. Das geht von der Kirche über Partituren und Zeugenaussagen bis hin zu Rechnungsbüchern. Von allen historischen Dokumenten ist die Zeugenaussage das am wenigsten befriedigende, wenn es um die Erstellung eines Berichtes geht, der der Wahrheit entspricht, wie es Paul Veyne sagen würde, ist doch die Zeugenaussage selbst schon ein Bericht, dessen Wahrhaftigkeit man eben erst noch mit anderen Dokumenten (darunter natürlich auch andere Zeugenaussagen) überprüfen müßte. Eine „historische Tatsache“, welche auch immer, und sei sie noch so schrecklich, die nur auf Zeugenaussagen beruht, kann den Historiker im allgemeinen nicht befriedigen, genauso wenig wie ein von einer Reihe anderer Dokumente, die keine Zeugenaussagen (im Sinne eines von einem Zeugen gegebenen Berichtes natürlich) sind, bestätigte „Tatsache“.

c) An diese Banalitäten ist nur aufgrund der derzeitigen Woge von Dummheiten, die mit höchster Seriosität vorgetragen werden – etwa: an den Gaskammer zu zweifeln ist genau so absurd wie an der Existenz Napoleons oder die des Ersten Weltkriegs zweifeln zu wollen – erinnert worden.

Es sei daran erinnert, daß

- die Existenz der Gaskammern und des Vernichtungsbefehls nur auf Zeugenaussagen beruhen,

- die Existenz des Ersten Weltkrieges – glücklicherweise für die Historiker – nicht nur durch Berichte „unserer tapferen Poilus“ verbürgt ist, und das gleiche für Napoleon gilt. Was wir über Napoleon wissen, beruht – zum Glück! – nicht nur auf Zeugenaussagen seiner Mitstreiter und Gegner, denn wenn man diese liest, könnten einem in der Tat Zweifel an der Wirklichkeit dieser Ereignisse – sowohl am Leben Napoleons als auch an der Existenz des Ersten Weltkrieges – kommen.

Im Falle des Ersten Weltkrieges haben wir die Aufzeichnungen in den Archiven der deutschen und französischen Armee, über die eine Anzahl Historiker gearbeitet haben und noch arbeiten. Ich fordere jeden heraus – auch wenn er die den Revisionisten zugeschriebene mythische „Hyperkritik“ anwendet –, mich an der Wirklichkeit des Ersten Weltkrieges zweifeln zu lassen!

Der Unterschied in der Beurteilung der Existenz dieser beiden Tatsachen – die der Gaskammern und die des Ersten Weltkrieges – liegt in der Natur der sie beweisenden Dokumente. Wenn man an der Existenz der Gaskammern zweifeln kann, dann weil sie nur auf Berichten von Zeugen beruht (Geständnisse, Erinnerungen, Zeugenaussagen vor Gericht) und diese Berichte in sich selbst und sich gegenseitig widersprechen, wie ich es anhand des Tagebuchs Kremers gezeigt habe.15 

Wenn man also weder Vernichtungsbefehl noch Tatwaffe vorweisen kann: Haben dann die Revisionisten also recht? Nein! Ich bin ein überzeugter „Exterminationist“! Doch muß die Frage anders gestellt werden. Um es mit den Worten Faurissons zu sagen, behaupte ich:

- Nie hat ein amerikanischer Präsident den Befehl erteilt oder es zugelassen, daß nur ein einziger Indianer getötet wurde, nur weil er Indianer war.

- Nie hat die türkische Regierung den Befehl erteilt oder es zugelassen, daß nur ein einziger Armenier getötet wurde, nur weil er Armenier war.

- Nie hat Stalin den Befehl erteilt oder es zugelassen, daß nur ein einziger Krim-Tatare getötet wurde, nur weil er Krim-Tatare war.

Und dennoch haben die Präsidenten der USA, die türkische Regierung und Stalin, indem sie die Verschleppung, die Unterbringung der Indianer, der Armenier und der Krim-Tataren in Reservaten usw. angeordnet haben, angeordnet, daß Indianer, Armenier und Tataren in Massen starben, nur weil sie Indianer, Armenier oder Tataren waren.

Und so hat Hitler angeordnet, daß Juden – Kinder, Frauen, Alte, Männer – starben, nur weil sie Juden waren. All dies ohne Gaskammern, ohne Vernichtungsbefehl, einfach per Befehl zur Deportierung in Gettos, Lager, alle Aren von Orten des Todes. Das besondere am System der Konzentrationslager lag gerade in der Möglichkeit der Eliminierung, ohne daß weder zum Tode verurteilt, noch hingerichtet werden mußte (der Vorteil dieses Lagersystems lag – ohne daß darin seine wesentliche und entscheidende Funktion gelegen hätte – darin, in gewissen Umständen zu wirtschaftlich interessanten Zwecken benutzt zu werden...).


 

Anhang:

Eine Frage des Prinzips
(erschienen in Libération vom 5.3.1979)

 

Es gab einmal eine Zeit – die noch immer anhält –, als jeder Antisemit eine Zeugenaussage, eine historische Untersuchung zurückwies, wenn sie von einem Juden stammte, und jede Untersuchung von einem Nichtjuden, die in die gleiche Richtung ging, als glaubhaft erklärte (man erinnere sich an die Dreyfuss-Affäre). Doch heute sind wir dabei, das umgekehrte Phänomen zu beobachten: Jeder Jude, jedermann, sei er auch Linker oder Linksradikaler, weist jede beliebige Zeugenaussage, jede beliebige historische Untersuchung zurück, die von einem Antisemiten stammt – was mir schon bedenklich erscheint –, ja, noch schlimmer, erklärt jede Untersuchung für antisemitisch, die in der Sache der Konzentrationslager in dem einen oder anderen wichtigen Punkt die quasi-offiziell gewordene Wahrheit in Frage stellt – was nicht akzeptabel ist.

Mir, linksradikalem, ums genauer zu sagen: libertärem Juden, liegt an einigen Prinzipien, an denen ich um so mehr festhalte, als mir all jene Prinzipien, an die ich über zwanzig Jahre geglaubt habe, eines nach dem anderen verloren gegangen sind (der Weg war lang, der mich vom jungen Kommunisten, der 1956 in Opposition zur KP ging, nach einer trotzkistischen, ultralinken Episode zu libertären Positionen geführt hat, wobei die Dosis an Skepsis von Etappe zu Etappe anwuchs). Von all diesen Prinzipien kann man eines in einem einzigen Satz zusammenfassen: Die Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit muß total sein und verträgt nicht die geringste Einschränkung. Was bedeutet, daß man die in meinen Augen widerlichsten Texte erscheinen und verbreiten lassen muß und das Verbot eines einzigen Buches, und sei es „Mein Kampf“ (oder morgen der kleinste Text Stalins oder des Dummkopfes Mao), das Verbot einer einzigen Kundgebung, sei es eine der Eurorechten, und das Verhindern einer einzigen Flugblattverteilung, und sei es offen faschistisch oder rassistisch, abzulehnen ist. Was überhaupt nicht heißt, ruhig, still und inaktiv zu bleiben. Wenn die Faschisten das Recht hätten, ihre Flugblätter an der Universität zu verteilen, könnte man kämpfen, auch körperlich, falls nötig, damit die Fakultät von Assas16  nicht weiter ihr Monopol bleibt. Die einzige wirksame Art, die – wie es heißt – Feinde der Freiheit zu bekämpfen, besteht darin, ihnen die Freiheit einzuräumen, die wir für uns fordern, und zu kämpfen, wenn sie sie uns streitig machen wollen. Das berühmte „keine Freiheit für die Feinde der Freiheit“ ist eigentlich der Vorbote aller totalitären Systeme und nicht, wie man glaubte, das gegen sie wirksamste Bollwerk.

 

Nicht der geringste Mythos, nicht die kleinste Lüge

Sollen also jene, die die Konzentrationslager und den Völkermord leugnen, es tun! Es liegt an uns zu verhindern, daß diese Lüge glaubhaft wird. Hat die Linke nicht Jahre gebraucht, um den Mut zu finden, die Lüge der KP über die Existenz der Konzentrationslager in der UdSSR zu bekämpfen? Wer, außer einigen isolierten Linksradikalen, Liberalen und der Rechten, hat das 1948 gewagt? Wenn wir für die kommende Generation glaubhaft bleiben wollen, und dies um so mehr, als die Zeit vergeht, dürfen wir nicht den geringsten Mythos, die kleinste Lüge, den geringsten Irrtum bestehen lassen. Setzen wir uns also dafür ein, daß man diese Gaskammern zerstört, die man den Touristen in den Lagern zeigt, von denen man heute weiß, daß es sie nicht gegeben hat, auch unter der Gefahr, daß man uns selbst das nicht mehr glauben wird, dessen wir uns sicher sind. Die Nazis hatten Vorzeigelager, die sie den guten Seelen vom Roten Kreuz zeigten; laßt uns nicht das Gegenteil tun.

Ich will hier nicht in die Diskussion über die Gaskammern – hat es, ja oder nein, welche gegeben? – eingreifen. Falls es welche gegeben hat: In welchen Lagern genau? Sind sie systematisch oder sporadisch für Massaker eingesetzt worden? Denn, wenn dieser Tatbestand so wichtig ist, verstehe ich die Haltung nicht, die besagt, daß, falls dieses Stück teilweise oder insgesamt aus dem Bild des KZ-Systems herausgenommen wird, alles zusammenbrechen würde.

Wäre der Nazismus dann kein Schrecken mehr? Liegt etwa der Schrecken in den Gaskammern, und nicht in den Millionen Toter? Ohne Gas kein Schrecken, nur schwere Gesetzesverletzungen, wie unsere Stalinisten vom Dienst sagen würden?

Das gleiche Problem, wenn man über die Zahl der jüdischen Naziopfer diskutiert: Jeder Historiker begegnet der Schwierigkeit, sich auf eine Zahl festzulegen; die Zahlen sind nun einmal Gegenstand der historischen Diskussion17 , ob das nun ein Schock für unsere Empfindung ist oder nicht. Auch hier verstehe ich nicht, daß eine bestimmte Schwelle erreicht werden könne, unter der, wie man zu befürchten scheint, alles akzeptabel werden könne und also das Spiel der Nazis betrieben werde.

 

Eine absurde Logik

Man kann, wenn man die Zeit erlebt und einen Teil seiner Familie verschwinden sehen hat, von der Diskussion über die Art der Vernichtung und der Opferzahlen angewidert sein. Doch der Historiker kann dem Problem nicht ausweichen. Ich finde die Schlußfolgerung einiger Historiker in Le Monde vom 21.2.1979 ungeheuerlich: „Man darf sich nicht die Frage stellen, wie ein solches Massaker technisch möglich war. Es war technisch möglich, denn es hat stattgefunden. Von diesem Punkt müssen alle Forschungen zu diesem Gegenstand ausgehen. An uns ist es, diese Wahrheit schlicht in Erinnerung zu rufen: Zur Frage der Existenz der Gaskammern gibt es keine Diskussion und kann es keine geben.“

Trotz der Achtung, die ich für die Unterzeichner dieses Artikels habe, von denen einige einen nicht zu unterschätzenden Anteil an meinen derzeitigen Positionen haben, frage ich mich: Was ist das bloß für eine absurde Logik? Eben weil der Massenmord stattgefunden hat, was weder Rassinier, noch Faurisson ihrerseits bezweifeln, kann man sich doch gerade fragen, wie – einschließlich der technischen Aspekte – er hat stattfinden können. Es können sich logischerweise nur die die Frage des Wie nicht stellen, die den Völkermord leugnen.

Es würde hier zu weit führen und wäre dennoch von grundsätzlicher Bedeutung, all das einmal näher zu betrachten, was man seit mehr als dreißig Jahren im Namen des Kampfes gegen den Nazismus gerechtfertigt hat, beginnend mit dem seligen Stalinismus. Die Millionen toter Juden werden stets und ständig als Gegenargument an jeder Kritik z.B. an der Politik des Staates Israel benutzt.

Ich meinerseits ziehe, ihrer zu gedenken, es vor, ohne Unterlaß das Recht auf die Freiheit zu verteidigen und allen Gelüsten entgegenzutreten, auf Gruppen, Minderheiten und Personen, die anders denken und handeln als ich, Hexenjagden zu veranstalten.

Was ich anderen, die Neonazis eingeschlossen, nicht antun werde, kann ich auch nicht zulassen, daß man es Männern wie Rassinier und Faurisson antut, von denen ich weiß, daß sie nichts mit den Neonazis zu tun haben, und der Prozeß gegen Faurisson erinnert mich eher an die Inquisition als an den Kampf gegen die Rückkehr des Schlimmsten.

Übersetzung: Peter Töpfer
 

Anmerkungen:

 1 Die damalige Bezugsadresse von L’Anti-Mythe lautet: M. Jaeger / 33, rue Alphonse-Daudet / F-91210 Draveil – Anm. nA

 2 „Intolerable Intoleranz. Sammlung von Texten in Form von Bittschriften an die Herren Richter am Appellationsgericht Paris“; Anlaß war für die Autoren die Anklageerhebung gegen Prof. Robert Faurisson – Anm. nA

 3 Aufgrund der  Situation, auf die Cohn-Bendit hier abhebt, ist es schwierig, die Bandbreite dieses Wortes („passend“, „(zu)treffend“, „sachdienlich“, „zur Sache gehörig“, „triftig“, „relevant“, „rechtserheblich“, man könnte auch „statthaft“ sagen) mit einem deutschen Wort widerzugeben – Anm. d.Ü.

 4 Solange JGCB deshalb noch nicht beim Psychiater antreten mußte, wie es bereits Andreas Röhler erging... – Anm. nA

 5 paras (parachutistes) sind Fallschirmjäger, sehr harte Burschen – Anm. d.Ü.

 6 Cohn-Bendit meint den Text „Das ‚Problem der Gaskammern‘ (a) oder ‚Das Gerücht von Auschwitz‘“ von Robert Faurisson in Le Monde vom 29.12.78. Siehe hierzu Serge Thion, „Historische Wahrheit oder Politische Wahrheit? Die Macht der Medien: der Fall Faurisson“, Verlag der Freunde, Berlin 1994 – Anm. nA

 7 Wo Faurisson Literatur-Professor war – Anm. nA

 8 Darquier de Pellepoix, Ex-Kollaboratör; in dem Interview hieß es u.a. ungefähr, daß in den KZs Läuse vergast wurden, aber keine Menschen – Anm. nA

 9 Um es ganz genau zu machen: Cohn-Bendit schreibt „... puisque Faurisson nie le génocide.“ Nier kann neben „verneinen“ sowohl „(ver)leugnen“ als auch „ab-, bestreiten“ heißen. Im Deutschen ist es eindeutiger, ist der Unterschied von „leugnen“ und „bestreiten“ klar, auch wenn das für die meisten Landsleute – zumindest wenn es um solch schwerwiegende Dinge geht – nicht klar ist. Deshalb hier noch mal – aufgrund der großen Bedeutung – die Klarstellung: „leugnen“ (es hängt mit „lügen“ zusammen) bedeutet, etwas gegen seine innere Überzeugung abzustreiten (man weiß es eigentlich besser...); „bestreiten“ heißt, irgend etwas nicht zu glauben, von der Existenz einer Sache nicht überzeugt zu sein und seine Meinung dagegen ins Feld führen. (Faurisson leugnet nicht die Existenz der Gaskammern in den KZs und folglich den Völkermord; Faurisson bestreitet, daß es Gaskammern gegeben habe; er verneint die Existenz von Gaskammern. Das weiß Cohn-Bendit, weswegen ich für nier hier „bestreiten“ schreibe.) Vor diesem Hintergrund ist es besonders absurd, wenn sich Richter anmaßen, Leute ins Gefängnis zu stecken und die dümmliche Journaille Leute in Verruf bringen , weil diese etwas „leugneten“: Kein Mensch, auch kein Richter, kann wirklich wissen, wovon ein Mensch innerlich überzeugt ist; höchstens könnte uns ein Lügendetektor darüber Auskunft geben. Der Vorwurf des Leugnens ist die moderne Form der Inquisition, von der bloß keiner merkt, daß wir sie haben... – Anm. d.Ü.

 10 diesmal renier..., d.h. hier: „stehe ich zu meinem Text“ – Anm. d.Ü.

 11 Am 21.2.1979 erschien in Le Monde eine Erklärung von 34 Historikern („La politique hitlérienne d’extermination: une déclaration d’historiens“), in der es u.a. sensationellerweise heißt: „Es geht nicht um die Frage, wie ein solcher Massenmord technisch möglich war. Er war technisch möglich, denn er hat stattgefunden. Von diesem Punkt müssen alle Forschungen zu diesem Gegenstand ausgehen. (...) Zur Frage der Existenz der Gaskammern gibt es keine Diskussion und kann es keine geben.“ – Anm. nA

 12 Wenn mich nicht alles täuscht, könnte damit das auf deutsch vorliegende Buch Fracois Furets „1789 – Jenseits des Mythos“ gemeint sein – Anm. d.Ü.

 13 „Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen von Rudolf Höß. Eingeleitet und kommentiert von Martin Broszat“, Stuttgart 1958 – Anm. nA

 14 siehe hierzu Jean-Gabriel Cohn-Bendit, „Mon analyse du ‚Journal de Kremer‘“ in: Antmythe Nr. 25, Paris 1980 – Anm. nA

 15 siehe Anm. 14

 16 Juristische Fakultät in der Pariser rue d‘Assas , die für ihren hohen Anteil an rechtsextremen Studenten bekannt ist – Anm. nA

 17 Auch in der juristischen: Bei Strafprozessen z.B. ist es entscheidend, wie viele Morde ein Mörder begangen hat – Anm. nA

 

 

daniel cohn-bendit und jean-gabriel cohn-bendit

Jean-Gabriel Cohn-Bendit mit seinem Bruder Daniel Cohn-Bendit