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AUTO Nr. 8 (Okt. 2001) / Weltbefreiungskrieg
Serge Thion: Wir sind keine Amerikaner!
Seit das Flugzeug erfunden wurde, weiß man, daß der Tod und die Zerstörung vom Himmel fallen. Von allen Armeen, die seit einem Jahrhundert auf der ganzen Welt Krieg führen,
sind die US-Amerikaner die größten Feiglinge und Memmen. Bevor sie ihre Füßchen auf fremden Boden setzen, überziehen sie ihn erst einmal mit flächendeckenden Bombardierungen. Welcher Europäer erinnert sich nicht
an die schreckliche Taktik der „Bombenteppiche“, die dank der „fliegenden Festungen“ den Tod sowohl über „Freund“* als auch „Feind“ brachte? Welcher Japaner könnte je die us-amerikanischen Bombardierungen vergessen, die 1945 quadratweise und systematisch Tokio von der Landkarte radierten als Vorspiel zur Apokalypse von Hiroschima und Nagasaki? Wer in Asien könnte vergessen, daß eine halbe Million amerikanischer Soldaten in der 68er Zeit für ihren warmen Kaffee und ihr kühles Bier ein Land Tag und Nacht mit Bomben eindeckten und mit Napalm belegen mußten, ein Land, das ihnen nichts getan hatte? Welcher Kambodschaner erinnert sich nicht an die B-52-Bomber, die das Volk um ein Zehntel dezimiert haben und verwüstete Dörfern hinterließen?
Massive Bombardierung – der amerikanische Beitrag zur neuzeitlichen Kriegskunst: alles platt machen, wie im Irak, in Serbien, in... Das wird es wohl sein, was Bush und seine Kumpane
ihre „Zivilisation“ nennen. Wir nennen es die Barbarei der Sesselfurzer.
Erinnern Sie sich an den Golfkrieg: 100 % Bombardierung, 0 % Truppe am Boden. Trotz modernster Waffen war es die gute alte B-52, die das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zur Herstellung
des blutigen McIrak aufwies. Jetzt will man die noch nicht Verschrotteten nach Afghanistan schicken. Die Großen Brüder, daran gewöhnt, als couch potatoe faul vor dem Fernseher zu lümmeln, ziehen die Bombardierung dem Kampf vor, was ihr Leben an dem Tag, da der Kampf unvermeidlich wird, nicht erleichtert. Wir haben bei der Têt-Offensive 1968 gesehen, wie schnell die Weltbespitzeler rennen und sich verkriechen können.
Nun hat Amerika, der König der Welt, das erste Mal seit 1812 selbst etwas abgekriegt. Unerwartet, spektakulär, vor allem symbolisch. Die Bomben galten dem Pentagon (und
verschmähten das Weiße Haus). Sie trafen jene wie aus Zufall, die aus ihren Sesseln heraus die Bombardierung anderer befahlen (Planning and Logistics). Die Versteckten hat es in ihren Verstecken erwischt.
Es liegt in der Logik der Sache, daß die Bombardierten getanzt haben, als sie davon erfuhren.
Das zweite Angriffsziel war jenes schreckliche Ding, das sich schlicht und direkt „Welthandelszentrum“ nannte. Es war ein Teil des Systems Wall Street. Es ist noch nicht lange her,
daß die öffentliche Meinung der Welt – die eher von den etwas nebulösen Nichtregierungsorganisationen vertreten wird als von den korrupten Regierungen, die sich bei der UNO herumtreiben –, in
Seattle, dann in Genua und schließlich in Durban ihren Abscheu gegenüber den Verwüstungen ausgedrückt hat, die die Globalisierung verursacht. Globalisierung bedeutet für die Welt Arbeitslosigkeit, Verarmung,
Unsicherheit, Entortung und Ausbeutung.
Die Leute, die im Nervenzentrum dieses wirtschaftlichen Infernos arbeiten, können kaum als „unschuldige Zivilisten“ gelten. Sie sind auf höchster Ebene die Operatoren und
Regulatoren einer Unmenschlichkeit, die darin besteht, den Menschen seiner Möglichkeit zu berauben, sich durch seine Arbeit zu ernähren, und die den Menschen lediglich als Profitcenter betrachtet. Selbst nur
Arbeitsbienen im Dienste des anonymen Kapitals, bilden die Angestellten des Welthandelszentrums die Soldaten der imperialen Armee die Blutsauger in den geknechteten Ländern; sie tragen also auch die Risiken von
Blutsaugern. Jeden Tag ziehen sie den Armen das Fell ab, damit die Reichen reicher werden. Basta!
Von allen Menschenrechten wird in den USA jenes am seltensten erwähnt, das doch die theoretische Grundlage der Loslösung der „Vereinigten Staaten“ vom englischen Königreich war: das
Recht, gegen eine ungerechte Unterdrückung Widerstand zu leisten. Das Recht zum Aufstand angesichts des von der Macht verantworteten Mißstands ist von den Gründervätern unserer modernen Welt, die selbst
Aufständische waren, proklamiert worden. Es ist die rechtliche Grundlage, die den amerikanischen Staatsbürger erlaubt, Waffen zu besitzen.
In Übereinstimmung mit diesem in den USA nahezu vergessenen aber ursprünglichen Menschenrecht handeln die, die Widerstand leisten und sich gegen die us-amerikanische Weltherrschaft und
die zerdrückende und vernichtende Herrschaft des Finanz- und Großkapitals, das sich in der Wall Street konzentriert und vom Pentagon beschützt wird, erheben, in vollkommenster Legitimität, die aus den realen
Rechten des beherrschten Menschen, aus dem realen Menschen erwächst.
Diese gewaltsamen Handlungen verursachen Tote. Wir beklagen diese Toten und das unendliche Leid der betroffenen Familien. Wir beweinen die amerikanische Toten wie wir die koreanischen
Toten beweint haben, die von amerikanischen Bomben massakriert wurden, und wie wir die Millionen Toten in Indochina beweint haben, die von amerikanischen Bomben zerfetzt wurden, die auch heute noch Kinder töten.
Wir beweinen die amerikanischen Toten wie wir die Toten von Panama beweinen, die von amerikanischen Bombern getötet wurden, wie wir die Hunderttausende irakischen Toten beweinen, die von anglo-amerikanischem
Embargo und Bombardierung getötet werden, wie wir die Toten in Jugoslawien beweinen, durch NATO-Bomben umgekommen, die von den zukünftigen Toten des Pentagons bezahlt und dirigiert wurden.
Aber das gibt den Schreiberlakaien und Politikern im Niedergang nicht das Recht zu verkünden, daß „wir alle Amerikaner sind“. Weder die Kurden, noch die Sudanesen, noch die Libyer,
noch die Serben, noch die Franzosen, noch alle anderen sind Amerikaner: Sie erkennen sich in dem jämmerlichen Zirkus des amerikanischen politischen Schauspiels nicht wieder; sie monopolisieren nicht die
verbrauchbaren Ressourcen des Planeten. Sie wollen niemanden beherrschen, wen auch immer, und genau so gut wollen sie von niemandem beherrscht werden.
Diese unverschämte demagogische Behauptung ist Teil einer Welle ideologischen Recyclings, die höher ist als die Türme von Manhatten. Der plötzliche, strapazierende, morbide und
krampfhafte Einsatz der totalen Solidarität mit unseren amerikanischen Herren, deren imperiale Insignien getroffen wurden, war eines der ekelhaftesten Spektakel des Jahres. Mitgefühl mit den Opfer, ja, das ist
völlig natürlich. Aber es kann keiner Macht gelten, die die ganze Welt beherrschen will. Amerika hat nur einen sehr kleinen Teil dessen zurückbekommen, was es ausgeteilt hat. Diese vom Himmel gefallene Strafe
war Balsam für die Hunderte von Millionen Opfern dieses unmenschlichen, mechanischen, den Terror befehlenden Amerikas, das seine Protégés überall auf der Welt unterhält.
Jetzt eröffnet man die Jagd auf die „Islamisten“: ein Begriff, dessen Undeutlichkeit Tür und Tor für alle möglichen Anwendungen öffnet und der in seiner Nützlichkeit die
„Kommunisten“ von einst ersetzt. Dabei hatte Amerika diese „Islamisten“ genährt, als sie noch die Sowjetunion schwächen konnten. Die USA werden sich jetzt in Sachen Metzelei an den Israelis ein
Beispiel nehmen. Wie die Dinge stehen, kann man sich nur wünschen, daß die Amerikaner Afghanistan überfallen. Sie könnten dort wesentliche Lektionen erteilt bekommen.
Die Neofaschisierung der Welt hat mit Absegnung des sozialdemokratischen Europas einen großen Schritt nach vorn gemacht. Die konservative Regierung in Madrid hat mitgeteilt: „Wir nehmen
an keinem Krieg teil.“ Warum kann unsere Regierung nicht das gleiche sagen?
Dieses vorhersagbare Anwachsen der Unterdrückung wird die Solidarität unter den freien Menschen wachsen lassen, deren Bekenntnis die Pflicht zum Widerstand ist.
Serge Thion Von Berufsverbot betroffener Wissenschaftler
15. September 2001
* Robert Steuckers schreibt im Communiqué der Synergies européennes 09/2001, daß „in Belgien von der Gesamtzahl der Opfer des 2. Weltkrieges der größte Teil von
alliierten Bombern getötete Zivilisten waren: 65.000 von einer Gesamtzahl von 100.000. Daß man über diese alliierten Opfer heute nicht mehr spricht, zeugt von der Verräternatur des herrschenden Regimes.“ Anm. der AUTO-Redax
(Weitere Texte von Serge Thion in anderen AUTO-Ausgaben und hier.)
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