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Unendliche Weiten... wir befinden uns in nicht all zu ferner Vergangenheit... Dies sind die Abenteuer der deutschen Staatsmacht, die mit einer bis zu 30 000 Mann starken Besatzung
unterwegs ist, um freundliche Wendländer zu vergrätzen und den Begriff Staatsraison neu zu definieren. Sie dringt dabei in Galaxien so ungeahnte Größenordnungen staatlicher Müllbeseitigung vor, die nie ein
Mensch zuvor gesehen hat.
Für mich persönlich wurde hier aber nicht nur die Staatsraison neu definiert... Ich muss sagen "frieren" hat nach diesem kleinen Ausflug ins Wendland einen neuen Klang in meinen
Ohren! Zwei Tage lang konnte ich meine Kamera nur mit vorherigen fünfminütigen Entspannungsübungen ruhig halten - und das dann auch nur für Sekunden. Und da man für jedes Foto, das etwas taugt, Kilometer um
Kilometer um Kilometer zurücklegen musste, ist auch mein Prager "Foto-mal-km-Rekord"
eingestellt. Nur das dieses mal keine urbanen Wege meinen Fuß verwöhnten, sondern matschiger Acker, und die Fotos an sich, auch nicht all zu viel hergaben. Kurz - für Stadtleute wie mich war das Wendland, was das Verhältnis zwischen investierter Arbeit und Opferbereitschaft angeht, die Lust daran und dem letztendlichen Resultat, einfach nur Unsinn.
Los ging der ganze Jammer auf dem Rosa-Luxemburg-Platz vor der Volksbühne. Nicht nur dass bei weitem nicht so viele Busfahrkarten vorhanden waren, wie Menschen, die welche haben wollten.
Auch ließ der Bus, aus Gründen, die mir nach wie vor schleierhafte sind, eine dreiviertel Stunde auf sich warten. Und der Wind blies schon hier nicht gerade anheimelnd. Resultat: Zwar eine Karte ergattert,
trotzdem schon den Frost in den Knochen. Und den sollte ich erst wieder zu hause in meiner Badewanne los werden...
Die Fahrt verlief ereignislos. Alle viertel Stunde wurden wir über Bordfunk von den neusten Begebenheiten im Krisengebiet unterrichtet. Ab und zu gab es eine kleine Pause auf einer
Raststätte oder einem Parkplatz, um eine Zigarette zu rauchen, pissen zu gehen, oder einen Kaffee zu trinken. In der Nähe von Lüneburg - bereits im Wendland - konnte man von einem Parkplatz einen unglaublichen
Sternenhimmel beobachten, was ausserdem heisst: Es war klirrend kalt. Aber trotzdem: ein ungewohnter Anblick für jemanden, der den Großteil seiner Zeit in Berlin verbringt.
Im Bus fiel mir zum ersten mal auf, was für eine ungeheure Faszination von dem Wort “Plenum” für meine Mitreisenden ausging. Plenum hier, Plenum da, alles wurde bis ins
Kleinste zerkaut und beredet - gruppendynamisch versteht sich. Und glauben Sie mir, liebe Leser, ich habe dieses Wort hassen gelernt. Kälte und Plena... zwei Dinge, mit denen man garantiert unvorhersehbare
Reaktionen bei mir provoziert.
JA! DANKE!!! Ich weiss auch, dass ich mich wärmer hätte anziehen sollen! Recht herzlichen DANK!!!
"Hundestaffel am Bahndamm"(Foto: m.k.)
Aufgrund dessen, dass inzwischen das Camp der Berliner Protestierer in Dorf (Sowieso?) von der Polizei geräumt worden war, verschlug es unseren
Bus, es muss so gegen 22:00 Uhr gewesen sein, zur Mahnwache nach Dahlenburg, welche sich im Dorfzentrum um ein Fass geschart hatte, in dem ein wärmendes Feuer brannte. Heisse lauwarme Suppe, belegte Brote
und seltsam schmeckender Kaffee wurden gereicht... alles streng vegan versteht sich. Bei unserer Ankunft noch freudig bejubelt, wandte sich schon bald jeder seiner Art zu, mit der Kälte umzugehen und ein ZDF
-Kamerateam filmte uns dabei. Nach einem zweistündigen Aufenthalt, mit einer Unzahl an Plena, setzte sich der Großteil der Berliner in den Bus,
welcher dann verfolgt von der Polizei und geleitet von einem weissen Polo nach Himbergen abfuhr, wo ein von dem Polofahrer organisiertes Gemeindezentrum für uns seine Türen öffnete, um uns eine heimelige
Schlafstatt zu bieten.
Nach ein paar Zigaretten und dem Putzen der Zähne endlich schlaffertig (01:00 Uhr), konnte ich erst gegen 02:00 Uhr einschlafen. Wie ich schnell
feststellte, war mein Schlafsack einen Hauch zu dünn, um... Nein, sagen wir es so: war mein Schlafsack zu hauchdünn, um tatsächlich Wärme zu
spenden. Vom Schüttelfrost gebeutelt wachte ich alle 10 min. auf, um Gott und die Welt zu verfluchen... und nach ein paar Minuten, so gegen 06:00 Uhr, war dann schon wieder wecken angesagt und danach... richtig:
PLENUM!
Komischen Kaffe trinken - Apfel und Brötchen essen - zusammenräumen und los. Unser Bus hatte sich noch am selben Abend verdrückt und so
wurden wir per Autoshuttle nach Dahlenburg zurückgebracht, wo dann erst mal nichts passierte...
In der dortigen Kirche hatte der ev. Pfarrer des Dorfes den anderen Teil der Berliner Reisegruppe und ein paar Protestierer, die nirgends
hingehörten, untergebracht, die erst jetzt langsam erwachten und ihre Morgentoilette verrichteten. Das hieß warten in der Vorhalle, die zwar
beheizt war, aber ein Wichser fand sich immer, der die Tür nicht zukriegte.
Also gut: Sie wissen ja jetzt, dass ich fror wie ein Schneider und das ca. alle zehn Minuten ein Plenum stattfand. Deshalb werde ich die Geschichte jetzt
mal ein wenig flotter zum besten geben. Zu sagen bleibt noch, dass so ziemlich jedes Dorf in der Gegend ein Infozelt, Gruppen von Leuten, an die
man sich als hilfesuchender Protestierer wenden konnte, oder sogar Lager für Protestwillige Unterstützer eingerichtet hatte. Die ganze Gegend war
total aus dem Häuschen und in völligem und absolutem Ausnahmezustand. Einfach fabelhaft!!!
"Ich paddel Dir Einen..." (Foto: m.k.)
"friedlich voran" (Foto: m.k.)
[Steiner also auch da!?]
Um 10:00 Uhr setzte sich ein Häuflein von etwa 100 - 150 Leuten in Richtung "Info-Wiese" in Bewegung, die Vorschreiter ein Banner in den
Händen mit der Aufschrift "Schiene, Gleis und Schraube bricht, aber unser Widerstand nicht!" (Dass Gleis und Schiene mehr oder weniger das Selbe sind, soll hier mal, zu Gunsten des Versmaßes [das ziemlich mißlungen ist, Widerstand hätte mal lieber eine Silbe weniger... - der Seitenmeister], unberücksichtigt bleiben.) Nach dreihundert Metern flotten
Voranschreitens war dann fürs Erste auf einer Kreuzung Schluss. Nun gab es ein Plenum. Und zwar dazu, ob diese Kreuzung, zu Gunsten des Protestes und der Unterstützung des Protestes Anderer besetzt werden
sollte. Gesagt und - nach zwanzig Minuten - getan. Die Besetzung war beschlossene Sache.
Nun wurde mir zum ersten mal ausgesprochen deutlich klar, was es heisst, wenn dreißigtausend Bullen in einem doch ziemlich kleinen Gebiet
unterwegs sind... In kürzester Zeit wimmelte es um den Versammlungsort von "Einsatzkräften". Schon wurden die Sprecher benannt, und es konnte
losgehen. Jeder versuchte dem anderen klar zu machen, dass er unglaubliches Verständnis für die Haltung des Anderen hätte... ABER... Die Polizei meinte, dass es so ja nun nicht ginge und die Sprecherin der
Protestler tat das ihre dazu, deutlich zu machen, dass es das wohl tue. Zwischenzeitlich gab es ein kleines, themenbezogenes Straßentheater, Zeugenaussagen zum Vorgehen der Polizei bei der letzten
Straßenbesetzung durch Dannenberger Treckerfahrer und so manche Unterhaltung am Wegesrand, mit Befürwortern und Gegnern der Protestaktionen. Von der Infowiese wurden heisse Getränke gebracht und
ich machte meine ersten Fotos.
Ich muss sagen, sehr viele Autos stauten sich nicht, obgleich es sich um eine Bundesstraße handelte, die hier besetzt wurde. Es gab anscheinend
genügend Umleitungen, die man als genervter Autofahrer mit Ortskenntnis nehmen konnte. Na jedenfalls schien diese Blockade die Bullen nicht im
mindesten nervös zu machen, und sie beschränkten sich darauf, alle halbe Stunde eine Durchsage zu machen, in der es hieß, dass wir uns doch nun
endlich verpissen sollten, wir hätten ja schließlich unseren Spass gehabt. Und nach der Dritten, die ja bekanntlich die Letzte ist und wonach es dann meistens zur Sache geht, sah sich der Protestzug geneigt, den
Aufforderungen nachzukommen und machte sich auf, die restlichen hundert Meter zur Infowiese zu bestreiten.
Die Zeit des Wartens dort zu beschreiben, wäre wohl ein bisschen zu viel des Guten. Sagen wir mal so: Ich wartete unheimlich lange und frierend auf
Irgendwas. Die Anderen konnten sich bei Plena in Hitzewallungen reden. Ich dagegen saß am kältesten Lagerfeuer der Welt und hasste sogar das Holz, das da brannte - wie es schien völlig sinnlos... Scheiß Holz!
Nach drei-vier Stunden kam dann endlich Bewegung in die Sache. Auf der Straße versammelten sich die Menschen und formierten sich, dann ging es
auf zur Gleisbesetzung. Den Castor aufhalten! Das war was. Endlich, schnell und leise gingen wir die Seitenstraßen entlang, die aus dem Dorf führten, verfolgt von einer einfachen Bullenwanne, die wir auf einem
Feldweg, kurz hinterm Dorf, mit einem quer gestellten Anhänger eines Traktors blockierten, der da ausgesprochen fotogen am Rande des Weges
vor sich hin rostete. Ein paar Meter dahinter errichteten wir eine leichte Holzbarrikade, die wir aus abgesägten Ästen und liegengelassenen Paletten bastelten. ... dann aber harschen Schrittes weiter.
Die anfänglich wohlgeordnete Gruppe aus etwa einhundert Leuten hatte sich mächtig in die Länge gezogen, als wir über den Acker stiefelten (siehe
Foto ganz oben) und war leider von der Bundesstraßestraße, die neben diesem Acker verlief, gut zu sehen, auf der schon mächtig viele Wannen unterwegs zum Bahndamm waren, auf den wir uns zubewegten. Ich befand
mich ziemlich weit hinten und musste sprinten, um die Ersten noch einzuholen, die sich schon kurz vor den Gleisanlagen befanden. Plötzlich spaltete sich die Gruppe... (?) Auf den Gleisen tauchten die ersten
Uniformierten auf. Einige der Schienenbesetzer bogen rechts ab und versuchten es dort. Die anderen versuchten ihr Glück in der Flucht nach vorn. Das war mir sympathisch, da gesellte ich mich dazu. Und eins, und
zwei, und hasstenichjesehen war ich die fünf Meter hohe Böschung rauf, stand auf den Schienen und knipste eine Reihe von Fotos. Viele wurden von den jetzt etwas wacher gewordenen Polizisten wieder die Böschung
runter geschuppst, wenn man so frei sein will, Faustschläge, Tritte und Knüppelhiebe als schuppsen gelten zu lassen.
"Wir sind auch noch da!"(Foto: m.k.)
Den Schienenbesetzern wurde mit Verhaftung gedroht (inzwischen war nämlich die Presse eingetroffen, und da machen sich auf Wehrlose
einprügelnde Polizisten gar nicht gut), was irgendeine Trulla, die sich zum Rädelsführer auserkoren sah, dazu veranlasste, Angst zu kriegen und zu
sagen "Hat doch keinen Zweck. Lasst uns abhauen!" und das Fußvolk parierte.
Gleisbesetzung bei Dahlenburg (Foto: m.k.)
Was hat sie denn erwartet...? Dass die Bullen sagen: "Naja, wenn ihr hier schon sitzt, dann kann man ja nichts mehr machen", oder was? Und wo
sollte ich jetzt meine coolen Fotos herkriegen?!? Und der Castor...? wer hält jetzt den Castor auf, hä?!? Diese blöde Schlampe... also echt jetzt mal..
.! Ein Gutes hatte das Ganze aber: mir war, nach meinem kleinen Sprint, für angenehme fünf Minuten nicht kalt.
Trotzdem, ich war enttäuscht, das muss ich schon sagen - ausserordentlich enttäuscht, wohlgemerkt. Zurück im Camp, schaufelte ich tonnenweise
vegetarische Suppe in mich rein, um meinem Körper die Illusion zu vermitteln, es gäbe da tatsächlich Kalorien zu verbrennen. Ich trank zwei Biere, was dazu führte, dass ich ein paar Leute beleidigte und dachte
darüber nach, wie ich hier am besten verschwinden könnte... Richtig! Auf meinen guten, alten, rechten Daumen war eigentlich immer Verlass gewesen. In Krisengebieten wie diesem ist trampen ausserdem ein
Kinderspiel. Ausnahmezustände bringen in den Menschen immer das Beste oder Schlechteste zum Vorschein. Ob der Mitteilungsdrang der Anhaltenden nun unter die eine oder andere Kategorie fällt, liegt im Ohr
des Zuhörers.
In Nullkommanix war ich in Dannenberg. Ausgerechnet ein Fotograf, der gar nicht mitteilungsfreudig war, nahm mich mit. Aber ich war da und
konnte in einem italienischen Ristorante etwas vollwertige Nahrung zu mir nehmen. Danach machte ich mich auf zur ESSO-Wiese, wo ganz viele Leute
waren, die nicht glücklich aussahen, und das, obwohl der Castor stand - dank Robin Wood. “Vielleicht schlechte Laune!”, dachte ich mir und hütete
mich, Fotos zu machen. Trotzdem sah ich mich ein bisschen im Lager um und fand nichts, was als Wärmehalle hätte durchgehen können. (Scheiße!)
Ein Typ in einem Auto, der ein Basecap trug, sah wohl für einen kleinen Klugscheisser zu sehr wie ein Nazi aus, was er dann auch gleich lautstark kund tat.
Jeder kann sich sicherlich ausmalen, was passiert, wenn eine Horde Linker schlecht gelaunt ist - unter anderem wegen des Wetters - und glaubt, den
Feind erspäht zu haben. Und der sitzt, zu allem Übel, auch noch Mutterseelenallein in seinem Auto und fährt gemächlich durch seine persönliche Todeszone. Ja-ja! Ganz sicher macht der das!
Der Mensch ist wohl davon gekommen, nur sein Auto war jetzt Schrott. Ich hatte von dieser Aktion nicht das Geringste mitbekommen, würde aber die
nächsten Tage mehr oder weniger schwer darunter zu leiden haben. Denn kurz danach marschierte so eine komische Ninjaturtleeinheit der Polizei auf, alle Schwarz gewandet und ausgesprochen mies drauf.
"Ninjaturtles" (Foto: m.k.)
Jeder einzelne von denen konnte vor Kraft nicht kacken und schwang seinen Knüppel wie ein Meister der Shaolin. Nur dass sie alle beim
Unterricht, in Sachen Selbstbeherrschung, geschwänzt hatten, so wollte mir scheinen. Denn kurz darauf erging das Signal Knüppel frei und das nahmen
sie ausgesprochen ernst. Wie eine Horde Furien knüppelten sie auf alles ein, was sich erdreistete, eine Bewegung zu tun. Und da auch ich mich offensichtlich bewegt hatte, schmetterte mir gleich einer von diesen
Vollhirnis, drei unglaublich präzise Schläge gegen mein Schienbein, was mich erst mal zusammensacken liess. Ich wollte eigentlich Fotos machen,
aber davon war jetzt keine Rede mehr. Ich hüpfte auf einem Bein rum wie ein Springball und zeterte Mord und Totschlag. (So ein paar Drecksäcke...
Was bilden die sich denn ein???) Ich dachte eigentlich, ich hätte in Kreuzberg schon mal einen Knüppel abgekriegt, aber dieser Schmerz belehrte mich eines Besseren. Na wartet! Das würde ich sagen! Nur leider
war Keiner da, den es interessiert hätte. Danach konnte ich erst mal tagelang nur humpeln. Aber ich humpelte mit Würde... und wohin ich wollte.
"Essowiese" (Foto: m.k.)
Der Castor stand immer noch. Trotzdem versammelten sich ca. 5000 Menschen gegen 20:00 Uhr an der Esso-Wiese, um zum Verladebahnhof
von Dannenberg zu ziehen, wo der Castor zu diesem Zeitpunkt hätte ankommen müssen. Wie wir heute wissen, kam er erst mal nicht dort an. Dennoch zog der Protestzug los, in dessen Umfeld es zu kleineren
Ausschreitungen mit der Ordnungsmacht kam, die ich nur schwer dokumentieren konnte, weil ich ob meiner Behinderung meistens zu spät kam. An der Bundesstraßenabfahrt zum Verladebhf. angekommen, stand
erst mal alles und wartete... und wartete... und wartete.
Nach zwei Stunden warten und (kalt-kalt-kalt) frieren, hatte ich die Faxen dicke, zückte meinen Presseausweis und durchbrach damit die
Polizeiabsperrungen, die sie sinniger Weise vor einer Tankstelle eingerichtet hatten... vor einer Tankstelle mit Etablissement. In dem bestellte ich mir erst mal drei (heiss-heiss-heiss) heisse Tassen heissen
Tees... was nun auch nichts mehr nützte...
Der gesamte Mediencorps hatte sich hier versammelt und tat das, was er immer tut: wichtig sein und dumm schwätzen.
Diese Typen sind echt fabelhaft: Die haben nun so lange studiert und sind trotzdem Vollidioten geblieben. Oberflächlich, arrogant und dumm wie ein
Stück Brot. Da kommt so ein Ninjaturtle zum Pissen rein und alle erstarren in Ehrfurcht vor so viel geballter Manneskraft. Und auch wenn sie über
ihren Sender etwas anderes verbreiten: keiner von denen hatte auch nur den Hauch von Verständnis den Protestlern gegenüber, und wenn er einen
zum Quatschen erwischen konnte, kroch jeder den Bullen in den Arsch...
So ein widerliches Pack. Da schüttelts´ einen vor Ekel.
Nachts um 02:00 Uhr gab ich meinen Sitzplatz auf, da abzusehen war, dass der Castor heute hier nicht mehr anrollen würde. Schließlich und endlich
war ich ein bisschen zu alle, um weiter zu warten. Ich beschloss, mir einen Schlafplatz zu suchen und lange zu schlafen.
Da der Verladebahnhof ziemlich weit ausserhalb der Stadt liegt, hatte ich noch einen langen Weg bis zur Esso-Wiese vor mir und schlug eine heftige
Gangart ein - soweit das möglich war mit meinem Bein -, um meinen Körper ein wenig aufzuheizen. Ich humpelte vorbei an Wasserwerfer, ausgebrannten Lagerfeuern der Demonstranten, von denen auch keiner
mehr da war, und Polizeispalieren, die da auf eventuelle Eventualitäten warteten.
"kiekstnsoblöde" (Foto: m.k.)
Von einem Polizisten als Protestierer identifiziert, ergab sich dann auf der Hälfte der Strecke folgender Wortwechsel
Polizist: "Stricher!", woraufhin ich mich umdrehe - natürlich maßlos beeindruckt von einem so ideenreichen, Intelligenz strotzenden und
überaus feinsinnigen Ausflug ins Land "Vulgarien"
Polizist: "Komm her, Du Kasper! Kannst Dir `n PAAR für umsonst abholen."
Ich: "Und Sie glauben wirklich, dass ich jetzt zurückkomme, damit Sie mich verprügeln können? Ich hoffe doch mal, dass das nicht ihr Plan ist..."
anderer Polizist: "Wo er Recht hat, hat er Recht."
Dialog Ende.
Ich fand noch einen Platz in einem der völlig überbelegten Großraumzelte, die mit Strohballen ausgelegt waren. Meine Schlafstatt hatte die
ungefähren Ausmasse 1,20 m mal 50 cm. Bei einer Körpergrösse von 1,87 m kann man da gleich im sitzen schlafen. Ich legte mich trotzdem auf den Rücken und winkelte die Beine an. Eine zauberhafte Art, die Nacht zu
verbringen. Kann ich jedem bloß empfehlen. Trotzdem ich meine Sachen dieses mal angelassen hatte, die selbe Prozedur wie in der vorangegangenen Nacht. Nur dieses mal musste ich auch noch drei mal
raus, um meine Notdurft zu verrichten. Mir war so kalt, dass ich dabei Probleme hatte, meinen Penis zu lokalisieren. Ausserdem waren mir beide Beine eingeschlafen, was das Ganze zu einem regelrechten Eiertanz
werden liess... Ich habe die Hölle gesehen... doch, echt jetzt... die absolut unübertreffliche Hölle.
"Verhaftung" (Foto: m.k.)
Am Ende dieser Nacht war ich mit allem am Ende - mit meinem Latein, mit meiner Kraft und mit meinen Nerven. Ich wollte nur noch nach hause.
Scheiß auf den Castor und Scheiß auf die Welt!!! Ich eierte, humpelte und schleifte mich an den eigenen Haaren zum Busbahnhof und nahm den ersten Bus der mich von hier weg brachte. Niemand musste einen
Fahrschein lösen. Der Busfahrer winkte alle durch.
Auf der Busfahrt nach Lüneburg sah ich mir noch mal die Gegend an - wirklich schön! Und trotzdem die Müllhalde Deutschlands. Ich verstehe
wirklich jeden, der dagegen protestiert, dass der Staat ihm vor die Haustür eine Atommüllhalde setzt. Ob wir den Dreck nun von unseren Partnerstaaten zurück nehmen müssen oder nicht.
Es ist natürlich einfach, das Leben und die Gesundheit Anderer aufs Spiel zu setzen, um die Maximierung der eigenen Profite nicht zu gefährden.
Aber sich mal darüber Gedanken zu machen, warum das so gemacht wird und nicht anders, scheint nicht sehr erwünscht zu sein. Die Antwort auf diese Frage ist ziemlich einfach zu geben... Weil eine Bande von
Lobbyisten dafür sorgt, wie die Zukunft aussehen soll. Und Staat und Staatsgewalt sind ihre Erfüllungsgehilfen. Sie erzeugen eine politische
Scheinwelt, in der uns vorgegaukelt wird, dass wir tatsächlich eine Wahl hätten. Dabei sind sie doch nur kleine, bezahlte Wichser, deren zwei einzige
Interessen darin bestehen, ihr Parteiprogramm zu verraten und ihren Machterhalt zu sichern. Auf den Scheiterhaufen mit ihnen. Gewalt war schon immer eine Lösung... auch wenn die Medien etwas Anderes behaupten.
Am frühen Abend des 28.03.01 betrat ich wieder festen Berliner Boden - glücklich und voller Vorfreude auf eine beheizte Wohnung und ein zweistündiges zu heißes Bad...
Der Castor kam an diesem Abend in Dannenberg an, und am nächsten Morgen fuhr er ohne größere Zwischenfälle nach Gorleben ins
"Zwischenlager". Das war eine der teuersten Zugfahrten der Welt. Und ich war dabei und konnte es nicht genießen. Aber das allerbeste ist ja, dass praktisch nichts passiert ist. So ein Scheiß...
31.03.01
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