AUTO: -CHTHON & -NOM – zurück zum Leitartikel AUTO 22 – Nr. 22, Februar 2006
Persuasiver Ballon
Neulich traf ich einen jüdischen Intellektuellen, einen Schriftsteller. Wir sehen uns nicht oft, aber wenn, dann geht es immer sehr freundlich,
fast freundschaftlich zu. Er klagte darüber, daß es um die Freiheit in diesem Lande und überhaupt weltweit sehr schlecht bestellt sei, daß es ein für alle Male zu Ende und daß nichts mehr zu machen sei. Die Diktatur
der political correctness sei zu erdrückend, die Dummheit der Menschen zu groß. Er selbst bezeichnet sich als Rechten, als Reaktionär. Für mich ist er ein Liberaler, denn er setzt sich auch für die Meinungsfreiheit von Revisionisten ein.
Ich sagte ihm, daß ich nicht so pessimistisch sei und mich freue, wenn im Iran demnächst eine Konferenz stattfindet, auf der die Beschneidung der
Meinungsfreiheit und andere Menschenrechtsverletzungen in den westlichen Staaten thematisiert und angeprangert werden würde. Davon, sagte ich weiter, verspreche ich mir eine positive Wirkung, eine heilende
Ausstrahlung in die westlichen Länder hinein.
Mein jüdischer Kollege brauste wild auf: „Dieser Ahmadinedschad ist doch ein Verrückter! Der Iran ist eine Theokratie! Im Iran werden auf ganzer
Linie die Menschenrechte verletzt!“
Ich sagte: „Das interessiert mich doch jetzt überhaupt nicht! Wir sprachen doch eben noch von uns – von Deutschland und dem Westen. Und dort ist die Lage ziemlich hoffnungslos, was thematisierst du denn jetzt die inneren Verhältnisse im Iran? Wir müssen doch froh sei, daß es noch irgendwo eine Redefreiheit gibt für westliche Menschen! Und im übrigen ist dein geliebtes Israel auch nichts anderes als eine Theokratie!“
Das hätte ich lieber nicht sagen sollen (es gehörte jetzt auch nicht hier her, aber er hatte damit angefangen) – er wurde ganz wütend! Ich
fragte ihn, warum er jetzt so wütend werde, wo ich doch etwas ganz Simples und Wahres gesagt habe: Die Gründung des zionistischen Gebildes ausgerechnet in Palästina basiert nun mal auf einem Theologem, nämlich dem
des von Gott versprochenen Landes. Und an diesen Glauben haben sich alle Gründer Israels, ob nun linke, atheistische oder rechte und gläubige Juden, festgehalten.
„Israel ist ganz sicher auf einer bestimmten Ebene eine Demokratie“, sagte ich, und ja, er habe recht: „In Israel gibt es Freiheiten. Aber
die Maus beißt nun einfach mal keinen Faden ab“, sagte ich weiter, „das Land haben sich die Juden mit religiöser Rechtfertigung und grausamer Gewalt angeeignet, und der Demos vor Ort sei vertrieben und
massakriert worden – schöne Demokratie! Eine Judemokratie ist das! So sympathisch ich viele Israelis finde – Israel basiert auf einem fundamentalen Konstruktionsfehler.“
Nun holte mein jüdischer Freund tief Luft und pustete einen großen Ballon auf. Dann ließ er über eine lange Zeit, in der sich niemand traute, ihn
zu unterbrechen oder ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, die üblichen Argumente der Juden heraus: „Es hat in Palästina schon immer Juden gegeben“ usw.
Nach einer Weile erwiderte ich noch etwas: „Keiner hat etwas dagegen, daß Juden nach der Dekonstruktion des zionistischen Gebildes in Palästina
bleiben; in Südafrika sind nach der schwarzen Revolution die meisten der Weißen auch da geblieben.“ Aber ich wollte zum Ausgangspunkt unserer Diskussion zurückzukommen und sagte: „Wenn hier Diskussionen
verboten, mit Gefängnis bestraft und totgeschwiegen werden, dann muß doch begrüßt werden, wenn überhaupt noch irgendwo etwas gesagt werden kann! Was ist denn das für eine Logik, auf die Gelegenheit, eine freie Rede
zu halten, zu verzichten, nur weil in jenem Land, wo z.B. Robert Faurisson noch frei in der Öffentlichkeit sprechen kann, auch nicht alles kosher ist?! War es nicht gut, daß Solschenizyn im Westen Gehör gefunden hat
damals?“
Aber mein jüdischer Freund ging gar nicht darauf ein, wollte nun von der Correctness-Diktatur nichts mehr wissen, wollte an den Iranern keine
gutes Haar lassen und sprach immer wieder nur von Israel. Dem Ablenkungs-Ballon entströmte weiter: „Die Araber haben das Land doch verkauft; wir haben es ihnen doch rechtmäßig und für gutes Geld abgekauft! Es ist
jetzt nun mal unser!“
Na klar, reiche Juden gäbe es viele, auch massenhaft korrupte Nichtjuden, dachte ich; die können die ganze Welt aufkaufen. Aber was haben sie am
Ende davon? Müssen sich am Ende eh nur mit denen rumschlagen, deren Eliten das Land verkaufen.
Auch die anderen Gesprächsteilnehmer dachten sich inzwischen nur noch ihren Teil; sie hatten es aufgegeben, auf den Effekt zurückzukommen, den
eine Teheraner Konferenz auf das europäische Geistesleben haben könnte. Die persuasion hatte vorzüglich funktioniert; die Abendgesellschaft war mit zionistischer Propaganda niedergewalzt worden.
So wird es wohl bei der PC-Diktatur bleiben müssen.
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