AUTO: -CHTHON & -NOM Nr. 24, 4. April 2006 Freiheit! – Übersicht –
„Nationale Anarchie“ – ernst zu nehmen? Interview mit Peter Töpfer in der Zeitschrift eigentümlich frei (Nr. 14, Mai 2001)
Herr Töpfer, Sie stellen sich mitten hinein in eine braune Neonazi-Demonstration mit der schwarzen Fahne der Anarchie in der Hand. Wie oft sind Sie dabei
grün und rot geschlagen worden – und wie oft sind Sie mit einem gelb-blauen Auge davon gekommen?
Was heißt hier „braun“ und „Neonazi“? Das sind volkstümliche Demos, an denen ganz verschiedene Strömungen des nationalen Lagers beteiligt sind, die
alle mehr oder weniger eint, daß sie in ihrer Eigentümlichkeit frei sein wollen. Ja, es gibt eine starke sozialistische Strömung, die durchaus auch anarchische Elemente hat, aber eben auch eine libertäre. Daran ist
man eigentlich inzwischen gewöhnt. Es hat einmal ein paar Angriffe gegeben, aber die sind sehr glimpflich verlaufen.
Sie verstehen sich gleichzeitig als „Nationalist“ und als „Anarchist“. Wenn Sie beides mit einem Satz definieren müssen, welche Sätze würden Sie
wählen?
Nein, ich bin kein Nationalist, genau so wenig, wie ich Anarchist bin, das heißt ich bin kein Fetischist, sondern, wenn Sie so wollen, Anarch und zurzeit
– national. Das Nationale ist einfach Teil des Lebens und auch der Wille, frei zu sein, frei als Individuum, aber auch frei als Gruppe. Das ist es im wesentlichen. Weltweit gibt es Befreiungsbewegungen der
Eingeborenen und Wilden, auch hier in der Gegend, aus der unter anderem auch die Imperialisten kommen.
Ist es richtig, daß sich die „braune Szene“ zwischen Ost und West deutlich unterscheidet? Oder trügt der Eindruck, daß in der ehemaligen DDR gewisse
Dumpfbacken mitsamt eher primitivem Ausländerhaß und wesentlich höherem Gewaltpotential überwiegen, gestärkt darin auch noch von einer breiten schweigenden Mehrheit an ihrer Seite, während die Neonazi-Szene in der
alten BRD wohl immer noch durch den Outlaw-Status geprägt ist und so vielleicht die würdigste Nachfolgerin der Punkbewegung darstellt? Mit anderen Worten: Radikale, teilweise individualistische Opposition gegen die
„Gesellschaft“ hier – und dumpfer kollektivistischer Mainstream-Ausländerhaß in Neufünfland? Alleine verachtet werden von fast allen hier – und mit zehn „Mann“ einen wehrlosen Obdachlosen
ermorden dort?
Kann es sein, daß Sie was gegen Ossis haben?
Ja, gewisse Erfahrungswerte!
Jedenfalls: So gut kenne Ich mich nicht in dieser Szene aus. Die NSler, die ich kenne, sind alle nette Kerle, ob nun Ossis oder Wessis. Bestimmtes dubioses
Menschenmaterial wird es im Westen genau so wie im Osten geben. Der Unterschied liegt wohl am ehesten darin, daß im allgemeinen die Menschen im Westen an mehr Leute mit fremder Herkunft gewöhnt sind. Ich sehe aber
keinen Grund dafür, warum sich die Ossis nun ihrerseits auch daran gewöhnen sollen.
Das ist ausländerfeindlich, oder?
Einen Moralismus in dieser Richtung finde ich penetrant. Mein Begriff von Eigentum geht weit über das rein Ökonomische hinaus. Die Wessis sollen ihre Ausländer
behalten; dagegen habe ich nichts einzuwenden. Sie dürfen auch gern unsere Ausländer mit dazu nehmen, wenn sie sich von ihnen so bereichert fühlen. Jeder soll selbst darüber entscheiden können, und alles soll auf
Freiwilligkeit basieren!
Sie vergessen wohl nur die Ausländer bei der „Freiwilligkeit“. Könnten Sie sich denn vorstellen, mit einer Jüdin und/oder mit einer dunkelhäutigen
Freundin zusammenzuleben?
Komische Frage. Wenn ich was für eine Frau empfinde, dann würde ich möglicherweise auch mit ihr zusammen leben wollen, ja. Inwieweit irgendeine Herkunft oder
sonst eine Qualität Einfluß auf meine Entscheidung hat, interessiert mich nicht weiter: Ich laß’ es fließen.
Sie beschwören auf der Titelseite Ihrer Homepage die Heimat als „Ukrane, Baiern, Nordland, Amazonien...“ Was ist Ihre Heimat?
Ich habe eigentlich keine. Übrig geblieben von ganz tief empfundener Heimatlichkeit, was sowohl die Landschaft, als auch die Menschen und unsere Sippe
betrifft, ist die Erinnerung an meine sächsische Heimat, von Leipzig und Umgebung, ein uriges, unbürgerliches Leben voller Gefühl, jedenfalls ansatzweise, aber immerhin! Meine zukünftige Heimat soll die Ukrane
werden, auf deutsch, der Besatzersprache: Uckermark.
Zu einem ganz anderen Thema: Sie sind angeblich im Zusammenhang mit einem Link auf die Religionsgemeinschaft Falun Gong vom Staatsschutz mit einer
Hausdurchsuchung heimgesucht worden. Können Sie uns bitte diesen Vorgang genauer schildern?
Na ja, es hat eine Anzeige der Berliner Rechtsanwältin Christa Parker gegeben; die glaubte offenbar, anständig sein zu müssen. Ihr Vorwurf ist irgend so was
wie „rechtsextremistische Propaganda“. Ich nehme zu dieser Anzeige in der nächsten Ausgabe der Elektrozeitschrift der nationalen Anarchie Auto: -chthon & -nom Stellung. Leider kann ich nicht mehr den nA-Netzort bearbeiten, weil mir mit dem Rechner die entsprechende Datei beschlagnahmt wurde. Ich mußte also einen neuen Ort für besagte neue Auto-Ausgabe
finden. Ansonsten prüft der Staatsanwalt gerade, ob hinter dem Verweis zu Falun Gong eine „rechtsextremistische Motivation“ steht. Auch eine Art eigentümliche Beschäftigung. In China sitzen Tausende
Falungonger in den KZs, über Hundert sind schon umgebracht worden, und in der BRD hat man offenbar nichts anderes zu tun, als den Opfern in den Rücken zu fallen. Ich bin ja im Rahmen meiner Mitarbeit bei der
Zeitschrift Sleipnir an absurdeste Repressalien des Staates, der seine eigenen Spielregeln – wen überrascht’s? – permanent mißachtet, gewöhnt: Es war unter anderem schon der neunte Computer, der uns weggenommen wurde. In der BRD stinkt es ganz gewaltig!
Ist es eigentlich wahr, daß Karl Nagel, der berühmt-berüchtigte Gründer der pogoanarchistischen APPD, inzwischen mit Ihnen und dem bekanntesten Neonazi der
BRD, Christian Worch, zusammenarbeitet?
Das ist richtig. Was Karls Verhältnis zu Christian betrifft, so beschreibt er dies auf seiner Internetseite. Es gibt auch einen ausführlichen Briefwechsel
zwischen mir und Christian auf den Internetseiten der nationalen Anarchie. Ich mag beide – Christian und Karl – sehr.
Ist es richtig, daß Sie zusammen mit Karl Nagel bereits ein „Querfront-Treffen“ veranstaltet haben, bei dem sich die systemoppositionellen Kräfte in
diesem Lande austauschen und gegebenenfalls zusammenarbeiten?
Auch das ist richtig. „Systemopposition“ klingt aber so politisch. Mit Politik wollen wir eigentlich nichts zu tun haben. Mehr dazu demnächst auf den
Internetseiten der Querfront.
Würde sich die Szene ändern, falls Karl Nagel zukünftig ein – in eigenen Worten – „Nazi-Schwein“ sein würde?
Abgesehen davon, wie sich Karl in Zukunft verhalten wird – natürlich haben seine Aktivitäten eine Schmelze von mentalen Panzerungen zur Folge, egal in
welchem der Lager. Die Dinge geraten ordentlich in Bewegung. Das hoffe ich jedenfalls!
Nun, was haben Sie als Anarchist eigentlich gegen freie Märkte einzuwenden?
Gar nichts! Das Schlimme ist ja, daß wir keinen freien Markt haben. Schlagartig würden nämlich aus einer Riesenherde von Schafen verantwortliche Menschen
– und schon hätten wir die Anarchie! Ich stimme Karl Marx und Reinhold Oberlercher zu: Die Vollendung des Kapitalismus ist seine Überwindung.
Wie meinen Sie das bitte?
Der Anarchokapitalismus ist ein faszinierendes Konzept. Besonders gefällt mir, welche Verantwortung die Einzelnen in ihm zugewiesen bekommen und wie schnell
viele Probleme mit einer radikalen Privatisierung vom Tisch wären. Ich befürworte auch eine gründliche Bodenreform: Jedem Menschen muß Eigentum an Wohnraum bzw. Land gegeben werden; das ist die Voraussetzung für
eine Entstaatlichung und eine Enthausschweinung, was wir in der nA-Sprache auch „Auswilderung“ nennen. Ich bin aber wohl nicht besonders risikofreundlich, wenn ich das anarchokapitalistische Konzept nicht
gleich umgesetzt sehen möchte. Ich bin nämlich zutiefst davon überzeugt, daß das Menschentier sich in jeder neuen Generation seinen guten Kern aufs Neue zerstört und damit die Notwendigkeit des Staates schafft, und
daß wir gleichzeitig im Rahmen von Staatlichkeit und Politik nicht glücklich werden können. Daß vom Willen zum Glück bei den meisten Leuten nur noch Spurenelemente vorhanden sind, ist dabei der Kern des Problems.
Lösungskonzepte im Rahmen von Staatlichkeit, wie sie immer wieder von neuem gedacht und dann auch verwirklicht werden, halte ich für illusionär und gefährlich. Ich bin für eine konsequente Dezentralisierung. Aber
ich teile z.B. den Absolutismus der Anarchokapitalisten nicht. Ich glaube nicht an absolutistisch vorgetragene Konzepte, ob sie sich nun im Rahmen der Staatlichkeit oder der Antistaatlichkeit bewegen. An einigen
Stellen wäre ein instanter Verzicht auf Staatlichkeit eine Katastrophe, solange wir etliche Milliarden Menschen auf der Erde sind, von denen einige nur zu gern ihrer neurotischen Destruktivität nachgehen würden.
Vernünftige Anarchokapitalisten sehen das übrigens ähnlich.
Gut, andererseits sollte man auch forsch zu Werke gehen. Ich glaube an die Möglichkeit, daß wir durch und in der Liebe diesen gewaltigen Apparat Schritt für
Schritt und behutsam herunterfahren und die Menschen wieder Freude an Freiheit und Verantwortung entdecken lassen können. Dazu ist vor allem eine freimütige Gesprächskultur vonnöten, bei der sich gegenseitiges
Vertrauen entwickeln kann. Es freut mich, daß eine Zeitschrift wie eigentümlich frei an einer solchen Kultur teilnimmt beziehungsweise diese mit aufbaut, um u.a. gemeinsam solch komplexe Fragen zu klären.
Das war ein schöner Schlußsatz! Herr Töpfer, wir danken Ihnen herzlich für dieses Gespräch.
Das Interview führte ef-Herausgeber André F. Lichtschlag.
Dem Interview vorangestellt wurde folgender Text:
Am Rande großer Ideen sammeln sich immer auch Außenseiter, Abenteurer und Exzentriker. Die individuelle Freiheit macht dabei keine Ausnahme. Die von Monty Python
karikierte „Judäische Volksfront“ und die „Volksfront von Judäa“ – all dies finden wir auch im Zusammenhang mit Fraktionen, die Freisinn, Eigensinn und Eigentum hochhalten. Ob Muschelsammler in
Kalifornien oder paramilitärische Militia in Wyoming, ob auf den Spuren von Henry David Thoreau subjektivistisch-ökolibertär oder auf den Spuren von Ayn Rand objektivistisch-technolibertär, gerade im
angelsächsischen Bereich wartet auf den neugierigen Freiheitssucher noch so manche – durchaus auch amüsante – Entdeckung. eigentümlich frei hat sich nie gescheut, auch abseitige Theorien vorzustellen, wenn sie nur im Zusammenhang mit dem Grundanliegen unserer Zeitschrift stehen. Wir sind davon überzeugt, daß die Leser dieser Zeitschrift sich ihr eigenes Urteil darüber bilden möchten, was abstrus ist – und was innovativ. Wir werden daher auch zukünftig immer wieder den – vermeintlichen – „lunatic fringe“, den „verrückten Rand“ der libertären Welt beleuchten. Auch in der BRD gilt es, dabei noch so einiges zu entdecken, von den „Genial-Liberalen“ bis hin zu den „Anarcho-Nationalen“, die wir Ihnen heute vorstellen möchten.
Der Herausgeber Peter Töpfer ist ein Nazi! Er demonstriert zusammen mit der NPD und sein Freund ist der bekannteste Neonazi der BRD, Christian Worch. Aber Peter
Töpfer versteht sich auch als Anarchist. Da fragen wir doch gerne mal nach. Auch – oder gerade weil – es politisch unkorrekt ist, lassen wir ihn in ef zu Wort kommen. Überraschungen sind
dabei nicht ausgeschlossen.
Töpfer wird aus einem seiner Texte zitiert:
Die nationale Anarchie tritt nicht „immer und überall für die Interessen der unterdrückten Masse ein“. Und zwar weil ihr die Masse (Herde) egal bzw. feind ist.
Sie geht möglicherweise Zweckbündnisse mit irgendeiner Masse ein, sie arrangiert sich zu ihrem eigenen Wohl mit ihr, sei sie nun unterdrückt oder nicht, aber niemals „immer und überall“. Die Masse interessiert
sich nicht für uns, solange sie ihrem Hirten folgt, warum sollen wir der Masse helfen? Natürlich sind wir um so freier, je mehr Freie es gibt. Die Masse aber will nicht frei sein; wo sie frei sein will, ist sie
keine Masse mehr. Wir können sie nicht „befreien“. Der Entherdete wird Anarchist und somit möglicherweise auch Kampfgenosse. Dann „treten“ wir auch füreinander „ein“; aber „Eintritt“ setzt
Nähe, territorial und emotional, voraus.
Kurzbiographie:
Peter Töpfer, geb. 1961 in Leipzig, rechtzeitig abgebrochener Bildungsweg, Berufsverbot, Initiator von nationale Anarchie und Mitinitiator von Querfront.
Folgendes Karl-Nagel-Zitat begleitete das Interview:
Nun sind die Medien die Hauptinformationsquelle, die einem Tag für Tag die „Beweise“ liefert, daß die „faschistische Gefahr“ unaufhörlich steigt. Selbst
die unglaublichsten Geschichten werden „sicherheitshalber“ erst mal geglaubt – dem „braunen Mob“ ist ja schließlich alles zuzutrauen, und man reiht sich willig in die Masse derjenigen ein, denen in
dieser Pogromstimmung mal wieder nur das altbekannte „verbieten – wegsperren – zuschlagen“ einfällt. Diesem blinden Vertrauen, das man hier plötzlich in die Berichterstattung der Medien setzt und
sich so zum Spielball fremder Interessen macht, steht die interessante Tatsache gegenüber, daß die Medienkonsumenten erstaunlicherweise kaum eigene Erfahrungen mit der „Nazi-Brut“ machen. Und Ihr wißt ja, je
weniger man über eine Sache weiß, desto blühender die Phantasie und die Bereitschaft, auch den größten Scheiß zu glauben! www.karlnagel.de
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