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Nationalanarchismus

 letzte Aktualisierung: 30. Mai 2007

Nationalanarchismus

AUTO:  Nr. 9
 

Kein Ende der Lügen, bis zum Tod nicht
Ein Beitrag zur Tolstoi-Forschung. Literarischer Tiefenrevisionismus
für Robert Faurisson

Einer der wenigen, die wenigstens in die Nähe eines Verständnisses der Seelenlage Lew Tolstois gekommen sind, ist sicherlich Stefan Zweig in einer seiner „historischen Miniaturen“, die den Band „Sternstunden der Menschheit“ bilden. Diese Miniatur trägt den bezeichnenden Titel „Die Flucht zu Gott“. Nichtsdestotrotz muß auch das dort entworfene Bild Tolstois revidiert werden, was im folgenden geschehen soll. Was verrückt ist, muß zurechtgerückt werden.

Zweig verklärt Tolstois Tod als „herrlich und vorbildlich“. Die wahren Umstände dieses Todes sind mitnichten als „herrlich und vorbildlich“ zu bezeichnen. Oder nur zu einem Teil. Die wirkliche Herrlichkeit und Vorbildlichkeit hätte eher stattfinden müssen, nicht in Tolstois 84. Lebensjahr. Wirklich „herrlich und vorbildlich“ wäre nicht Tolstois Tod gewesen, sondern das wäre Tolstois Leben gewesen, wenn er die Entscheidung zur „Herrlichkeit“ nicht wenige Tage vor seinem Tod, sondern viel eher, in der Blüte seines Lebens getroffen hätte.

Aber eine solche Entscheidung hätte nichts anderes bedeutet als daß Tolstoi nicht 84 Jahre alt geworden, sondern wenige Zeit darauf in der Blüte seines Lebens gestorben wäre, und zwar durch Selbstmord, Eigentötung oder Freitod (ich bin noch nicht im Besitz einer richtigen Bezeichnung für diesen Vorgang). Und es war nur ein anderer Eigentöter, Stefan Zweig, der ein einigermaßen profundes Verständnis Tolstois hat entwickeln können.

Der Teil am Tode Tolstois, der als „herrlich“ beschrieben werden kann, ist die Tatsache, daß sich Tolstoi einige Tage vor seinem Tod und nach 48 Jahren des Zusammenlebens mit Sofia Andrejewna von dieser getrennt, sich von dieser losgerissen hat. Doch gleichzeitig war dies eben doch nicht „herrlich“, weil Lew Nikolajewitsch wußte, daß er in wenigen Tagen sterben und das wirkliche Drama nicht mehr erleben wird. Zweig schreibt, Tolstoi sei nach „einigen ungeheuer dramatischen Auseinandersetzungen entflohen“. Doch indem Tolstoi diese Flucht mit 84 Jahren unternimmt, ist er dem wirklichen Drama seines Lebens, der wirklichen Auseinandersetzung mit sich selbst, ein Leben lang entflohen.

Immerhin hat er seine „dramatische Selbstbiographie“ Und das Licht scheinet in der Finsternis nicht zu Ende geschrieben, dafür „den letzten Akt der Tragödie“ zu Ende „gelebt“ (Zweig), ist also in eine paraliterarische Existenz übergegangen. Immerhin hat er sich von Sofia Andrejewna losgerissen. Aber um sein verlogenes Leben zu beenden und wirklich „herrlich“ zu werden, dazu wären diese Schritte einige Jahr vorher und mit dem Wissen des Weiterlebens nötig gewesen: Schritte, die er nie tun konnte, weil er nicht den Freitod sterben wollte. Verständlich, aber eben nicht ausreichend, um ein „vorbildliches“ Leben zu führen.

Es war Lew Nikolajewitsch nur möglich, sich von Sofia Andrejewna loszureißen, weil er wußte, daß er kein Leben ohne sie führen bräuchte. Hätte er es nicht gewußt, hätte er es nicht getan. Er wußte, sein Leben ist vorüber. Und er wußte immer, sein ganzes Leben lang, daß er den unmittelbar nahenden Tod abwarten würde müssen, um sich von Sofia befreien zu können. Daß er es nicht aushalten und sich eher umbringen würde.

Sein Losreißen von Sofia Andrejewna mag wie eine Befreiung, wie eine Lösung aussehen, war es aber nicht. Sein Losreißen von Sofia Andrejewna mag wie die Beendigung seiner Verlogenheit aussehen, aber es muß das schlimmste Urteil über Lew Nikolajewitsch Tolstoi gefällt werden, ein Urteil, das er geahnt hat und dem er sich nur entziehen konnte, indem er „flehend die Hände zu Gott aufhebt, er möge ihm beistehen und für ihn den Zwiespalt enden“, wie Zweig schreibt: der Zwiespalt zwischen dem Dasein als Fotzenknecht und Selbstmörder.

Gott wird ihm nicht beigestanden haben, weil er es nicht kann, weil nur Lew Nikolajewitsch selbst es in seiner Hand hatte, ein wirkliches Leben in Wahrheit zu leben und nicht immer nur und Jahrzehnte lang davon zu sprechen und zu schreiben. Und nur Lew Nikolajewitsch wird das Urteil erahnt haben, er wird sich gesagt haben: „Lew Nikolajewitsch, du hast versagt, du hast nie verwirklicht, wovon du dein Leben lang geträumt hast. Du tust jetzt, wo du merkst, daß du sterben wirst, das, was du hättest Jahrzehnte vorher tun müssen, wozu du aber nicht den Mut hattest. Und damit ist meine Befreiung ungültig.“ Wiedervereinigung annuliert – Kanzler Kohl war gedopt.

Sicher hat Zweig recht, wenn er von Mut spricht, den Tolstoi wenige Tage vor seinem Tod aufgebracht hat, als er sich von Sofia Andrejewna losgerissen hat. Aber das furchtbare Urteil lautet: Es war nur ein Mütchen. Weil er wußte, daß er von den Qualen der Trennung erlöst wird, weil er die Trennung nicht mehr erleben, weil er sterben wird. Mut wäre gewesen, diesen Schritt mitten im Leben zu gehen. Mut wäre gewesen, die Höllenqualen der Trennung, der Ent-Bindung, vorher, mit Aussicht auf weitere Jahre des Lebens zu erleben. Mut wäre gewesen, sich diesen Höllenqualen zu stellen und sie, wenn es sein muß, jahrelang zu erleiden und zu verschmerzen.

So aber muß das schreckliche Urteil über Lew Nikolajewitsch gefällt werden: Du hast versagt und bist gescheitert. Dein Reden von Wahrheit und Echtheit – alles verlogen. Verschachert hast Du die Kritik der Verlogenheit, auf daß Sofia Andrejewna ein buntes Leben führen und sich in Deinem Ruhm sonnen konnte. Das ist die „Wahrheit“. Passend und bezeichnend dazu der Titel eines Buches von Pjotr Kropotkin: „Ideale und Wirklichkeit in der russischen Literatur“ (Zürich 2003).

Sicher lag im jahrelang vorgetragenen Bekenntnis zur Schwäche und zur Unvollkommenheit keine Koketterie. Tolstoi war tatsächlich schwach. Er war nicht so schwach wie jene, die sich ihrer Schwäche nicht bewußt werden können; für all diese mußte Tolstoi wie ein Starker erscheinen. Aber gleichzeitig war Tolstoi noch schwächer als er es sich hätte eingestehen können. Diese Schwäche hat er nie an sich erleben, wirklich erkennen wollen. Er hätte sie nicht ausgehalten, er hätte sich umgebracht oder wäre wieder zurück zu Sofia Andrejewna gekrochen.

Zweigs Verklärung Tolstois Urschwäche zu Stärke, die seines Todes zu einem, „der seinem Lebensschicksal die vollkommene Formung und Weihe verleiht“ (die Verwandlung von Leben in Kunst! – eine andere Art, mit einem Zwiespalt scheinbar fertig zu werden) muß revidiert werden: Tolstoi war nicht stark. Tolstoi hat gemogelt, hat sich selbst betrogen bis in den Tod hinein. Dieses Urteil ist unendlich hart. Tolstoi hätte stark werden können, wirklich stark, indem er viele Jahre früher seiner wirklichen Schwäche, von der selbst er, der nur von seiner Schwäche geredet hat, nicht wußte, in die Augen gesehen hätte. Aus dieser Krise wäre er erstarkt, wirklich erstarkt hervorgegangen. Das wäre die „Krise zur Befreiung“ gewesen. Denn Zweig schreibt, kurze Zeit, bevor er sich selbst dem Schmerz des Lebens entzieht: „In den letzten Oktobertagen des Jahres 1910 wird das Schwanken eines Vierteljahrhunderts endlich Entschluß, Krise zur Befreiung.“

Dieser „Entschluß“ ist billig, er war das mindeste, was Tolstoi tun mußte. Er mußte wenigstens wenige Tage in den Hauch des Genusses von Echtheit kommen, er mußte der Verlogenheit wenigstens noch einige Tage entkommen. Aber ist er ihr denn entkommen? Ist er noch echt geworden? Nein, er ist nur noch dem Tod entgegengedämmert, mit dämmrigen Gedanken an „Gott“, die ihn vor dem Fühlen der Entbindungsschmerzen bewahrten. Nur das Fühlen dieser Schmerzen hätte die Echtheit und das Ende der Lügen und das Hinwenden zum Leben bedeutet. Dazu war Lew Nikolajewitsch zu schwach, schwächer als er selbst ahnte.

Lew Nikolajewitsch ist nie zur Echtheit gelangt, er hat nie seinen Traum wahr gemacht; seine Sehnsucht, die er ein Leben lang leidend in sich trug, ist nie befriedigt worden. Immerhin scheint er Sofia Andrejewna die Rechte an seinem Werk entzogen zu haben. Und wenn sich das verlogene Geschmeiß der Bildungsbürger mit seinen Romanen die Wände und die Hirne pflastert, so hat Stahlfotze Sofia Andrejewna wenigstens keine Kopeke mehr daran verdient.

Zweig läßt Tolstois Arzt Duschan Petrowitsch verklärend sagen: „Dieser Tod erst erfüllt und heiligt sein Leben.“ Geheiligt bestimmt, aber nicht erfüllt.

Wir wissen nicht, ob Johann Caspar „Stirner“ Schmidt ein erfülltes Leben hatte; wohl eher nicht. Wir wissen aber, daß er sich von „meinem Liebchen Marie Dähnhardt“ entbunden hat, als er die Verlogenheit der Bindung erkannte, und daß er die Entbindung, die vollständige postphilosophische Entdinglichung und die Einsamkeit mutig ertragen hat und etwas echter war als der verdingichte Literat Lew Nikolajewitsch Tolstoi oder der verdinglichte Philosoph Karl Heinrich Marx, der sein Leben ebenfalls nicht geändert und die Lösung in eine kommunistische Zukunft gedämmert hat.

Wahrscheinlich kann man nur von Leuten wie Kurt Cobain sagen, daß sie ihre Verdinglichung abgelegt haben. Sie haben sich vollständig entdinglicht.

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