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AUTO: Nr. 10, April 2004
Fußballrevisionismus
Nachdem sich der in allen Medien bis zur Vergasung beworbene Spielfilm "Das Wunder von Bern“ als eine totale Pleite herausgestellt hat,
bei der nur Politiker weinen können und mit der – wie vieles andere heutzutage – ein kontrollierter und politisch korrekter Patriotismus promoviert werden soll, hat es im Fernsehen ein regelrechtes
kleines Wunder gegeben, zumindest einen sehr guten Dokumentarfilm, der sehr zu empfehlen ist: "Das Wunder von Bern – die wahre Geschichte" von Guido Knopp und Sebastian Dehnhardt. (Wird bestimmt noch
ein paar mal ausgestrahlt.)
Der Film ist sehr gut gemacht, informativ, einfühlsam und wird dem Kult gerecht. Was die strittigen Dinge und Mythen angeht (Doping,
Schiedsrichterentscheidungen usw.), so werden im Film Fragen gestellt, jedoch nicht, wie in den Ankündigungen anklingend, Behauptungen ins Blaue hinein aufgestellt oder Beweise geliefert.
Man erfährt auch Neues, z.B. daß in der 58. Minute noch der Ausgleichstreffer der Ungarn zum 3:3 fiel. Der Schiedsrichter hatte den Treffer
bereits gegeben, jedoch fuchtelte der Assistent vom rechten Rand, und schließlich wurde das Tor wieder aberkannt. Trotz der vielen, zum ersten Mal der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Filmaufnahmen, die alle
nicht das Geschehen aus dem richtigen Winkel zeigen, wird dieses Tor wie das von Wembley ’66 ewig ein Geheimnis bleiben.
Sehr traurig die weiteren Schicksale sowohl der ungarischen als auch der deutschen Spieler. Die Ungarn waren am Boden zerstört, und die Trauer
haben die meisten von ihnen nie, bis an ihr Lebensende nicht, ausweinen können. Das letzte Wort des ungarischen Trainers im Totenbett zu seinem damaligen Spielführer: „Wir haben verloren.“
Nicht minder traurig, wenn auch makaber und galgenhumorig, was man über das spätere Schicksal des „Helden von Bern“ Helmut Rahn erfährt,
der, wie viele andere deutsche Spieler, „den Ruhm nicht ertragen hat“, Alkoholiker geworden ist und die letzten 20 Jahre seines Lebens in den Kneipen des Ruhgebiets die Frage zu beantworten hatte: „Helmut, nu
erzähl mich dat noch ma: Wie war dat mit dem 3:2?“
Die eine Million Euro, die der Film gekostet hat, waren gut angelegt: Revisionismus auf der Höhe!
Interessierte kommen weiter am 31. Mai (ARD) und am 4. Juni (BR) auf ihre Kosten, wenn die ARD mit einer eigenen Dokumentation zum Thema
aufwartet, die viel bislang unveröffentlichtes Material enthalten soll.
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