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AUTO: Nr. 10, April 2004
Serge Thion: Wir Antiimperialisten sind Feinde des Terrors
Es reicht, daß Bomben knallen, und schon stürzen sich kleine, korrupte, schicke Schals tragende Intellos, die Huren der ideologischen
Kriegsagenturen, auf uns, auf alle, die noch den großen Hegemonien, der Herrschaft des Marktes, der amerikanischen und zionistischen Herrschaft, der Herrschaft des Konsumtotalitarismus oder einfach nur der Diktatur
der Dummheit widerstehen. Nach dem Horror von Madrid konnte man – z.B. im Corriere della Sera – Artikel lesen, in denen versuchte wurde, das Campo antiimperialista, das den irakischen
Widerstand unterstützt, und die Revisionisten um den „Neonazi Faurisson“ mit den Attentätern in Verbindung zu bringen. Diese Behauptungen sind aberwitzig, aber weiß man, was in den Köpfen von Polizisten
abgeht, in denen lauwarme Abwässer von Zionisten einsickern?
Wir, die Widerständler – das wäre eine treffendere Etikette –, wir sind Feinde des Terrorismus. Die Arbeiterbewegung und die revolutionären
Bewegungen haben immer ihre Feindschaft gegenüber dem Terrorismus betont. Bis hin zu Leo Trotzki, der ein kleines Buch gegen den Terrorismus – die Versuchung der politisch Schwachen – geschrieben hat.
Manche unter uns in dieser Truppe von Widerständlern haben nach dem Mai ’68 bei kleinen Gruppen von Möchtegernanarchisten schwere Überzeugungsarbeit
geleistet und diese davon abgehalten, sich der Freude im Umgang mit Sprengstoff hinzugeben. Wir haben dabei mehr Glück gehabt als unsere deutschen und italienischen Genossen, die das Aufkommen einer mörderischen
Gewalt nicht aufhalten konnten, welche nicht nur völlig unschuldige Leute, sondern auch das politische Leben dieser Länder auf Generationen hin getötet hat. Der Terrorismus erzeugt immer Kettenreaktionen, deren
zerstörerische Wirkungen nicht abzusehen sind. Sein einziges dauerhaftes Ergebnis ist das Ansteigen der Repression. Wenn wir glauben würden, daß der Terrorismus irgendeinen Wert hat, würden wir kleine
Sprengstoffbrötchen kneten anstatt in die Tasten zu hauen.
Deshalb staunen wir über das Theater, das man mit einem Rote-Brigade-Mörder veranstaltet, der nichts anderes zu seinem Recycling gefunden hat als –
Mordgeschichten zu schreiben. Dieser Cesare Battisti hat, wie viele Tausende junge Italiener zur damaligen Zeit, eine Entscheidung getroffen, nämlich die, zum „bewaffneten Kampf“ überzugehen. Und in diesem
bewaffneten Kampf auch zu töten. Absolut nichts hat damals dergleichen gerechtfertigt. Die italienische Demokratie war sicher keinen Hasenfurz wert, aber diese jungen Leute, die in einer Art Kult des italienischen
Widerstandes gegen die Nazis und die Faschisten aufgewachsen sind, haben geglaubt, das sei das mindeste, das sie tun müssen, um mit dem mithalten zu können, was ihnen die vorherige Generation, die nichts als Gewalt
und Mord kannte, vorgemacht und vermacht hat. Der Widerstand hat fast für alle als politisches Alibi hinhalten müssen; alle wollten so schnell wie möglich die Kompromisse, die sie mit dem faschistischen Regime
eingegangen waren, so schnell wie möglich verdrängen. Und je mehr Zeit verging, desto bedeutender erschien der Widerstand. Mit diesen irreführenden, trügerischen und lügnerischen Vorbildern, die keiner Revision
unterzogen wurden, sind jene jungen Leute vergiftet und aufgeheizt worden, die das Gros der Roten und ähnlicher Brigaden gestellt haben.
Das war ein gefundenes Fressen der Geheimdienste, die nun wahre Orgien feiern konnten. Alle – die italienischen, amerikanischen, israelischen und andere
Dienste – hatten nun nichts anderes mehr zu tun als diese armen Irren, die mit den Pistolen spielten wie Kinder mit Reifen, zu manipulieren. Als dann diesem Revolutionstheater die Luft ausging, haben die, die
noch auf freiem Fuß waren, mit einem Male keine Lust mehr gehabt, den Helden zu spielen, und sich aus dem Staub gemacht: nach Paris.
Dort hat sich ein inzwischen von einer tauben und blinden Linken zum Präsidenten der französischen Republik gemachter Betrüger großen Stils gerade gefragt, was
er denn tun könnte, um, während er eine rechte Wirtschafts- und Sozialpolitik betrieb, als Linker zu erscheinen. Die Sache mit den blöden Italienern kam ihm gerade recht. Wie ein König gewährte er ihnen Asyl, was
nicht nur illegitim, sondern auch illegal war: Das unserer monarchistischen Tradition entstammende Privileg der Gnadengewährung kann erst nach einer Verurteilung zur Anwendung kommen. Diese Leute aber waren damals
erst einmal nur Fahndung ausgeschrieben. Und zwar wegen verschiedener Taten, die nach französischem Recht die Kriterien von Verbrechen erfüllen. Man hat also einer dreifachen Lüge beigewohnt: Mitterand gab erstens
in dieser Angelegenheit vor, „im Namen Frankreichs“ zu sprechen; dazu hatte er aber kein Recht, denn er war kein König, der sich über die Gesetze hinwegsetzen kann. Zweitens hatte er kein Recht zur
Begnadigung, bevor nicht ein Gericht zu einem Urteil kommt. Drittens – und die Italiener tun so, als hätten sie das vergessen – hatte Mitterand, der Innenminister gewesen war und der das Blut von
Hingerichteten an seinen Händen hatte (insbesondere das des kommunistischen Aktivisten Yveton), von dieser Art Amnestie eben gerade jene ausgeschlossen, die Blutsverbrechen begangen hatten, was sehr wohl bei unserem
Battisti der Fall war, dem die italienischen Untersuchungsrichter vier Morde vorgeworfen hatten.
Wir können uns keine Meinung über den Realitätsgehalt dieser Vorwürfe machen, und die italienische Gerichtsbarkeit hat in letzter Zeit nichts getan, wofür wir
sie bewundern könnten. Das italienische Recht kennt leider keine Verurteilung in Abwesenheit. Aber man muß schon sehr staunen, wenn man die Massen von Intellos sieht, die nicht mal wissen, wie eine Spritzpistole
funktioniert, wie sie sich zur Verteidigung dieses Battisti einsetzen, der – das kann man nicht überhören und übersehen – ein ekliger Brutalo ist, der seinen Nachbarn Angst einjagt und sie mit dem
Tod bedroht und dem es wie den meisten nach Frankreich geflüchteten Rotbrigadisten nur um eins geht: sich der Verantwortung zu entziehen. Sie sind den Weg der Waffen und des Mordes gegangen, und in dem Augenblick,
wo es darum geht, Rechenschaft abzulegen, weigern sie sich, sich ihrer – sicher schweren – Verantwortung zu stellen. Hat diese alternden Intellos, die an die Gefängnispforten scheppern, die Moral und der
Sinn für Verantwortung verlassen? Besteht die heutige Moral darin, sich allem zu entziehen, wie es jener jämmerliche Cantat1 tut? Mehr kann man wohl von ehemaligen Althusser-Jüngern auch nicht erwarten…
Der Terrorismus kommt den repressiven Mächten sehr entgegen. Eine kleine Bombe sorgt für ein paar Gesetzesartikel, mit denen die Bürger so schnell und
gründlich ihren Maulkorb verpaßt kriegen wie es ganze Kolonnen von Grünuniformierten nicht könnten.
Die kleine Bande von Schurken um den erbärmlichen Bush hat soeben vor dem US-Parlamentsausschuß, der sich mit dem 11. September befaßt, zugegeben, daß sie
schon seit der Pseudowahl ihres Hampelmanns die Invasion des Iraks geplant hat, man das aber erst nach dem 11. September ins Werk setzen konnte. Man hat sich das schon gedacht, aber man hört es trotzdem gern. Der
11. September war geweihtes Brot für diese Kamarilla. Die noch immer unbekannten Attentäter vom 11. September waren diesem Dreckspack von große Hilfe: Jetzt konnten ihre Bomber aufsteigen und Menschenleiber
zerfetzen.
Soweit, zu sagen, daß diejenigen, die die Tyrannei über die Welt ausüben, selbst die Attentäter sind, sind wir nicht gegangen. Gewiß haben wir den kleinen
prophetischen Text Gianfranco Sanguinettis nicht vergessen, in dem er in den 70er Jahren aufgezeigt und bewiesen hat, daß es nur einen Terrorismus gibt: den des Staates. Diese Feststellung bleibt wahr in den
allermeisten der Fälle. Sicher können wir aber nur einer Sache sein: Die offizielle Version ist nicht wahr. Indizien deuten darauf hin, daß Dienste in diese Affäre verwickelt waren. Als Beobachter oder als
Manipulatoren? Das läßt sich nicht beantworten. Es stimmt auch nicht, daß der 11. September den Beginn eines neuen Zeitalters darstellt, das sich radikal vom vorhergehenden unterscheidet, daß „jetzt nichts mehr ist,
wie es vorher war“. Die Aggressionen der us-imperialen Maschinerie kommen wellenförmig daher. Manchmal marschiert man in Panama, in Grenada, in Haiti ein. Dann bombardiert man wieder den Sudan, Libyen und den
Libanon (Mitterrand) aus der Ferne. Dann stößt man zum Schein in den Libanon, nach Somalia oder, unter Carter, in den Iran vor. Oder – vor allem in politischen und wirtschaftlichen Krisen – man macht
richtige Eroberungen: Korea, Vietnam, Irak.
Der 11. September hat nur die Sache vereinfacht, war eine Invasionshilfe, die von besonders großem Wert bei der Ruhigstellung einer Öffentlichkeit ist, die
riesige Ausgaben zu schlucken hat. Die Toten und Verwundeten werden versteckt: Im Lande der „Pressefreiheit“ ist es z.B. unmöglich, die schwarzen Plastiksäcke zu filmen, in denen die Armee jede Nacht die
Leichen der im Irak getöteten Soldaten nach Hause bringt.
Doch wenn man vom richtigen Terrorismus spricht, so würde die einfache Beschreibung der Taten und der Methoden der zionistischen Invasionsarmee in Palästina
mehrere Bücher ausfüllen. Der letzte Terrorakt hat sogar die am meisten abgehärteten Leute schockiert: Der Raketenangriff auf einen alten Mann im Rollstuhl – Scheich Jassin – ist eine unglaubliche und
absolut selbstmörderische Provokation. Wenn eine Besatzungsarmee einen Heiligen tötet – und dieser Mann war für alle in dieser Region eine Art Heiliger –, dann tut sie das, weil sie sich selbst zerstören
will; dann will sie alles liquidieren, worauf sie einst gegründet wurde. Hitler und Stalin sind wahre Waisenknaben im Vergleich mit Scharon.
Wenn man zu dieser permanenten Katastrophe die Erfolge der Verblödeten, der Stumpfsinnigen, der Loser, der Debilen, der Alkoholiker und der Feiglinge, die das
Gros der US-Armee stellen, in Ländern wie Afghanistan und Irak hinzuzählt, die Massaker aus der Luft, die Komplizenschaft mit den blutrünstigen „Warlords“, die wahllosen Schüsse in Menschenmengen, die
Massenverhaftungen und die Eröffnung von Konzentrationslagern mit Abteilungen für totale Isolierung ohne jegliche Sinnesreizung, dann ist die Bilanz des Globalterrorismus eine niederschmetternde. Die Russen und die
Chinesen nutzen das aus und begehen ihrerseits schwerste Verbrechen gegen Minderheitenvölker (Tschetschenen, Inguschen, Kasachen, Tibeter usw.).
Wenn nun diese riesigen Militärapparate mit Panzern und Blitzen über Länder, über ganze Völker herfallen und diese terrorisieren, dann setzen sie ein Phänomen
in Gang, das so mächtig ist wie der Wüstensturm: das Recht, gegen eine Eroberung und eine Besatzung Widerstand zu leisten. Muß man an dieser Stelle daran erinnern, daß es dieses Recht ist, das – symbolisch
– der Republik, in der wir leben, die Legitimierung verleiht, deren Gründervater die Inkarnation jener résistance gegen die Invasion und die Okkupation des nationalen Territoriums darstellt?
Der Widerstand ist keine Pflicht – jeder tut, was er für richtig hält –, aber ein Recht. Und nichts in der Welt kann ein Recht wie dieses außer
Kraft setzen. Die Iren haben 800 Jahre beständigen, eisernen, niedergeschlagenen und ausgehungerten Widerstandes gebraucht, der noch immer nicht vollendet ist, um ihren Boden von der widerlichen Meute englischer
Soldaten und Geschäftemacher zu befreien. Die Palästinenser leisten seit 1936 ohne Unterbrechung und mit ungeheuren Opfern Widerstand, um das Recht an ihrem Boden wiederzuerlangen, das ihnen barbarische Immigranten
aus allen Ecken der Welt bestreiten. Die Afghanen leisten Widerstand wie sie es bereits gegen die sowjetische Invasion und Okkupation getan haben. Die Iraker leisten Widerstand – das Krachen ihrer Bomben
erreicht uns fast jeden Tag. Das Widerstandsrecht ist ein unveräußerliches und unbestreitbares Recht. Dieses Recht erlaubt den Einsatz von Waffen und aller Mittel der Kriegsführung, um den Eindringling aus dem Land
zu treiben. Die Roten Brigaden hatten nicht dieses Recht (sie haben zu keiner Zeit die amerikanischen Okkupanten angegriffen), aber die Iraker haben es, individuell und kollektiv.
Was den außerordentlich gewaltsamen Terrorismus der Attentate in Bali, Istanbul und Madrid angeht (es werden noch mehr folgen), so ist der Fall etwas
komplizierter. Man weiß über die Attentäter wenig, und man mißtraut der Presse, die der Macht und ihrer Polizei zu Diensten ist. Diese Dinge sind alles andere als klar. Die Araber, die man uns im letzten Jahr in
Hamburg als Komplizen der Attentäter vom 11. September präsentierte, sind aus Mangel an Beweisen freigelassen worden. Was soll denn dieses ganze Theater? Die Amerikaner rücken kein Ermittlungsergebnis heraus. Sie
behalten den wunderbaren Zacharia Moussaoui im Knast, weil sie nicht wissen, wie sie ihre eigenen Gesetze umgehen können!
Wir verurteilen diese blinden Gewaltakte, denen unschuldige Menschen zum Opfer fallen. Doch wenn Mary Kelly über den Zaun des Militärstützpunktes im irischen
Shannon springt und ein Transportflugzeug der Armee mit dem Beil angreift, würden wir sie am liebsten in Stein meißeln. Es gibt in Europa mehrere Hunderte amerikanische Militärstützpunkte. Sie sind das kaum noch
wahrgenommene Ergebnis einer Invasion und Okkupation, besonders Deutschlands und Italiens. Andere befinden sich in England, in Spanien, in Griechenland, in der Türkei, in Bosnien und im Kosowo (ein Teil Serbiens)
und werden bald noch mehr sein. Dort müssen die Prinzipien des Widerstandes konkret verwirklicht werden. Es ist schön, gut und richtig, in den Straßen auf Demonstrationen den irakischen und den palästinensischen
Widerstand moralisch zu unterstützen. Noch besser wäre es allerdings, dem Beispiel von Mary Kelly zu folgen, für 10 Euro das Stück eine Axt zu kaufen und diese Schweinereien von amerikanischen Militärstützpunkten
auseinanderzunehmen, diese Agentennester, Lagerplätze für Massenvernichtungswaffen und Flugplätze für Bomber, die die ganze Welt heimsuchen. Außerdem sind sie zum Schutz unserer verrotteten und korrupten Regierungen
da!
In einem vergessenen, 1945 in London erschienen Buch schrieb ein Lobredner der englischen Armee, daß „die Bomber die Zivilisation gerettet“ hätten
– gemeint war die der City, der Banken, die von Whitehall und die von Lloyd (J. M. Spaight, „Bombing Vindicated“). Um unsere Zeit verstehen zu können, muß man dieses Buch lesen. Wer, wie ich, mehrere
Bombardements der US Airforce von unten miterlebt hat, weiß, was Terrorismus heißt und was der wahre Terrorismus ist. Der Einsatz der „fliegenden Festungen“, wie man in den 50er Jahren sagte, die Bomben auf
Sie abwerfen, ohne daß man sie auch nur am Himmel sehen oder hören könnte, so hoch fliegen sie, ist das Instrument des absoluten Terrors, der absoluten Ohnmächtigkeit der Massen von armen Leuten, die in alle
Richtungen rennen, um lächerliche Unterstände zu finden.
Als die Roten Khmer 1975 die Amerikaner aus dem Land gejagt haben, sind sie aus den Wäldern auf den Flugplatz von Battambang im Westen des Landes gekommen. Die
jungen Bauernsoldaten, die einige der schlimmsten Bombardierungen unserer Zeit erlitten haben, haben sich über die Flugzeuge hergemacht, die aufgegeben am Rande der Startpiste standen, und haben sie mit ihren bloßen
Händen ins Stücke zerschlagen. Die Wut hat ihnen die Kraft dazu verliehen.
Die Todesvögel haben eine Schwäche: Sie müssen landen. Dann müssen wir da sein mit erhobener Faust. Machen wir Schrott aus ihnen! Dann wird die Menschheit
wieder aufatmen können.
24. März 2004
(1) Bertrand Cantat, Sänger der Rockgruppe „Noir désir“, hatte im Juli 2003 in Vilna (Litauen) seine Freundin, die Schauspielerin Marie Trintignant, zu
Tode geprügelt; heute, am 29. März 2004, von einem Vilnaer Gericht wegen Totschlags zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.
Aus dem Fanzösischen von Peter Töpfer Quelle im Netz: http://aaargh-international.org/fran/actu/actu04/ggb04/ggb0404.html
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