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AUTO: Nr. 11, Juni 2004
Hans Dreispanner: Der anti-imperialistische Reichsgedanke
In den Veröffentlichungen der volkstreuen Szene stößt man immer wieder auf ein Bekenntnis zum „Reich“. Doch was versteht man unter dem
Begriff „Reich“? Ich persönlich vertrete auch einen Reichsgedanken. Aber im Gegensatz zu den Deutsch-Nationalen sehe ich im Reich etwas vollkommen anderes als lediglich eine andere Bezeichnung für einen
erweiterten deutschen Nationalstaat. Das Reich bezieht per definitionem mehrere Völker in seine Ordnung ein. Darüber hinaus zeichnet sich das Reich durch seine föderale Ordnung aus. Das Reich war niemals ein einheitlicher Staat mit einer einheitlichen, von einer Spitze ausgehenden Ordnung wie die westeuropäischen Nationalstaaten jakobinischer Prägung. Zum Deutschen Reich (vom frühen 10. Jahrhundert bis 1254) gehörten große Fürstentümer ebenso wie kleine ritterschaftliche Territorien, freie Reichsstädte und Gebiete mit einer theokratischen Ordnung. Darüber hinaus versucht das Reich seine innere Gestalt nach einer transzendenten Seinsordnung auszurichten. Das muß nicht unbedingt christlich verstanden werden, wenngleich dies im Ersten Reich der Fall war. Der Nationalstaat hingegen ist nach seiner bloßen Nützlichkeit ausgerichtet.
Nach dieser Definition vom Reich als föderale europäische Ordnungsvision waren sowohl das zweite deutsche Kaiserreich (1871 bis 1918) als auch das
sogenannte Dritte Reich (1933 bis 1945) von ihrer inneren Struktur her überhaupt nicht reichisch. Der hitleristische Kampfruf „Ein Volk, ein Reich ein Führer!“ hatte mit dem ursprünglichen Reichsgedanken
nichts zu tun und hätte eigentlich „Eine Nation, ein Staat, ein Führer!“ lauten müssen.
Sicherlich wurde der Hitler-Staat durch den Verlauf des Krieges ein wenig reichisch, als Gedanken laut wurden, man solle als Ergebnis des Krieges
ein „Großgermanisches Reich deutscher Nation“ bilden. Sogar darüber hinausgehende gesamteuropäische Reichsideen wurden entwickelt, leider nur im Keim und ohne von der obersten Führung aufgegriffen und ehrlich
angestrebt zu werden, zum letztendlichen Schaden Deutschlands selbst.
An dieser Stelle sei nur stellvertretend für andere der Name Gerhard von Tevenar genannt. Tevenar kam aus der bündischen Jugendbewegung (er war
als junger Mensch Mitglied der „Schill-Jugend“), hatte sich aber auch frühzeitig der NSDAP angeschlossen. Allerdings vertrat er Vorstellungen, die mit den hitleristischen nur schwer in Übereinstimmung zu
bringen waren. So hing er beispielsweise der Auffassung an, daß nicht in den „Staats-Nationen“, sondern in den „Stämmen“ die Wirklichkeit der Gemeinschaften liege. Diese Vorstellungen Tevenars sind
ziemlich deckungsgleich mit der von Friedrich Hielscher entwickelten Konzeption des Reichs als einer europäischen Ordnungsvision, in der die Stämme sich zu einer Art Eidgenossenschaft, einem Bund, zusammenschließen
sollten.
Hier fügt sich auch der Aufsatz „Rufet die Geister“ von Günter Kaufmann in der Ausgabe 04/1942 der HJ-Führerzeitschrift Wille und Macht ein, der die deutsche Kriegsführung scharf kritisierte und der zu einem Parteiauschluß Kaufmanns führte. Kaufmann forderte in seinem Aufsatz u.a., daß versucht werden soll, statt die Völker im Osten Europas zu unterwerfen, diese für die Aufgabe zu gewinnen, an der Seite Deutschlands gegen den Bolschewismus zu kämpfen – und das unter der Zusage, deren volkliche Identität und Eigenstaatlichkeit zu fördern und zu schützen. Die unheilvolle Unterteilung in „Herrenrasse“ und „Untermenschen“ sollte beendet werden. Kaufmann forderte eine neue Form des Zusammenlebens der Völker: Ein Europa, das Romanen, Germanen, Kelten, Balten und Slawen als eine große Familie beherbergen soll, in der kein Volk sein Eigenes aufgeben muß, aber auch niemand das Gefühl zu haben braucht, minderwertig zu sein.
Leider haben sich im Hitler-Staat die Vorstellungen eines Gerhard von Tevenar, eines Friedrich Hielscher, eines Günter Kaufmann u.a. nicht
durchsetzen können. Um so wichtiger erscheint es mir heute auf das Modell eines anti-imperialistischen Reichsgedankens hinzuarbeiten und zu verhindern, das erneut der jakobinische Zentralstaat im reichischen
Tarnkleid in die Geschichte eintritt.
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