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Nationalanarchismus

 letzte Aktualisierung: 30. Mai 2007

Nationalanarchismus

AUTO:  Nr. 12,  Juli 2004


Kalke: Das Paradies (Bilder)

Die gekräuselte blaugrüne Oberfläche der See streckte sich ungebrochen in die Weite. Ein weißes Boot glitt langsam darüber. Das Segel zerrte leicht am Masten und der Hand des daneben stehenden Mädchens, während sich das Verdeck langsam hob und senkte im stetigen Tanz mit der See. Außer einer zierlichen Perlenkordel um den Hals, an der ein goldenes Schlüsselchen hing, war das Mädchen unbekleidet. Haare dunkel, wie die Tiefe der Nacht, wie feuchte Baumrinde die Augen, diese zu beschatten, hob es seine freie Hand und blickte prüfend hinaus auf die einsame See.

Diese hatte sich jetzt verändert. Kobaltblaue Kugeln ballten und türmten sich inmitten dunkelgrüner Flecken, eine der anderen folgend, denn der Morgen war Mittag geworden, und das tiefe Blau der Himmelskuppel war nur zuweilen von dahinziehenden Wolkenfetzen unterbrochen.

Dann kam ein Strand mit goldgelbem Sand und schwarzen Felsen, und dahinter war ein Palmenhain, hoch beschirmt und herrisch, und sie ließ das Segel fallen, kniete nieder, nahm die Ruderpinne und steuerte ihr Fahrzeug darauf zu, bis dieses sacht den Sand berührte. Sie zog es an der Trosse hoch, befestigte es am Bug, bis es zuletzt an den knorrigen Wurzeln einer Palme ruhte und sicher war, denn es hatte ihr wohl gedient und sie wünschte nicht, daß es von mutwilligen Wellen hin und hergestoßen werde.

Sie nahm ihre Schnürsandalen vom Schiffsboden, zog sie an und blickte über den Strand hinweg. Sie schüttelte ihr langes Haar, durchzog es achtlos mit ihren Fingern, um es zu lösen und betrat den kühlen Schatten des Palmenhains.

Ein Fluß war da, und sie folgte ihm. Bald ragten die Felsen hoch über ihr, und grüne und goldene Vögel zwitscherten aus der Höhe und einer umflatterte sie. Sie nannte den Pfad „Tal der Papageien“. Wenig später weitete sich das Tal und die Vögel waren anders, zahlreicher und mannigfaltig, und einige gingen neben ihr her, entfalteten ihre prächtigen, farbenreichen Fächer, und sie gab diesem Weg den Namen „Pfauenpfad“. Ein plätscherndes Wasserlied grüßte, und sie gewahrte einen Wasserfall, der durch flimmerndes Sonnenlicht von der Felsenklippe Vorsprung in einen See stürzte.

Dann badete sie im weißen Schaum des perlenden Wassers. Ihr nasses Haar hing schwer auf ihrem Körper, ringelte sich um den Rand ihrer Brüste, und mit beiden Händen schob sie es zurück auf ihre Schultern. Sie konnte die Steinstufen neben der Kaskade sehen, naß vom sprühenden Wasser, jedoch fest und sicher, als ob diese für sie eingelegt worden wären. Blumen wie kleine Trompeten blühten auf dem Weg, und Blumen in glühendem Rot, und solche wie blasse, weiße Sterne, und Blumen mit Blüten, wie blaue Wölkchen.

Die Stufen führten aufwärts bis zur Zunge des Wasserfalls, jedoch erhöhte sich das Gelände mit leichter Windung zu beiden Seiten, und sie erkannte, daß sich der Fluß einen schmalen Weg durch die Wand eines ausgedienten Vulkans geschnitten hatte, und daß sie jetzt im Innern des vulkanischen Kegels hochsteigen mußte. Vorsichtig setzte sie ihre Schritte und griff gelegentlich nach Halt an einer Wurzel, denn der Weg war steil, und im grünen Grasteppich auf der Höhe fand sie eine Truhe und entdeckte mit Entzücken, daß der Schlüssel an ihrem Hals diese öffnete. Sie entnahm ihr eine Rolle feinsten Gewebes, das sich zu einem Umhang öffnete, der sie gänzlich bedeckte, und sie schlüpfte hinein und erfreute sich der Empfindung des zarten Gewirks auf ihrer Haut.

Der Pfad neben dem Fluß war jetzt sorgfältig geebnet und mit farbigen Kieseln bestreut, jetzt rot, jetzt grün, jetzt ein Regenbogen, wie der Wasserfall zuvor, und sie folgte diesem Weg. Nach einer Weile legte sie die Sandalen beiseite, denn der Weg wurde weich und liebkoste ihre Fußsohlen.

Der Wald hatte sich gewandelt. Nadel- und Laubbäume standen mit hohem Farn vermischt, deren Fächer sich mit dem Pfad verwoben, und es war, als ob die Welt träumte und dann wieder traumlos schlummerte. Manchmal vereinte sich der Pfad mit schattenspendendem Horst und weiten, sonnenbefleckten Wiesen, wo Rehe und Pferde grasten. Das Gelände stieg an, der Fluß gluckerte in seiner Eile und sang im Glockengeläut von der Maid, die er grüßte, und sie hörte das Lied, denn es war der Fluß aller Flüsse, der Strom, vom Ursprung der Quelle fließend.

Der Pfad führte über einen grünen Hügel, und sie blickte flüchtig zu dem singenden Bach und bemerkte, wie er in seinem ganz eigenen Licht funkelte, ein Licht ungleich des Himmelslichtes oder der Spiegelung der See. Auf der Höhe des Hügels stehend, sah sie eine Lichtung vor sich, in deren Mitte befand sich eine steinumfriedete Quelle, woraus der Fluß entsprang, und sie lief freudig erregt darauf zu, hielt plötzlich inne und zog den Umhang um sich, denn dort stand jemand bewegungslos am Rand der Quelle, ein Mann, in einem braunen Kapuzenumhang, vielleicht ein Einsiedler.

„Lidi“, sagte er, und es war Kalke, der sprach. Ihre Hände dehnten sich nach seinen ausgestreckten Armen; den Schutz ihres Umhangs vergessend, sorglos in ihrer Vergessenheit, denn der Name dieser Quelle in der Lichtung hieß Wahrheit, Schönheit, Liebe, die Quelle hatte wirklich viele Namen, alle lauter, und sie war in seinen Armen, ihr Kopf auf seiner Brust, die sich hob und senkte während er atmete, und sie hörte das Klopfen seines Herzens, und Lidi wußte, daß sie in der Heimat war.
 

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