AUTO: Nr. 13, August 2004
Hanne Pfiz: Die Quelle
Sie lief durch einen alten, überwachsenen, wundervoll duftenden Garten. Der lag still im milchweißen Licht, und die Zweige der blühenden Büsche
reichten zuweilen tief hinab. Lange lief sie so, ohne etwas Bestimmtes zu suchen, ohne irgendein Ziel.
Da tat sich ein kleiner Platz auf, der war ganz mit Moos bewachsen. Auch eine Gartenbank stand da, leicht verdeckt von den herunterhängenden
Blütenzweigen. Dieser Bank näherte sie sich.
Sie erkannte seine Gestalt. Ruhig ging sein Atem im Schlaf. Vor ihm stand sie, ihn betrachtend. Kornblumenblau war das Hemd, das er trug...
schimmerndes Blau im Dämmerlicht des Gartens. Als er seine Augen öffnete, sagte er schlicht: „Ich habe auf dich gewartet, Lidi. Komm mit mir, ich möchte Dir etwas zeigen.“
Ohne zu sprechen, gingen sie weiter und kamen zu einer alten Steintreppe, die in ein unterirdisches Gewölbe führte. Hinab stiegen sie, immer
weiter hinab. Plötzlich brach die Treppe ab. Sie standen über einem Schacht, an dessen Wänden dünne, aus Seilen geknüpfte Leitern herabhingen. Sie lachten und kletterten darauf weiter hinab. Unversehens entschwanden
die Leitern... Sie umfaßten einander und schwebten mühelos durch den Schacht in die Tiefe. Leicht schwebten sie, ganz ohne Angst...
Während sie zaubergleich dahinschwebten, vergaßen sie den Erdenzwang. Hingegeben waren sie dem Neuen. Ihrer Seele Harmonie trug sie wie ein Strom.
Bilder kamen und zogen an ihnen vorüber. Noch einmal erlebten sie ihre Begegnung, das Entzücken im gegenseitigen Erkennen. Gleich Lichtsäulen und
geheimnisvollen Wegweisern standen seine Dichtungen, deren Gesang sie silberhell durchfloß. Einen Herzschlag lang verlor sie die Besinnung, ließ fühlbar werden ihre Glut, schmückte mit Sternen seine Stirn...
Zerstoben war plötzlich der Zauber, die Wunder entschwunden, die sprühenden Funken, die Farben verloschen.
Ein großer Schatten fraß auf die Sterne, verschlang das Licht, erstickte die Glut, erzwang die Macht.
Als sie aus der Finsternis erwachte, fand sie sich allein. Unendlich war ihre Sehnsucht. Langsam gewöhnte sie sich an den lichtlosen Zustand.
Zager Mut kehrte in ihr Herz, und sie erinnerte sich des Zaubers der Nacht.
Sie raffte sich auf. Am fernen Horizont zeichnete sich des Morgens erstes Licht.
Constantin von Hoffmeister: Wunschworte um Mitternacht
Wieder denke ich an Dich, und ich schreibe diese Worte als Huldigung Deines Glanzes: das Wunder das auf dem Grund dieses unermeßlichen Ozeans der
aufgewühlten Erwartung liegt – ein Bild, ein Flackern, eine Warme Hand die Seele des einsamen Bewerbers berührend – die Brise des Windes Deine Haare liebkosend während Deine blauen Augen die unendliche
Weite der weißen Marmorhügel durchstreifen – eine Begierde, Deine Sehnsucht, eine Leidenschaft wahre Worte sanfter Weisheit zu sprechen und nach einen aufrichtigen Geist zu streben – niederlassend in
Deinem anmutig gemeißelten Busen eine Zufriedenheit zu wissen zu sehen zu fühlen eine sich auflösende Grenze zwischen Dir und einer Vertiefung – das Wissen während des Sonnenuntergangs, daß die Sonne im Glanze
aufgehen wird – strahlend Deine Sippe als Du in die Gemeinde eintrittst – siegreiche Begierde die Chancen der Spannung überwältigend – im wilden Flackern genetischer Reinheit und himmlischen
Glaubens sehe ich ein Bild eine Vision einen Traum – Ich sehe Dich hinaus-, hoch- und ins Jenseits reichend – mit dem glitzernden Nordstern in Deinem Schoß – Ich erwache aus einem Traum über
Ereignisse die sich selbst verwirklichen um dichter nah und wahr zu kommen.
(Aus dem Amerikanischen vom Autor)
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