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AUTO: -CHTHON & -NOM Nr. 16, April 2005 – Übersicht –
Gedichte
Hanne Pfiz-Soderstrom
Allnächtlich...
Aus Unergründlichem und inmitten des
Schlafes Holt ans Ufer des Bewußtseins ein Raunen mich.
Und es tauchen Bilder auf aus der Tiefe, aus den Ebenen...
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Schemen sind es, Gesichte, Visionen, Fetzen, Irrlichter, Ströme, Sehnsüchte, Verheißungen.
Sie flirren und schweben, fließen
ineinander und aneinander vorbei, lösen sich voneinander kommen näher, entschwinden.
Deutlich sind ihre Gesichter, Ihre Körper, Ihre Gewänder, Ihre Nacktheit, das Licht ihrer
Augen.
Nie Gekannte sind es, oder so meine ich's, so kommt's mir vor...
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Ich verharre bewegungslos. Bleiern sind meine Glieder. Nichts kann ich aufzeichnen in ihrer Gegenwart, Nichts nachzeichnen, keine Linie
vollziehen im Banne ihrer Aura.
Ich schaue und schaue, beobachte und bemerke wie sie im Nebelschiff entgleiten und im Nichts verschwinden.
Dann liege ich lange lautlos,
reglos.
Oh, Ihr Gestalten meines Lebens! Ihr!, meine Musik, mein Meer und mein Universum! Und Eure Farben erst, Eure Nacht und Schwere! Eure Süße und Bitterkeit! Eure Liebe! Und ach!, Deiner Seele einzige Schönheit!
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Peter Töpfer
Das Universum öffnet sich
Das Universum öffnet sich Die
Welt Leben überhaupt Überhaupt Leben
Aber oh was ist das? Was ist diese Angst Vor jedem bißchen Welt? Davor, einem Korn Welt Allein zu begegnen?
Lieber tot sein, Als der Häßlichkeit der Welt zu begegnen, Allein dem Monster Welt, Seiner unsagbaren Häßlichkeit, Jedes Korn ein
Universum an Häßlichkeit. Oh zurück, zurück vor ihr! Oh der Schrecken vor der geringsten Unebenheit! Die Panik vor einem einzigen Makel. Die Notwendigkeit eines schönen Gesichts. Alles hängt ab von
Schönheit Reinheit Klarheit Makellosigkeit. Sonst geht die Welt unter, Das Universum macht zu. Sonst senkt sich der Grabesdeckel auf mich, Und die sagenhafte Öde greift Platz, Der Ekel vor der
Welt, Die große leere Sinnlosigkeit Die Qual des Nichts : Entweder oder: Ein Korn Häßlichkeit Oder die Perfektion der Welt. Nur die Perfektion kann mich retten, Kann mir die totale Angst
ersparen, Die Angst vor der Häßlichkeit. Ein Korn Häßlichkeit, Und zurück geht es in die Gruft, In den Folterkeller der Langenweile, Die Ödnis des Nichts. Entweder oder: Entweder die Welt ist
perfekt Oder die Todesangst vor ihr. Ich kann kein Korn Haß ertragen, Kein Bißchen kein Nichts An Haß. Ein Gramm Haß, Und ich sterbe, Trete den Weg an In den Wahn der Einsamkeit. Entweder
oder. Ich kann ohne Vollkommenheit nicht leben. Nimmst du mir eine Sekunde der Vollkommenheit, Einen Zeigerschlag der runden Uhr, Und ich schmolle den Rest des Lebens, Verbringe das Leben im Keller
des Schmollens. Wie soll ich eine Sekunde Haß ertragen? Oh was ist es? Oh ist das die Wahrheit? Kann das sein? Ja, das kann sein. Ja, so ist es. Der Rückzug vor einem Korn Haß. Das
Zuschlagen der Augen für immer, Vor einem Korn Haß. Ich will nicht leben, will in die Gruft, Den Folterkeller der Einsamkeit. Ich will ein Leben der Qual Als diesem Korn Haß begegnen. Ich ertrage
kein Korn Haß. Entweder die Welt ist vollkommen schön, Oder ich trete den Weg in die Ödnis an. Kann das sein? Ja, das ist so. Die geringste Regung Leben Wird erdrückt und verschwindet Beim
Anblick eines Kornes Haß. Nie wieder Regung, Nie wieder Atem Vor Panik es könnte Ein Korn Haß in der Welt sein. Die totale Angst vor Unschönheit. Der Wahn des Makels. Die Sehnsucht nach der
Reinheit deines Gesichtes, Der Schönheit deiner Züge, Der Perfektion deiner Nase, Dem Schwung deiner Lippen, Dem Strahlen deiner Augen, Der perfekten Liebe deiner Augen, Der Weichheit deiner
Wangen, Der Aprikosenhaut deines Hinterns, Jede Pore, jeder Pickel der Haut deines Hinterns. Meine Hand streicht sanft über die Schönheit der Welt. Die Ruhe deines Auges. Dein Auge pulst sanft In
der Schönheit seines Blickes. Die Güte strahlt sanft Zu mir hinüber. Das Blau deiner Augen ist rein. Haß unbekannt. Oh das Strahlen und Fließen deines Blickes, Die Vollkommenheit jeder Zelle deines
Auges, Die Ruhe und Sicherheit jeder Faser Auge, Die Stille und Gelassenheit des Universums deiner Augen. Ich verlasse mich auf jede Faser deines Auges. Das Zutrauen in die Tiefe deiner
Schönheit, Deine unendliche Güte. Das Vertrauen in die Welt deiner Sanftheit. Oh deine Liebe Und der unmittelbare Sturz In die Gruft des Hasses, Der giftigen Pfeile in mein Herz, Des quälenden
Nichts der Sinnlosigkeit, Der weißen Tapete der Gefühllosigkeit, Der schreienden Stille deiner vier Wände. Das Strahlen der draußen bleibenden Sonne, Das Strahlen des bestraften Himmels, Die
überwältigende Schönheit der Sonne, Ihre Macht, ihr Alldurchdringen Und die Ruhe und Gewißheit des ewigen Blaus. Die bescheidene und absolute Souveränität des blauen Himmels, Seine durchdringende
Perfektion, Die Rundheit und Abgeschlossenheit Seiner ewigen und gelassenen Ruhe, Seiner ewigen tiefen und unaufhörlichen Liebe, Das Blau der lebendigen Ruhe. Die unendliche Sanftheit eines einzigen
Kornes blauen weichen Himmels. Der blaue dreidimensionale Samt Seiner unendlichen bescheidenen Majestät. Das Universum an Unschuld, Die dritte Dimension der Güte, Die Ruhe der Liebe, Das Fehlen
eines Kornes Haß, Der sanfte Samt des blauen Himmels, Den ich zart streiche. Ich fühle jedes Korn Himmel, Jedes Pigment Blau Und hüte und beschütze es mit meiner Hand. Ich kose die Vollkommenheit
jeden Kornes blauen Himmels, Jeder Faser deines ruhigen gütigen Auges.
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Illustrationen: Hanne Pfiz-Soderstrom
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Das Wort der Mutter
I
Eine Frau liegt im Sterben Und spricht zu ihrer
Tochter:
Du weißt, daß du als Kind ein Brüderchen bekommen solltest, Du hattest dich sehr darauf gefreut. Doch dann sagte ich dir, das Baby sei gestorben. Das war nicht die Wahrheit. Ich habe
einen großen unverzeihlichen Fehler in meinem Leben begangen. Das war, als ich das Kind zu Adoption weg gab und unterschrieb, Daß ich nie nach dem Kind fragen und mich nie um es sorgen werde. Ich habe das
Kind all die Jahre nie vergessen, Aber das Geheimnis für mich behalten. Heute aber, wo ich sterben werde, Bitte ich dich, Denn du hast nichts unterschrieben Und darfst deinen Bruder suchen, Daß du
ihn findest und ihm sagst, Daß ich ihn immer geliebt habe, Daß ich immer an ihn gedacht habe Und daß ich meinen Fehler so sehr bereue. Sorge du dafür, Daß er immer etwas zu essen hat Und gut
angezogen ist. Dann starb sie.
Die Schwester fand ihren Bruder, Und der Sohn war erlöst.
II
Ich begriff, Daß alles, was ich immer wollte, war, Ein solches Wort von meiner Mutter
zu hören. Daß sie sich entschuldigt Für alles, was sie uns nicht gegeben hat, Wie sehr sie es bedauere, Uns nicht geherzt und gestreichelt Und nie gesagt zu haben, Daß sie uns liebt. Und daß
sie alles Schlechte zurücknehme Und ungeschehen Und alles Gute geschehen machen wolle.
Dieses Wort haben wir nie gehört Und werden es nie hören.
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