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AUTO: -CHTHON & -NOM Nr. 19, August 2005 – Übersicht –
Gruppe Neue Deutsche Literatur (NDL) präsentiert:
Drei neue Gedichte: Endspiel / Nie mehr zurück / Sonne
Constantin von Hoffmeister
Endspiel
jetzt mal ehrlich ich hab kein bock mehr auf
politik und philosophie ich hab kein bock mehr auf organisationen doktrin! so tun als ob der doktor das verschreibt regeln und vorschriften weiß schwarz gelb! ich will gelb! der wahnsinn
ist gelb aber die ruhe doch auch das dreirad rollte einst unschuldig jetzt vergraben unter einer schutthalde von ideologien aber neu ein neues ich ist nötig ein mädchen kreativ unschuldig
offen gewandt aggressiv nicht gewalt nicht böser blick lust auf schnelle lieder und nicht immer alkohol keine drogen außer leben mit roter clownsnase vor einem lenin-porträt das ist der geist, aus
dem die wurzeln sprießen frische wurzeln ein neuer baum mein leben repräsentiert ich höre die coolen neger aus dem computer labern rappen sie holt sich einen roten schlupfanzug aus dem schrank sie
will singen und ihn tragen sie bewegt ihre arme wenn sie singt sie schließt ihre augen sie öffnet sie sie verbeugt sich sie reckt sich mit einem grauen hemd nennt sie sich bank-punkerin so, da rennen
die herren „the hypcorites!“ mit steinernen gesichtern immer marschieren sie geradeaus und rückwärts und rechts immer rechts richtig denken sie rechts das ist der germanische geist! wieso
sieht es hier in der wohnung so dadaistisch aus? fragt mich der russische faschist ja, weil's geil ist! dada wird nie siegen? und ob! jetzt erst recht (im rechten winkel ficken die braunen
karnickel)! neue politik, neue front: NATIONALDADAISTISCHE PARTEI (NDP) ey yo! bing bong! ding dong! meine banane flattert zwischen meinen beinen so muß es sein! „many money“ an der
wand hängt der platte buddha immer lächelnd wie alle chinesischen versionen immer fett obwohl siddhartha eigentlich ein schlanker inder war unter dem bodhi-baum erleuchtet wurde und dann nichts nichts
nichts mehr machte aber die glatzköpfigen mönche heutzutage sind alle scheiße labern und labern und beten! muß man sich diese scharade vorstellen! diese lebenslüge! diese verdrehung des
nichtstuns! nirwana mit buttertee und mantras und nie wixen bah! würg! zum kotzen! da klettere ich rum in ladakh im himalaja und sehe klöster auf klippen böse dämonen mit zungen abwehren das
böse hahaha! die mönche alle nett aber nie wixen diese wixer! ich trinke heute kein bier aber ich rauche viel wer tut mir das an? das tue ich mir selbst an! ich! ich! ich! immer wieder kommt
es auf ich zurück deshalb wurde beschlossen im großen saal von ich: genug mit dampfender kacke von wegen rettung von europa von wegen so tun, als ob es nicht egal wäre alle absaufen sehen alle sehen es
und saufen steigen ein in den zug der zug rattert los die proleten proleten und die bauarbeiter bauen dann gehen sie heim schnell rein den schwanz in die fette schlampe von frau abgespritzt nach
sekunden dann fußball der pharaoh hat pyramiden bauen lassen der hatte recht wollte sehen wie leben schwinden für seinen tod die quader waren schwer aber die nubier haben's geschafft durch
schwarzen schweiß die gelben pyramiden fertig mathematisch ganz korrekt soll ja auch astrologisch sein von wegen planetenverbindungen und so waren außerirdische die sagten, „da habt ihr euren
scheiß!“ und wir jetzt ganz flott modern halten uns dran schinden für die mächte des alls die nie kommen erlösen der ekel kommt hoch immer diese getrocknete spucke auf dem asphalt liegt nicht das
vermögen draußen überhaupt nicht nur hier drin bei ihr drin da fühle ich mich JETZT wohl genau! JETZT morgen wird wieder langgegangen die dunkle gasse
LOVE LIST – for Masha (english)
Peter Töpfer
Nie mehr zurück
50er Jahre Deutschland Conny kommt von
Kruschtschow zurück Bringt die letzten Soldaten mit Frauen jubeln, fallen um Hals Männer küssen Kinder
Einige Frauen stehen da Winken mit Urkunden Gefangenenbescheide Warten
vergeblich Mann kommt nicht heim
Eine Frau winkt noch zu Conny hoch Dann bricht sie ab Dann versteht sie Die Urkunde sinkt herab Über ihren Kopf Ihr Gesicht sucht den Schutz des
Papiers Welt bricht zusammen Sie versteht: Nie mehr kommt er zurück Er kommt nie mehr zurück.
Sonne
Sie scheint, Blumen blühen. Nur fühlen, kein Wort.
Zusammen mit der schönen bunten Welt.
Doch nichts Gutes vorstellbar ohne dich. Du sollst es sehen, du sollst dabei sein. Ohne dich kein Sinn. Alles Sein nur für dich, mit dir,
durch dich. Alles Sein nur geteilt mit dir. Ich kann die Welt nicht ungeteilt leben.
Zu grausam, es für mich allein zu haben, Zu schlimm die Einsamkeit. Die Lebendigkeit, allein nicht zu
ertragen. Der Todesdreck in mir, Völlig verkehrt und mörderisch. Voll von ihm. So traurig. Das Schöne nur als Spur, Kaum zu sehen. Kein Ja zum Leben. Einfach so das Leben. Einfach
ja. Einfach in der schönen Welt. So einfach. In der einen Welt. Ohne Nichtsonne. Nur eine Welt, Ohne Rand, ohne Abgrund. Kann nicht baden in ihr, Kann nicht still sein in ihr.
Ihre Schönheit macht mich unsagbar traurig. Maßlos traurig. Ich kann es nicht ertragen, Ohne dich. In die Welt hinauszugehen mit ihrer Freiheit und Schönheit, Es zerreißt mich. Die Welt
macht mir angst, Die schöne, offene, sonnige Welt. Ich ertrag sie nicht allein. Allein in ihr, wäre die ganze Welt eine unstillbare Sehnsucht. Ich kann nicht allein in sie gehen, ohne dich. Die
Sehnsucht ist stärker als alle Welt. Will sie teilen, die Welt. Die schöne offene freie sonnige Welt hat keinen Sinn, So sehr sie auch letztes Ziel. Die unglaubliche Freiheit, Gelöst inmitten der
Welt. Keinen Tod fürchten, Mag es ausgehen wie will. Das Ziel des Seins: Ruhig und einverstanden. Da ist nichts mehr. Der Dreck ist der Feind dieses schönen Todes. Der Dreck des
Lebens, Lebensangst, Traurigkeit, Totes Leben, voll davon. Abartige Angst! Nurangst. Abartig großer Abstand zum Leben. Keine Wut, keine Kraft. Nur Abdriften ins Nichts. Flucht vor dem
abartigen Schrecken, Dem Nichtteilenkönnen der schönen Welt. Die Stimme des Nichtlebens, Keine Gegenstimme.
Schön die Landschaft, der Himmel, die Sonne. Alles unsagbar traurig. Eine einzige
unsagbare schmerzliche Katastrophe. Unsagbar schmerzlich. Eine einzige Welt von tiefstem Schmerz. Kein Bild. Ein schwarzes Loch aus Schmerz – doch was ist um das Loch? Keine schwarze
Trauer? Nichts, was nicht Schmerz wäre. Nichts. Da ist nur Schmerz. Abgrund aus Schmerz – drum herum kein Abgrund? Nur Abgrund. Nur Schmerz. Nach oben, unten, rechts und links, innen
außen. Kein Wort. Kein Hölle. Es gibt nichts um eine Hölle herum, Es sei denn Hölle. Bin nur diese Hölle.
Wie schön ist die Welt! Im Radio ein Lied, Und die Trauer bricht durch. So
unendlich schmerzlich die Welt ist, So voller Schmerz um den Abgrund aus Schmerz, So brauche ich dich, So sehne ich mich unendlich nach dir, Wie schön und gut die Welt auch immer. Mag die Welt in
Schönheit explodieren Und das Glück durch mich jagen – Ohne dich ist es die Hölle. Ich will dir schreien, daß die Welt vor Glück explodiert.
Noch am Tag meines Todes denke ich an
dich, Werde ich mich sehnen nach dir. In meiner allerletzten Minute der Gedanke an dich. Und nicht die Gedankenlosigkeit, die allein ich will: Alles schön, alles gut, dahinschwimmen im Fluß des Seins.
Mit dem Kosmos, mit allem eins, und alles ist gut. Aber der Kosmos ohne dich? Aus dieser Angst bin ich. Nichts sonst. Keine Nichtangst um die Angst herum. Bin nur durch dich, Die du nicht da
bist. Der Traum von dir beherrscht mich. Doch hinter dem Beherrschen ist nichts Als weiter Beherrschtwerden vom Traum. Kein Wort. Es gibt nichts anderes als diesen Traum, Als das Beherrschtwerden.
Ich bin dieses Gefühl bis zur letzten Minute meines Lebens. Auch dann werde ich noch dieses Gefühl sein. Die Lobpreisung der Welt und des Herrn Undenkbar. Weil mich der Schmerz der Welt Zerreißen
würde. Ja sagen zur Welt und seiner Schönheit, Doch ich kann nicht. In dieser wahnsinnig wunderbaren Welt schwimmen, In ihr sein, Teil ihrer sein. Aber ich kann es nicht. Weil ich dann dich
verlieren würde, Weil ich aus dieser sonnigen Welt nur nach dir schreien, Dich zum sterben vermissen würde, Die du bist in der dunklen Welt, Weil du die helle Welt nicht teilst mit mir. Ich folge dir
in die dunkle Welt. In der hellen Welt verschwindest du, Weil du nicht in ihr bist. Ich wäre nur noch frei. Losgelöst und allein mitten in der Welt. Völlig allein. Mich verlieren in die unendlichen
Weiten der Welt. Rausfliegen in den Kosmos. Weltschwindel, unaushaltbar. Loslassen, in die Freiheit weggehen, unaushaltbar, undenkbar. Binde mich. Freiheit mein Traum, mein Ziel, Losgelöst von
allem. Totales Bejahen des Einswerdens mit der Welt. Mich verlieren in die Welt. Tiefstes Sehnen. Größte Angst. Endgültig völlig zufrieden, Nichts mehr, kein Wünschen, kein Sehnen. Angst
davor Nur weil du nicht da sein wirst. Wegdriften in die Freiheit, alles vergessen. Kein Dreck mehr. Völlig vergessen. Endlose Angst vor Entbindung. Ich kann es nicht vergessen! Ich kann dich
nicht vergessen. Das Gefühl, verbunden und eins zu sein. Unbeschreiblich. Einssein, aufgehoben in liebevoller Wärme. Einssein mit dieser Wärme, der weichen Wärme der puren Liebe. Einssein mit
dir. Ich kann es nicht vergessen. Ich werde immer wieder daran denken, Immer wieder diesen Gedanken haben, Immer wieder Erinnerung an diese Liebe, Immer wieder Sehnsucht, Kein Vergessen.
Noch am allerletzten Tag meines Lebens Werde ich an dieses Gefühl denken. Am letzten Tag das, Wonach ich mich mein ganzes Leben gesehnt haben werde. Am letzten Tag wird das sein, Was ich
wieder haben muß, Nicht vergessen kann. Es wird etwas sein, Was ich nie aufgeben werde können. Ich kann dieses Gefühl nicht aufgeben! Aber ich müßte dich aufgeben, Um in die andere Welt zu
gelangen, die der Freiheit, Des Bejahens der unendlichen Weite des wundervollen schönen Kosmos. Die Sehnsucht nach dieser Bejahung Und diesem nur noch Mitschwimmen in diesem einen Kosmos, Nach
diesem völligen Vergessen, Ist noch stärker als das Nichtvergessenkönnen. Aber ich kann es nicht vergessen! Ich möchte es vergessen, möchte mich selbst vergessen Und nur noch Teil der Welt sein,
Aber immer wieder die Sehnsucht, Mit dir eins zu sein. Die Sehnsucht nach der ganzen Lebendigkeit. Jede Sekunde meines Lebens voller Lebendigkeit. Doch keine Lebendigkeit ohne die Erinnerung an
dich. Sieh sie dir an, die Welt! Nur die Sonne, weiß, gelb, gelb, weiß, nur Sonne. Herr, Danke!
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