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AUTO: -CHTHON & -NOM Nr. 21, Oktober 2005 – Übersicht –
Hanne Pfiz-Soderstrom
Knulp
„Gestalten wie Knulp sind für mich sehr anziehend. Sie sind nicht
‚nützlich’, aber sie tun sehr wenig Schaden, viel weniger als manche Nützliche...“ (Hermann Hesse in einem Brief 1935)
Einmal wieder habe ich den „Knulp“ (1) gelesen. Die drei Geschichten aus seinem Leben lesen sich lieb und leicht, und eigentlich ist
der Knulp eine eher bescheidene Gestalt am Himmel unserer deutschen Dichtung, aber gleich einer Sternenblume strahlt er daraus hervor!
Warum ist das so?
Für mich bedeutet Knulp zunächst
Heimat. Unvergängliche, beseelte Heimat. Im Knulp ist Hesses schwäbische Heimat, die auch die meine ist, versinnbildlicht und vergeistigt. Ihr Zauber breitet sich aus wie eine duftende Wiese, wie ein Märchenbuch der
Kinderzeit, unschuldig, weh und süß. Ihre Musik ist rein und schlicht wie die eines Volksliedes. Knulp verkörpert aber auch Liebe, Unabhängigkeit, Weisheit, Wahrheit, und Knulp ist Sehnsucht und späte Romantik.
Und obwohl er ein „wurzelloser“ Landstreicher zu sein scheint, den es nirgends lange hält, der von Dorf zu Dorf wandert, sind seine Wurzeln
fest und tief in der heimatlichen Erde verankert. Gerne wird Knulp von den seßhaften fleißigen Bauern, Handwerkern, den Frauen und Mädchen im Dorfe gesehen, aufgenommen und bewirtet, denn Knulp wußte
Geschichten zu erzählen, kannte viele Lieder und machte ihren Kindern Schattenspiele vor. Immer brachte er Abwechslung und Frohsinn in ihren Alltag, und sie bewunderten und liebten ihn für seine künstlerische
Begabung, seine spielerische Kinderseele, sein Anderssein, wohl auch, weil sie ahnten, daß er sein Freisein von jeglicher Bindung mit dem hohen Preis der Einsamkeit beglich.
Aus „Knulp“:
„Noch
einmal kostete der Heimgekehrte das Licht und den Duft, die Geräusche und Gerüche der Heimat und die ganze erregende und sättigende Vertrautheit des Daheimseins: Gewühl der Bauern und Bürger auf dem Viehmarkt,
durchsonnte Schatten brauner Kastanienbäume, Trauerflug später dunkler Herbstfalter an der Stadtmauer, Klang des vierstrahligen Marktbrunnens, Weingeruch und hohles, hölzernes Gehämmer aus der gewölbten
Kellereinfahrt des Küfermeisters, wohlbekannte Gassennamen, jeder dicht behängt von einem unruhigen Schwarm von Erinnerungen... Vieles hatte sich im Städtchen verändert, was ihn früher bis ins kleinste interessiert
hätte, aber diesmal wollte er nichts sehen und wissen, als was zur alten Zeit gehörte. Und als er nach kurzem Fragen erfuhr, daß Franziska nicht mehr lebte, da verblaßte alles, und ihm schien, er sei einzig
ihretwegen hergekommen.“
1 Hermann Hesses „Drei
Geschichten aus dem Leben Knulps“ erschienen erstmals 1915. Sie wurden während des Krieges auf Papier mit Holzschliffzusatz in „Fischers zeitgenössischen Romanen“ herausgegeben. 1946 stiftete Hesse einen
Sonderdruck für deutsche Kriegsgefangene.
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