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Nationalanarchismus

 letzte Aktualisierung: 30. Mai 2007

Nationalanarchismus

AUTO:  Nr. 9
Sonderbeilage Life Style Magazin
 

Die Vaterschaftslüge
Für Sinn, Matriarchat und Männeremanzipation

Teil 3 [Teil 1, Teil 2]

Es gibt Autoren (u.a. Arthur Janov), die in den Wissenschaften u.a. den Sinn („die Funktion“) sehen, das Gedächtnis der Menschheit zu sein. Die Menschheit fördere Geschichtswissenschaft, Ethnologie, Anthropologie usw., weil sie sich damit quasi die Tür zur Umkehr offen hält, worin quasi die Ehrenrettung der Wissenschaft läge. Analog dazu sollen auf der Ebene der Ontogenese in Gehirn und Nervenapparat sämtliche wichtige Erfahrungen des Lebens eines Menschen als Verhaltensprogramm für das weitere Leben gespeichert sein. Wenn die Erfahrungen negativ oder traumatisch waren, friert die Programmierung ein und kann nicht mehr aufgehoben werden; das Verhalten entspricht dann nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten. Jeder Versuch, das Verhalten zu ändern, scheitert daran, daß bei der Ent- und Umprogrammierung der Schmerz wieder zum Vorschein kommt. Dennoch glauben diese Autoren, daß das Gehirn die Möglichkeit zur Rückkehr zum natürlichen Verhalten parat hält; man müsse nur den Schmerz aushalten und annehmen, wonach die schädliche Programmierung gelöscht würde, was bedeutet, daß ein solches, auf einem dynamischen Gedächtnis basierendes Rückkehrmanöver keine intellektuelle Angelegenheit mehr sein kann.

Haben diese Theorien auch eine gewisse Plausibilität, so wird eine Rückkehr zu natürlicheren gesellschaftlichen Strukturen mit einem Paradigmenwechsel („patriarchalische“ Zivilisation – Matriarchat), also einer intellektuellen Spielerei allein nicht zu vollziehen sein, sondern nur durch reales Handeln. Die Veränderung wird ähnlich schmerzvoll sein. Wir verlieren mit der Familie immerhin den Sippenersatz, ohne daß wir dafür das Versprechen auf etwas Vergleichbares bekämen. Alles ist offen. Den Weg darf uns kein noch so „naturgemäßes“ Paradigma weisen, von dem wir das – uns korrumpierende – Heil erwarten; der Weg sollte uns nur von unseren Gefühlen gewiesen werden, ohne Rücksicht darauf, welche Formen von Gemeinschaft entstehen. Wir versuchen keinem Bild „Matriarchat“ zu entsprechen, sondern wir folgen weiter unseren Gefühlen und Bedürfnissen, wir suchen nur und immer wieder das Wohlbefinden und die Gemütlichkeit, gehen Streß und Unnatürlichkeit aus dem Weg, gehen den Weg des geringsten Widerstandes. Es kann niemals darum gehen, daß wir in unserer Unzufriedenheit etwas übernehmen, was wir anderswo sehen und von dem wir denken, daß es für uns besser wäre, weil die Menschen dort einen eher glücklichen Eindruck machen. Wenn das Ziel lautet, daß wir aus unserem Gefühl heraus und natürlicher leben wollen, daß wir eine Lebensform finden, die unseren Gefühlen nicht widerspricht, dann müssen wir vor allem gleich damit anfangen, nach unserem Gefühl zu leben und irgendwelche Bilder wie „Patriarchat“ oder „Matriarchat“ am besten gleich wieder vergessen.

Patriarchat ist nicht etwa insofern eine korrekte Bezeichnung unseres Gesellschaftssystems, als daß der Pater die Macht hätte – er hat keine Macht, er ist ein kleines Würstchen, der sich um so gewalttätiger aufführt und wichtiger macht, je schwächer er ist –, sondern insofern in dieser Gesellschaft Paterschaft überhaupt eine Rolle spielt.

Die meisten Menschen reagieren auf matristische Lebensvorstellungen damit, daß sie sagen: „Ich halte es nicht länger als einen Tag mit meiner Mutter aus! Ich hasse meine Schwester, und mit ihren Blagen will ich erst recht nichts zu tun haben!“ Natürlich ist es das, was sie fühlen, aber das sind auch Ausflüchte vor ihren realen Lebensverhältnissen, in denen sie genau das reproduzieren, was sie hassen. Die Leute sind extrem unzufrieden mit ihrem Leben, und kaum kommt einer, der ihnen zeigt, daß sie in einem illusionären, falschen und unehrlichen Gebilde leben, flippen sie vor Haß auf das vorgeschlagene Gegengebilde aus, weil sie zu unfähig und zu feige sind, sich ihr Elend einzugestehen. Ich sage nicht: „Liebt eure Mutter!“ Ich sage nur: „Seid ehrlich, lebt gemäß euren Gefühlen.“ Was dann für Lebensverhältnisse, Gebilde und Gemeinschaftsstrukturen dabei herauskommen und mittels welches Paradigmas diese auch immer zu bezeichnen wären, ist nachrangig und nebensächlich. Ich vermute, daß dann eine ehrliche Lebensweise und matriarchale Strukturen entstehen würden und finde diese gut. Es ist doch kein Wunder, daß in einer Welt, die sich durch Unehrlichkeit, gespielter Liebe oder Lieblosigkeit auszeichnet, es auch keine Mutter- und Geschwisterliebe mehr gibt bzw. nur Streß zwischen Mutter und Kindern. Hält man mich wirklich für so beknackt, daß ich ehrliche, liebevolle Beziehungen mit dem vorhandenen, vom Patriarchat verdorbenen Menschenmaterial für möglich halte? Komischerweise reagieren die Leute nur auf die strukturellen Überlegungen, nie auf die damit verbundene Frage der Lebensqualität und gehen nie ehrlich auf ihre eigene Lebensqualität und ihre eigenen Unzufriedenheiten ein. Ihnen geht es so schlecht, daß sie sich wie ein schwer gekränktes Kind verhalten, das, hält man ihm einen schönen Löffel feinsten Apfelmöhrenbreis hin vor den Mund, erst einmal nach dem Löffel langt und ihn in hohem Bogen durch das Zimmer feuert.

Natürlich sind seit dem Matriarchat Tausende Jahre vergangen und hat sich die Menschheit weiterentwickelt. Nur fragt sich: Wohin? Wozu? Zum Guten? Schaut euch doch ehrlich euer eigenes Leben an: Seid ihr wirklich so zufrieden damit, daß ihr jene Entwicklung gutheißen solltet? Diese „Entwicklung“ ist nichts als eine kulturelle Überwucherung, die an den tiefen Bedürfnissen – an der „Biologie“, wie Ihr es nennt – nichts geändert hat. Der einzige Unterschied zwischen damals und heute ist, daß wir uns heute mit unserer Existenz herumquälen. Und wenn mir jemand sagt, das könne ich doch nicht wissen, dann antworte ich: Richtig, ich höre nur heute damit auf, mich zu quälen, der Rest interessiert mich im Grunde nicht.

Zum Glück geht das Zeitalter von Familie und Zivilisation – egal, was ihr Fürsprecher denken und propagieren – aufgrund deren Instabilität seinem Ende entgegen. Familien werden immer seltener gegründet und zerfallen immer öfter. Daran wird auch die neuerliche konservative Wende in den tonangebenden Kreisen nicht wirklich etwas ändern. Das liegt daran, daß die Konservativen eigentlich Moderne sind. Das Alte ist die Sippe; die Familie ist das Moderne. Und mit der Moderne geht es zu Ende. Guillaume Paoli schreibt in der taz: „Die patriarchalische Familie wurde längst von Singles und alleinerziehenden Müttern abgelöst. Wo in der Gesellschaftsstruktur sind die Gesetze der ‚neuen Väter’ zu erkennen, jene unglaubwürdigen Wesen, die übertrieben sanftmütig den Buggy vor sich herschieben, ihre Demütigung in Psychotherapien pflegen oder ‚Schreibtischväter’ (Wiglaf Droste) die Welt von ihrem ‚Lebensprojekt-Kind’ wissen lassen?“22  Alleinerziehende Mütter aber sind die Keimzelle der Matriarchate von morgen. Und die Zeit ahnt: „Vielleicht gehen immer mehr Frauen allein ihren Weg – mit Kind und Beruf und ohne Papa.“ 23  Die Dauer des Phänomens „Familie“ wird in der Stunde Menschheitsgeschichte eine Minute betragen haben; die restlichen 59 Minuten über bestand die Sippe. Jetzt kommt etwas Neues, und das sollte das Uralte sein. Vielleicht ist das entfremdete Leben in der Moderne ja bereits die Katastrophe, welche Voraussetzung für eine Veränderung und Rückbesinnung ist.

Guillaume Paoli fährt fort: „Das heißt aber noch lange nicht, daß die von Otto Groß stigmatisierte ‚innere Zerrissenheit’, wofür ‚stets nur Wirkungen von außen her’ verantwortlich sind, nachgelassen hätte, ganz im Gegenteil. (…) Die Gesetze des Vaters wurden nicht aufgehoben, sie haben sich in den sozialen Körper disseminiert.“24  Es gilt heute, die Otto-Groß-artige Emanzipation fortzusetzen und die „Wirkungen von außen“ radikal und entschieden zurückzuweisen, d.h. den Entfremdungs- und Degenerationsvirus der Vaterschaft durch Selbstigkeit zu immunisieren.

Der durch den Untergang der Familie drohenden Vereinsamung und Atomisierung begegnen die Menschen durch immer vertrauter werdende Nachbarschaften. Kinder schlafen immer öfter bei ihren Freunden und Schulkameraden. Frauen helfen sich gegenseitig immer mehr in der Aufzucht ihrer Kinder, werden immer weniger „alleinerziehend“. Ihre Sexpartner sollen nicht viel mehr sein als solche; frau will nicht mehr wirtschaftlich auf diese angewiesen sein.

Als Beispiel für konsequentes Leben aus dem Gefühl heraus – jenseits aller Theorien – sollen noch einmal Wilde dienen, die der zivilisierte Maschinenmensch ausgerottet hat: Den Navajo-Indianern in Nordarizona war nicht nur die Vaterschaft unbekannt; obwohl man dort zwar wußte, welche Frau welches Kind geboren hatte, wurde dieses Wissen angesichts der Tatsache bedeutungslos, daß „die Schwestern, die auch als Erwachsene noch dicht beieinander [nämlich in der Nähe der Mutter] lebten, sich in die Verantwortlichkeit der Kinderversorgung teilten“, wie die nichtmatristische Autorin Carolyn Niethammer berichtet.25  Sie wird deutlicher: „Ein Außenstehender hätte kaum erraten können, wer in diesen ausgedehnten Familienverbänden nun die leibliche Mutter eines der Kinder war, denn obwohl jede Frau ein Lieblingskind hatte, war dieses Kind normalerweise nicht ihr eigenes, sondern häufig eine Nichte oder ein Neffe.“26  Wichtig an diesem Zitat ist, daß die Navajo-Frauen es als unwichtig betrachteten, ob das Kind, zu dem sie sich am meisten hingezogen fühlten, aus ihren Schoß geschlüpft war oder aus dem einer Schwester. Dieses war dann ihr „eigenes“. Das ist wahre Selbstregulierung und Leben nach Gefühl. Es ist jedoch davon auszugehen, daß zumindest in den ersten Tagen, Wochen und Monaten die Bindung zwischen dem Säugling und seiner „biologischen Mutter“ die wichtigste war. „Auch bei den Kommantschen“, fährt Carolyn Niethammer fort, „bestanden sehr enge Bande zwischen einem Mädchen und den Schwestern seiner Mutter. Das Mädchen nannte die Tante ‚Mutter’, und ihre Beziehung zueinander war eine Mutter-Tochter-Beziehung, die allerdings weniger förmlich war als die zwischen leiblicher Mutter und Tochter.“27  Hier erscheint schon das Verhalten, das nicht in den Gefühlen wurzelt (Förmlichkeit) und bei den Zivilisierten so epidemisch verbreitet ist: diese ganze verkrampfte Künstelei: Dieser Mensch ist „mein Vater“ oder „mein Sohn“; jetzt muß ich mich entsprechend verhalten. Auch „die Hopi-Kinder benutzten dasselbe Wort für Mutter und Tante. (…) Die Bande waren so eng, daß man Berichten zufolge in traditionsverhafteteren Zeiten nicht selten Menschen mittleren Alters begegnete, die zwischen ihrer leiblichen Mutter und ihren Tanten mütterlicherseits keinen Unterschied machten. Die Methode der Kinderaufzucht in der erweiterten Familie brachte systematische Vorteile sowohl für die Kinder als auch für die Mütter mit sich. Die Wärme und der Geist des Teilens und Teilhabens, die aus dieser Lebensform erwuchsen, brachten glücklichere Kinder hervor und ließen keinen Platz für die Frustrationen und Gefühle der Verlassenheit, unter denen heutige Mütter leiden, die das Opfer der Isolation ihrer Familie in den modernen Schlaf- und Wohngettos geworden sind.“28 

Männliche Vorbilder für die Jungen der neuen Mütter gibt es auch in der Nachbarschaft oder in der Mutterfamilie, der Protosippe. Es bilden sich spontan und kaum bemerkt völlig neue Arten von Kleinstgruppen, die Zellen für künftige Sippen sein könnten. Das Ziel sind jedoch niemals irgendwelche aus romantischen Vorstellungen geborene, konstruierte oder von Wilden kopierte „Sippen“, sondern immer liebevolles, lebendiges, ehrliches und gefühlvolles Leben, das sich seine Form selbst bildet. Das deckt sich vielleicht mit dem, was die Autoren des Buches „Das ganz normale Chaos der Liebe“29  unter einer „irdischen Religion der Liebe“ verstehen, die aus besagtem Chaos führen könnte. Wenn das Matriarchat das Liebevolle, Natürliche ist, dann führen uns unsere Gefühle automatisch dorthin.

Denn ein Einwand wird lauten: Einerseits wurde die Wixenschaft als das neue Heiligtum, d.h. der verinnerlichte Fremdbestimmer und die Krücke der Sinnamputierten kritisiert und als gebietende und normierende Göttin abgelehnt. Andererseits wird aber auf mehr oder weniger bewiesene und stichhaltige anthropo- und ethnologische bzw. historische Theorien, d.h. Wixenschaft zurückgegriffen.

Richtig!

Objektive Wahrheit und Wixenschaft interessieren mich eigentlich überhaupt nicht; ich greife nur aus Gründen der Verständlichkeit in der Kommunikation mit den Zivilisierten auf diese zurück, um diese besser überzeugen zu können; höchstens noch als Illustration meiner Gefühle. Ich bediene mich der Sprache der Gebildeten, damit auch diese in den Genuß kommen können zu wissen, wovon ich rede. Ethnologie und Matriarchatsforschung hin und her – ich lasse mir mein Verhalten nicht von der Wixenschaft steuern, auch wenn die Naturgemäßheit oder Gottesgewolltheit von Ehe und Familie – je nachdem, ob man jenseits- oder diesseitsreligiös ist –, eine tausendmal so „offenkundige Tatsache“ ist wie die Gaskammern. Das mag alles stimmen, es interessiert mich nur nicht; ich halte mich nicht daran; ich bin meine eigene Natur, auch wenn die Wissenschaftsgläubigen vor Wut ausflippen und nach Zensur und Inquisition rufen.

Das Wissen der Menschen wechselt andauernd. Das betrifft das Leben eines Einzelnen („subjektive…) als auch das Kollektiv (… objektive Wahrheit“). In jedem Abschnitt eines Einzellebens und in jeder Generation werden Dinge gewußt, die in einem anderen Abschnitt oder in einer anderen Generation nicht gewußt werden. Viele Dinge, die früher zum Wissen gehörten, weiß heute keiner mehr. Auch an mir ist das Wissen um den Zusammenhang von Sex und Kinderentstehung nicht vorbeigegangen, aber dieses Wissen allein besagt zunächst einmal noch gar nichts, ist als solches uninteressant und kann wieder verschwinden. Von Interesse ist, was sich daraus ergibt, was in der jeweiligen, in unserer Gesellschaft damit verknüpft wird, d.h. welche sozialen Folgen dieses Wissen hat. Die erheblichen, ganz entscheidenden Folgen für den Mann ergeben sich aus den inneren und äußeren Zwängen, nämlich der Moral und dem Gesetz. Jeder muß sehen, wie er unter und mit diesen Zwängen zurechtkommt, und viele empfinden diese gar nicht als solche. Alles liegt in jedermanns Freiheit und Verantwortung; jeder hat seine eigene subjektive Wahrheit und trifft derentsprechend seine Entscheidungen. Ein Wissen – wie hier das Wissen um eine Erzeugerschaft – hat nur Bedeutung und also Bestand, solange sich daraus wirtschaftliche oder rechtliche Konsequenzen ergeben. Ich weiß zwar noch, daß es besagten Zusammenhang gibt, aber dieses Wissen verblaßt zunehmend, verliert an Bedeutung und nähert sich dem Verschwinden. Was davon bleibt, reicht dafür, es ganz offen zu sagen und insbesondere keine Sexualpartnerin darüber im Unklaren zu lassen. Ansonsten vergesse ich es ganz einfach, weil es nicht zu mir gehört. Ich weiß um die Moral und die Gesetze unserer Gesellschaft, muß mich bei Strafe an sie halten; meinen Kopf lasse ich mir davon aber nicht verwirren. Es gibt Männer, die sich als Virilitätsjunkies korrumpieren lassen haben und sich aufgrund verletzten frühkindlichen Narzißmusses ihre Anerkennung und ihr Selbstwertgefühl aus der Tatsache verschaffen, daß sie es zu biologischen Vätern gebracht haben, ohne ihre Sexualpartnerinnen darauf hinzuweisen, daß sie deren Erwartungen, was die soziale Vaterschaft betrifft, nicht erfüllen werden. Dieses Verhalten und der diesem zugrunde liegende Glaube ist mir genau so fremd und unsympathisch wie das jener Männer, die sich – wiederum um Anerkennung und Selbstwertgefühl kämpfend – in das Joch des Familienvaters begeben. Diese Männer frönen einen um so größeren Kult der „Männlichkeit“, je mehr sie einsehen müssen, daß sie sich – trotz sehnlichsten, aber heimlichen Wunsches danach – nicht aus der Verlogenheit von Familie und Ehe befreien können. Jetzt spielen sie sich als die besonders Harten auf und verachten alles „Unmännliche“. Sie kleben aber an ihren Muttis und können nicht frei, souverän und sie selbst sein (und als solche automatisch Männer, wofür es aber keinen Orden gibt; das ist einem einfach so gegeben). Sie legen sich nicht mit den Konventionen an und haben nicht den Mumm, sich von Mutti zu lösen (weil sie dann heulen müßten).

Selbstverständlich weiß ich als Teilzivilisierter, daß die Frau oder der Staat möglicherweise hinter mir her sind, nachdem ich mit ihr sexuell geworden bin, d.h. ich muß die Erzeugerschaft anerkennen. Aber was ist das für ein Wissen im Vergleich mit dem, das aus meinen Sinnen erwächst? Dieses ist es doch, das mich grundsätzlich treibt und den weitaus größten Teil meines Bewußtseins einnimmt.

„Du kannst das nicht einfach vergessen. Du verdrängst nur dieses Wissen, weil du die Verantwortung nicht übernehmen kannst, weil du dich drücken willst“, höre ich den Einwand. Die beiden letzten Feststellungen stimmen; die erste nicht: Ich kann Dinge einfach vergessen, von mir abfallen lassen und meine Ruhe vor ihnen finden, ohne sie verdrängen zu müssen. Was aber die „Verantwortung“ und das „Drücken“ anbelangt, und wenn das alles nicht stimmt, was ich sage, dann laß es uns wie folgt halten: Übernimm du doch die Verantwortung, mach du das alles, sei du doch der „echter Mann“ usw. Ich hindere dich nicht daran. Jeder macht, was er für richtig hält. Aber wundere dich nicht, wenn der wilde Mann, der unter dem bisschen zivilisierter Tünche in jedermann steckt, deine Frau verführt und sich dein ganzer Traum von „Familie“ und „eigenen Kindern“ in Luft auflöst. Du, der du dem Unsinn von der Vaterschaft und dem ganzen daraus folgenden Komplex anhängst, du mußt immer damit rechnen, ein „Kuckucksei“ auszubrüten, so wie es Tausenden jedes Jahr passiert; dann bricht dein ganzer Stolz und dein Selbstwertgefühl schlagartig zusammen. Für unsereinen spielt das alles überhaupt keine Rolle. Du redest von „Kuckucksei“; für mich hat der Begriff keinen Sinn. Ich interessiere mich nicht für das, was oder ob etwas zustande kommt, wenn ich mit einer Frau Sex habe. (Natürlich muß ich – wer ficken will, muß freundlich sein, und außerdem scheue ich die gesetzlichen Konsequenzen – die Sorge um eine Schwangerschaftsverhütung teilen.) Du glaubst dich dafür interessieren zu müssen; du glaubst, hier etwas wissen oder kennen zu müssen. Ich sage ab jetzt jedenfalls offen und jederfrau, mit der ich Sex will, daß ich in bezug auf Vaterschaft nichts kenne. Ich will keine Verlogenheit, bei der Sex die Bezahlung für den braven Papa ist. Dazu paßt dann doch eher einer, der seine Aufgabe, seinen „höchsten Zweck“ in der „Weitergabe seiner Gene“ sieht.

Die ganze Verlogenheit der Ideologie von der zivilisierten Kleinstgruppe „Familie“, die nur Instabilität und Enttäuschung bedeuten kann, kommt schon durch die Tatsache zum Ausdruck, daß die charismatischsten Männer sexuellen Kontakt zu vielen Frauen haben. Sie sind natürlich, urwüchsig und lebendig. Das strahlt auf Frauen ab; diese fühlen sich von dieser Art Mann stark angezogen. (Aber selbst diese, die sozusagen letzten Männer lassen sich heutzutage von Gewissensbissen plagen und ziehen reumütig ihren Schwanz ein, wenn „ihre Kinder“, die sie „vernachlässigen“, zur Sprache kommen.) Je mehr Frauen ein solcher Mann bereits gehabt hat, so scheint es, desto interessanter wird er für weitere, die auch nicht enttäuscht werden, weil sein Ruf nicht von ungefähr kommt. Frauen sehnen sich nach dieser Art Mann und lassen prompt ihren Ehemann stehen oder „betrügen“ ihn, weil der ja als abgerichteter Pseudomann, der in der Familie doppelt verweibt wird (nämlich gegenüber Kind und Frau), stark an Attraktivität einbüßt und seinen Wert für die Frau nur noch als sorgender Familienvater, als Ersatzweib hat. Dort macht er sich als Softie, der „den Frauen seine schlaffe Hand über den Graben des Geschlechterkrieges hinweg reicht und um die Erlaubnis bittet, sich einbringen zu dürfen“ zum Gespött.30  Oder als „grüner Lehrer“, der heutzutage den „typischen Untertan verkörpert, ein quallig-amorpher Charakter, der seinen ‚Pazifismus’ mit jedem schweinischen Angriffskrieg vereinbaren kann, die Familie prima findet, wenn er abwaschen darf und seinen Kindern die eigene Selbstverachtung beibringen kann“.31 

Der größte Wert aber, den ein Mann für eine Frau haben kann, ist immer noch der sexuelle; alles andere ist Lüge. Jeder – wie er kann – strebt nach einem größtmöglichen Lusterleben. Frauen lassen sich nur, wenn sie Mütter sind oder werden wollen, durch ihre wirtschaftliche Abhängigkeit zu anderen Aussagen korrumpieren oder widersprechen dem, wenn sie vom zärtlichkeitsdeprivierten Mädchen in sich dominiert werden. Den weniger charismatischen Männern fällt die Veränderung zum Primitiven besonders schwer, weil sie in einer Falle sitzen: Der Weg zu einer Frau, den sie gelernt haben, ist eben der über die Zurschaustellung von Vaterqualitäten. Einfach die Signale seiner Männlichkeit auszustrahlen und damit seine Trümpfe auszuspielen, das ist dem Zivilisierten gründlich abtrainiert worden.

Den gut Abgerichteten trifft auch insofern ein hartes Schicksal, als für ihn, wenn er sich der Knechtschaft entzieht, nur die Einsamkeit bleibt, da die Frauen – wenn schon keine Familie mehr – sich die sexuell attraktivsten Männer für ihre Besuchsehe erwählen. Jetzt hat der emanzipierte Abgerichtete ziemlich schlechte Karten, weil die emanzipierten Frauen keine Probleme mehr damit haben, von einem Mann besprungen zu werden, der bereits andere emanzipierte Frauen bespringt. Mehr Sex brauchen sie nicht und teilen sich in einen Mann: die Rückkehr des menschlichen Platzhirsches. Für die meisten Scheiße, aber ehrlich.

Dann kann es sein, daß der Mann, der sich gerade noch aus der Knechtschaft befreien wollte, in das Joch von Frau und Familie zurückkehrt, weil er dort wenigstens etwas bekommt und nicht ganz leer ausgeht. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß die Frau ebenfalls wieder zur Reaktion übergelaufen ist und ihn noch einmal als Knecht aufnimmt.

Ein weiterer Vorschlag zur Lösung des Problems der grundsätzlichen Widersprüchlichkeit zwischen Natürlichkeit und Zivilisation innerhalb der Zivilisation liegt im, zumindest nach innen abgelegten, Bekenntnis zu Schizophrenie, Doppelexistenz und Doppelmoral, d.h. im Bekenntnis zur Familie bei gleichzeitigem Belügen von Familienangehörigen, etwa bei „Fremdgängen“ oder indem alle möglichen Gefühle geheuchelt oder die Kinder um ihre Gefühle gebracht werden. Ernst Nolte nennt es das „Ineinander von Verbot und Übertretung“, das zur „historischen Existenz“, also zur Zivilisation, gehöre.32  Mit diesem Beisammensein in einer Brust von sich gegenseitig widerstrebenden Impulsen und von Lüge und Wahrheit, können wir uns aber nicht zufrieden geben, auch wenn es der Weisheit letzter Schluß zu sein scheint. Lüge ist immer anstrengend, abweichend vom Spontanen und Natürlichen, unangenehm und krankmachend, und der Anspruch auf den aufrechten Gang, auf ein Leben in uneingeschränkter Wahrheit wird nie verdrängt werden können; in einem Bekenntnis zu jenem „Ineinander“ liegt also keine Lösung, sondern nur die Rationalisierung und Fetischisierung eines Status quo, in dem der Zivilisierte ohnmächtig und den zu ändern er zu sehr Memme ist. 

Ich habe mir sehr viele Jahre gegeben für die Entscheidung, ob ich die Verantwortung einer Familienvaterschaft übernehme oder nicht, und ich habe sie nach qualvollem Hin und Her, das noch nicht beendet ist, negativ getroffen. Ich habe mich aus Feigheit unverzeihlich lange – zu lange – nicht entscheiden können und dabei Schuld auf mich geladen.

Mein Vater hat sich einspannen lassen und sich dabei nicht sehr beliebt, aber krank gemacht; ich werde ihm nicht folgen. Ich bedauere sein Schicksal und kann ihm nur dankbar sein für diese Lektion, durch die ich einem gleichen Schicksal entgangen bin.33 

***

Was wäre aber nun die Perspektive, wenn eine Männeremanzipation im geschilderten Sinne in Gang kommen sollte? Was würde dann geschehen? Vermutlich würden sich die Frauen schlagartig von den emanzipierten Männern abwenden und sich vor ihnen hüten: Laßt euch bloß nicht ein mit diesen unsicheren Kantonisten und untreuen Gesellen! Sie sagen ja sogar ganz offen, daß sie mit uns Sex haben, uns dann aber im Stich lassen wollen, wenn Kinder kommen.

Gesetzt den Fall, die emanzipierten Männer brächten es zu signifikanter Zahlenstärke und es gäbe immer weniger Herren der alten Schule, würden die Frauen aber nach einer gewissen Zeit – sexuelle Begierde und auch Kinderwünsche machen sich bemerkbar – Interesse an Verhandlungen anmelden: Wir können ja mal drüber reden. Es muß ja irgendeine Lösung gefunden werden. Nicht nur der durch Reißaus entstandene Männermangel läßt solche versöhnlichen Gedanken aufkommen – die Vorstellung vom Matriarchat übt immerhin auch für Frauen einen gewissen Reiz aus, und die Damen werden neugierig: mehr Freiheit, mehr Selbstbestimmung, kein Bemuttern schwacher Männer, kein Sex mehr, den frau über sich ergehen lässt, Entfaltung eigener Kreativiät usw.

Bleibt nur noch die Frage der Unterstützung im Falle von Mutterschaften: Ein Knecht ist ja nicht mehr, und eine Sippe (noch) nicht vorhanden. An dieser Stelle könnte es verschiedene Abhilfen geben: Familienangehörige könnten einspringen, verläßliche Freundinnen oder Freunde, besonders andere Mütter und nicht zuletzt die emanzipierten Männer selbst, die, wenn nötig, ihren Freundinnen, die sie eigentlich nur zu Gespielinnen haben wollen, durchaus zur Seite stehen (zu gütig). Auch eine Mutterschaftssteuer als Anschubfinanzierung der Sippe käme in Frage. Das wäre, in der Zeit, wo es noch kein Matriarchat gibt, der Preis dafür, schon die Vorzüge eines solchen zu genießen.

Doch es sind nicht nur Verheißungen für eine ferne Zukunft, die die Frauen kooperativ werden lassen: Schon in der ersten Generation kommen die Vorzüge des Matriarchats auch in Sachen Unterstützung der Mütter zum Tragen, denn jetzt wachsen bereits die ersten Söhne auf, die – noch angelernt von den männlichen Gründeremanzen, bevor sie selbst eines Tages ihren Schwesterkindern Handwerk und Gärtnerei beibringen – tatkräftig der neuen Sippenältesten zur Seite stehen.

Stellen wir uns vor, daß ein Paar das Gute vom Schlechten unterscheiden kann und sich entschließt, als emanzipierter Mann bzw. emanzipierte Frau nur noch das Gute zu genießen. Sie „trennen“ sich, d.h. sie nehmen verschiedene Wohnungen oder ziehen in Frauen- und Männerhäuser, wo es jeweils ausgesprochen gesellig zugeht. Dann hat das Aufeinanderherumklucken ein Ende, und man freut sich endlich mal wieder richtig aufeinander (Besuchsehe):

Noch wäre das Matriarchat nicht vollständig: Den Frauen stehen am Anfang der Sippenbildung keine gleichaltrigen männlichen Blutsverwandten zur Seite. Ansonsten weisen sie schon – dank ihrer Mutterschaft – alle anderen Qualitäten von Matriarchinnen auf und sind Angehörige von wenn auch noch nicht vollständigen Sippen. Die Männer kommen in der nullten Generation bereits in den Genuß der Besuchsehe, ihnen fehlt aber die Sippe als solche; sie müssen – im Unterschied zu den Gründermüttern – in dieser nullten Generation eines modellhaft vorgestellten matriarchalen Dorfes sippenlos leben. Sie tragen „nur“ – ob wissentlich oder nicht, spielt hier schon keine Rolle mehr, frau wird von ihnen keine Alimente haben wollen – zur Schaffung der ersten wirklich matriarchalen Generation bei (und zum Aufbau des Dorfes). In dieser nachfolgenden, der ersten Generation wird es bereits vollständige, wenn auch kleine Sippen geben, und die Beteiligten weisen bereits alle matriarchatstypischen Merkmale und Lebensqualitäten auf.

Ab jetzt gehört jeder, ob weiblich oder männlich – bis auf die männlichen Dorfgründer –, einer Sippe an, und das Spiel und die ewige Wiederkehr des Matriarchats kann nun wirklich wieder beginnen: Werden die Söhne der Sippenältesten geschlechtsreif, so beginnen sie die Töchter der anderen Sippenältesten aufzusuchen, bleiben aber im Haus ihrer Mutter wohnen – so wie die Mädchen im Hause ihrer Mutter, die eine von ihnen eines Tages beerben wird; die Jungen erben nichts. Die nun entstehenden Kinder der aus verschiedenen Sippen stammenden Töchter und Söhne bleiben jeweils ebenfalls in den Häusern der Sippenältesten wohnen.

Die Gründungsmänner, die auf ewig sippenlos bleiben, schauen diesem schönen Naturschauspiel wohlwollend und stolz zu, sterben dann und gehen in die Hall of Fame des Dorfes ein. Sie waren die Gespielen der Frauen, haben aber in dieser nullten Generation von re-matriarchisierten Europäern gleichzeitig und ausnahmsweise die Rolle des Mutterbruders übernommen. Von der nächsten Generation an nimmt alles seinen ganz natürlichen Lauf…
 

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Anmerkungen

 22 Guillaume Paoli, „Wissen, was ein Vater ist“, die tageszeitung 6. Januar 2004, S. 17
 23 „Das kinderlose Land. Die viel zitierte ‘Selbstverwirklichung’ der Frauen kann den Geburtenrückgang in Deutschland nicht erklären. Auch die Männer hadern mit den neuen Erwartungen an Väter – und verzichten auf Familie“, Die Zeit Nr. 4, 15. Januar 2004, S. 3, erster Teil einer Serie zum Thema. In diesem Artikel heißt es vom Roman „Die Unentschiedenen“ des Autors Andreas Laudert: „Sein Held Christoph ist der Prototyp einer sich verweigernden Männergeneration: ‚Manche fanden die Gleichgültigkeit anziehend, die von ihm ausging. In Wahrheit wußte er bloß nicht, was er wollte. Nie kam er über das verspielte Beginnen hinaus, das zu nichts verpflichtete. Er ertrug es nicht einmal, durch seine eigenen Wünsche zu etwas verpflichtet zu sein.“
 24 Guillaume Paoli, ebenda
 25 Carolyn Niethammer, „Töchter der Erde. Legende und Wirklichkeit der Indianerinnen“, Göttingen 1985, S. 49
 26 ebenda
 27 ebenda
 28 ebenda S. 49/50
 29 Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim, „Das ganz normale Chaos der Liebe“, Frankfurt am Main 1990
 30 Schwanitz a.a.O. S. 216
 31 Peter Priskil in:
Ketzerbriefe. Flaschenpost für unangepasste Gedanken, Herausgeber: Bund gegen Anpassung, Ahriman-Verlag, Heft 115, August/September 2003. Ansonsten fällt die Begründung des Ketzers für die Notwendigkeit der Abschaffung der Familie etwas blaß, weil ideologisch aus.
 32
Ernst Nolte, „Historische Existenz. Zwischen Anfang und Ende der Geschichte?“, München Zürich 1998, S. 457
 33 Ob mir deshalb aber ein besseres Schicksal bevorsteht – dazu empfiehlt
Ernst Nolte (a.a.O., S. 456): „Ein Mann sollte also mit einer Frau verbunden sein, und zwar im Interesse der Kinder für die ganze Lebenszeit. Eine solche Gesellschaft kann man ‚naturmoralisch’ nennen: Alles, was diese einfache und durchsichtige Ordnung stört, wird als unmoralisch, ja als natur- und gottfeindlich verfolgt und bestraft.“ Der weise Historiker relativiert aber die Gültigkeit der „Naturmoral“ auf der nächsten Seite sehr deutlich: „Aber auch die ‚naturmoralische’ Gesellschaft ist nur ein Idealtyp, so gewiß ihm die Realität weitaus häufiger nahegekommen ist. Es mag die Natur sein, die dem Sexualtrieb einen generischen Charakter gegeben hat. Nur in seltenen Fällen findet der Trieb, zumal bei Männern, in der individuellen Beziehung sein Genüge, denn er ist schweifend (…). Aber auch unabhängig von dieser Natur unterliegt die ‚naturmoralische Gesellschaft’ Sprengkräften, die mächtiger sind als die Gebote und Verbote...“ – der gute alte Maulwurf bleibt am Ball.


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