AUTO: -CHTHON & -NOM Nr. 20, September 2005 – Übersicht –
Peter Töpfer
Gilad Atzmon – ein Gerechter
Pull your hat down, baby, pull the wool down over your eyes, Keep a-talking, baby, 'til you run right out of alibis. Someday
you'll account for all the deeds that you done. Well, there ain't no man righteous, no not
one.
Bob Dylan
Gilad Atzmon ist Jazz-Saxofonist und Romanautor, engagiert sich aber öffentlich auch sehr in politischen Dingen. In jüngster
Zeit trat er immer wieder mit der Forderung auf, Ernst Zündel freizulassen und Ernst Zündel das selbstverständliche Recht auf freie Meinungsäußerung einzuräumen. In einem Diskussionsbeitrag in der Newsgroup eFreePalestine schrieb er:
„Ich finde es schockierend, daß es immer ‚sozialistische Juden’ sind, die zu bestimmen versuchen, wer das Recht auf freie
Rede hat und wer mundtot gemacht werden muß. Ich will Netanjahu hören, und ich will Zündel hören. Ich frage mich, was hinter dieser deutlichen Tendenz steht, jeden möglichen Diskurs zu beherrschen. Zündel hat uns
etwas über den Zweiten Weltkrieg zu sagen. Ich sage ganz klar, was meine Haltung zum Thema Redefreiheit ist: Laßt jeden frei sprechen! Überlaßt es den Leuten, sich ihr eigenes Bild zu machen! Wir haben nichts zu
verlieren, die Gerechtigkeit ist auf unserer Seite. Frieden! Gilad“
Für sein Engagement – mit dem er doch nur die westlichen Werte hochhält – erntet Gilad Atzmon Unverständnis und Haß.
Gilad Atzmon beweist großen Mut. Er gehört neben u.a. Israel Schamir, Norman Finkelstein, Noam Chomsky, Jean-Gabriel Cohn-Bendit und Mordechai Vanunu zu den nicht-suprematistischen, auf Versöhnung und Toleranz ausgerichteten Juden – zu den jüdischen Gerechten. Im gebührt Anerkennung und Dank.
Gilad Atzmon war und ist Linksradikaler, so wie auch wir Linksradikale sind. Unsere ganze Verachtung gilt jenen
Pseudo-Linksradikalen – und auch Pseudo-Liberalen –, die das bißchen Mut nicht aufbringen und ihren Mund nicht aufmachen, wenn einer ihrer angeblich höchsten Werte, die Meinungsfreiheit, mit Füßen
getreten wird, und die, um ihre Feigheit und Dummheit zu rationalisieren, alle möglichen Ausreden und Alibis anführen; unsere ganze Verachtung gilt Pseudo-Libertären, die Angst vor Worten haben.
[Folgende Informationen sind Gilad Atzmons Netzort http://www.gilad.co.uk/ entnommen:]
Gilad Atzmon wurde 1963 in „Israel“ geboren und ist in einer atheistischen Familie aufgewachsen. Von frühester Jugend an
wurde er Zeuge des Leids der Palästinenser und litt mit ihnen. Zwanzig Jahre verbrachte er damit, den Konflikt aus dem, was er sah, und seinem biographischen Hintergrund zu lösen (Gilad Atzmon diente auch in der
„israelischen“ Armee). Schließlich verzweifelte er an den Widersprüchen und sah keine andere Lösung für sich, als „Israel“ zu verlassen. Er ging nach England, wo er Philosophie studierte.
Noch in „Israel“ begann Gilad Atzmons Karriere als Musiker (Saxofon, Klarinette) und Musikproduzent. Bis 1994 arbeitete
Gilad Atzmon als Produzent und Arrangeur bei mehreren „israelischen“ Dance- und Rockprojekten, u.a. mit Ofra Haza.
Für Gilad Atzmon war von Anfang an klar, daß seine Musik einen engen Bezug zur Politik haben würde. Heute betrachtet er sich als
ausgesprochen politischen Künstler.
Er ist sowohl vom Jazz als auch besonders von der traditionellen Musik des Nahen Ostens, Nordafrikas und Osteuropas inspiriert.
Von 1994 bis 1996 tourte Gilad Atzmon mit dem „Gilad Atzmon Quartett“ und der „Spiel Acid Jazz Band“ durch
„Israel“ und Europa und trat u.a. auf einem Musikfestival in Leipzig auf.
Von 1996 bis 1998 war Gilad Atzmon Mitglied bei Ian Dury & the Blockheads und spielte als Blockhead mit Künstlern wie Robbie
Williams, Sinead O'Connor, Paul McCartney und Mike Scott (Waterboys).
Im Jahre 2000 gründete Gilad Atzmon in London das „Orient House Ensemble“.
Auf seiner letzten CD „Exile“ versuchen Atzmon und seine Kollegen die Geschichte Palästinas zu erzählen, eines Landes, das
im 20. Jahrhundert von radikalen Zionisten mit Gewalt eingenommen wurde.
Atzmon stellt sich die Frage, wie die Juden, die doch selbst so viel gelitten haben, anderen so viel Leid antun können. Er greift
zionistische Lieder auf, um sie zu dekonstruieren. So interpretiert er in „Al-Quds“ die zionistische Hymne des Krieges von 1967 auf arabische Weise („Al-Quds“ ist die arabische Bezeichnung für
Jerusalem). Auf „Exile“ arbeitet Atzmon u.a. mit dem tunesischen Sänger Dhafer Youssef und der palästinensischen Sängerin Reem Kelani zusammen und tritt mit diesen auch in Konzerten auf.
Seit 1993 hat Gilad Atzmon neun CDs und auch ein Buch „My One and Only Love“ – eine bissige Satire über
jüdische Identität, zionistische Politik und Sex – veröffentlicht.
Nach dem Auftritt Gilad Atzmons bei der von der Socialist Workers Party organisierten Konferenz „Marxism 2005“ kam es zu
einer heftigen Kontroverse, und Gilad Atzmon sah sich gezwungen, u.a. folgendes zu erklären:
„Ich bin kein Holocaust-Leugner. Ich habe den Nazi-Judeozid nie geleugnet und werde das auch nicht tun. Ich lehne Rassismus und Nazismus
kategorisch ab, und genau aus diesem Grund bin ich ein entschiedener Gegner Israels und des Zionismus’. Für mich unterscheidet sich die expansive rassistische Bewegung des Zionismus in nichts vom Nazismus.
(…) Ich habe mich dagegen ausgesprochen, den Holocaust als Rechtfertigung in politischen Dingen zu benutzen und hinterfrage die Rolle, die der Holocaust in der Politik des Westens spielt. Ich bin an keiner
Debatte um die Zahl der jüdischen Opfer interessiert. (…) Für mich ist der Holocaust keine Frage einer Zahl, sondern eine moralische Lektion, bei der es um das Zusammenleben der Menschen geht. Bei Zionisten
habe ich mich daher unbeliebt gemacht. (…)
Ich bin Jazz-Musiker und Schriftsteller. Ich bin kein Politiker und habe nie einer politischen Partei angehört. Ich bin unabhängig. (…)
Ich glaube an den offenen Austausch von Ideen, an dem sich jeder beteiligen kann, wie unterschiedlich die jeweiligen Ansichten auch sind. Ich bin überzeugt davon, daß wir es lernen müssen, unseren Gegnern zuzuhören
[vgl. Wilhelm
Reich, Die Bedeutung der Gegenwahrheit – Anm. AUTO-Redax]. Solange wir das nicht tun, werden wir nicht gewinnen. Jede Diskussion sollte erlaubt sein, solange die Diskussionsteilnehmer nicht die elementaren moralischen Grenzen verletzen und Gewalt und Diskriminierung billigen.
Jene, die meinen Auftritt auf der Konferenz „Marxism 2005“ verhindern wollen, sind Reaktionäre, die nicht über die mindeste
intellektuelle Redlichkeit verfügen und die elementarsten Regeln der Kultur mit Füßen treten. Sie bekämpfen Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt. (…) Es ist verheerend, daß diese Reaktionäre unter dem Banner
der jüdischen anti-zionistischen Linken in Großbritannien marschieren. Juden sollten nach allem, was sie erlitten haben, die Avantgarde im Kampf gegen Diskriminierung und Verleumdung bilden. Aber noch gibt es echte
Streiter für Meinungsfreiheit unter Juden, und dafür bin ich sehr dankbar.
Ich rufe meine Gegner auf, die kommenden Ereignisse dafür zu nutzen, mit mir und allen anderen in einen fruchtbaren Dialog zu treten.
Frieden!
Gilad Atzmon“
Quelle
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