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Nationalanarchismus

 letzte Aktualisierung: 30. Mai 2007

Nationalanarchismus

AUTO:  -CHTHON & -NOM
Nr. 24,  4. April 2006
Freiheit!
– Übersicht –

 

Zwei Briefe von Ernst Zündel an Peter Töpfer
 

Ernst Zündel
JVA Mannheim
Herzogenrieder Str. 111
68169 Mannheim

 

24.3.06

[Aufkleber:] Interdependence
[Zündel:] (ist unser Schicksal – NO MAN IS AN ISLAND!)

Mein lieber Peter Töpfer!

Ich habe mich über den Brief vom 10. März 06 gefreut, denn meine Post ist total ins Schleudern gekommen. Mein Zensor, der Vorsitzende Richter in meinem Verfahren, teilte mir mit, daß mir meine Post im Zufälligkeitsprinzip ausgehändigt wird! So bekomme ich, Ende März, noch immer Weihnachtskarten und einen Brief einer deutschen Unterstützerin aus Konstanz, der sechs Monate weniger zwei Tage auf dem Gericht herumlag – nachdem er dort innerhalb vier Tagen angekommen war! Und ich dachte, in Kanada hätten Dritte-Welt-Zustände geherrscht im Postverkehr.

Also ich lerne die Mentalität meiner in der Heimat zurückgebliebenen Landsleute erst jetzt so recht kennen. Ich hätte mir viel Herzeleid ersparen können, wenn ich mal ein halbes Jahr in Deutschland unter Deutschen gelebt hätte – in den letzten 47 Jahren. Ich glaube, das hätte mich kuriert von meinem doch recht idealisierten Deutschlandbild! Jetzt hole ich das nach.

Ich bin froh zu wissen, wer die zwei tapferen jungen Männer mit dem Plakat vor dem Brandenburger Tor sind! Ich danke Euch beiden für diesen Einsatz – möchte aber nicht, daß Ihr Euch wegen mir in Gefahr begebt. Ich schrieb Detlef Nolde schon deswegen – und habe auch schon allerhand der angeschnittenen Themen in Freund Noldes Brief beantwortet. Dürfte ich bitten, daß Ihr beiden Euch die Briefe gegenseitig sehen laßt, denn ich darf nur zwei Briefe pro Werktag verschicken, und da zählen jeder Brief und alle Briefmarken besonders, denn die hat man jetzt auf maximal sechs beigelegte 55-Cent-Marken beschränkt. Das sind schon drei mehr als normal, und man erlaubt mir das, weil ich ja 1,70 Euro pro Brief an meine Frau, Enkel, Söhne und Verwandte in Übersee brauche. Ich habe drüben ja noch fünf Anwälte und Verfahren in Kanada und Amerika – an den Supreme Courts [höchste Gerichte] dieser beiden Staaten – am Laufen!

Ich habe fast immer in den niederen, d.h. ersten Instanzen verloren – und dann in den höheren Instanzen immer wieder überraschende juristische Entscheidungen gewinnen können. Also der Zündel-Fall ist noch längst nicht entschieden – noch nicht mal juristisch!

Ich gebe auch zu bedenken, daß für mich juristische Querelen, die man mir immer wieder aufzwang, natürlich in der Hoffnung geführt wurden, daß ich zu meinem guten Recht kommen würde – und daß diese endlosen Verfahren am Ende zu meinem Gunsten entschieden wurden. Aber! Das ist wichtig! Weil es für Siege keinerlei Garantien gab, betrachtete ich jedes Verfahren als eine Form ([auf Tip-Ex:] von mir zensiert – Selbstzensur], egal in welchem Staat, oder welcher Provinz, oder welcher Stadt ich vor Gericht stand, ob das Toronto, Ottawa oder Vancouver war – das Thema und die Gegner waren sowieso immer die gleichen – das machte meine Arbeit relativ einfach! ([auf Tip-Ex:] von mir zensiert]

Wegen den angeschnittenen vermeintlichen Mißverständnissen – nach dem Brief von mir an Detlef Nolde und jetzt dem von Dir und dem heutigen Antwort-Brief glaube ich, daß weitgehendst die wichtigen Punkte bereinigt sind. Nuancen wird es immer geben, teils altersbedingt, teils durch unterschiedliche Lebenserfahrungen – und bei mir besonders ausgeprägt durch meine 46 Jahre im nordamerikanischen Ausland – darunter neun Jahre im französischsprachigen Quebec, wo ich meine Lehrjahre im politischen Sinne verbrachte. Und wo ich zur Universität ging – und mein Brot unter Französisch-Kanadiern verdiente. Meine Frau, die Mutter meiner beiden Söhne, war Französisch-Kanadierin. Diese Umstände haben mich arg geprägt – und Ihr in der Heimat Aufgewachsenen könnt so ein Leben nicht nachvollziehen – das muß man gelebt haben.

Also die Deutschen werden es mit mir mindestens genau so schwer haben, mit mir – wie ich es mit den Deutschen schwer haben werde – denn das habe ich schon immer gemerkt: WELTEN trennen uns! Es reicht nicht aus, daß man als Deutscher in Deutschland geboren wurde und sogar noch deutsch spricht. In meiner Denkweise – meinem Fühlen – selbst meinen Instinkten und Reaktionen – bin ich tatsächlich, wie Du meiner Frau anscheinend einmal geschrieben hast – „amerikanisiert“! Das merke ich erst jetzt, seit ich wieder hier bin: wie arg Kanada und Amerika – zum Positiven – auf mich abgefärbt haben. Ich nehme nicht nur mit Erstaunen, sondern Befremden so manches hier zur Kenntnis! Da werden wir noch darauf zurückkommen MÜSSEN!

Ich will gleich das Reiz- oder Mißverständnis-Thema „Liberalismus“ oder „nationale Anarchie“ aufgreifen! In Amerika nennt man solche Worte „loaded terms“, also inhaltlich und emotional geladene Worte – ja Reizworte! Die sind so vielen inhaltlichen Evolutionen unterworfen wie das Wort „faschistisch“ oder auch das Tabu-Wort „Arier“, oder „jüdisch“ usw. Es ist genau so mit den Worten „Antisemit“, „Nazi“ oder „Diktatur“!

Diese Worte haben so viele hineinprojizierte Meinungen und Aussagekräfte fast wie es Benützer dieser Worte gibt. Wir wissen das alle. Das sind reine Instrumente geworden!

Zum Beispiel monierst Du zu Recht meine Wortwahl, Du bist nicht der Erste, auch nicht der Einzige, aber ich gebe sofort zu bedenken, daß Ihr in der Heimat zurückgebliebenen Deutschen gar nicht mehr wahrnehmt, oder wahrnehmen wollt, wie arg man Euch kollektiv verhunzt und deformiert hat!

Auch Eure Wortwahl – ich rede nicht von den vielen oft völlig falsch plazierten z.B. englischen Wörtern, sondern von aussagestarken deutschen Wörtern wie „Volksgemeinschaft“! Es amüsiert mich geradezu, den Schiß zu sehen, nein, welche panische Angst die hier lebenden Deutschen vieler Volks- und Berufsschichten haben, von der deutschen Volksgemeinschaft zu sprechen. Da werden Ersatzwörter zusammengeschustert, weil Ihr im Kollektiv wie Pawlows Hunde umtrainiert wurdet – und wollt es noch nicht mal eingestehen, weil das heißen würde, die eigene Ohnmacht zuzugeben, oder weil man sich fürchtet, „schief“ angeguckt zu werden – von gerade den Elementen, die Euch urdeutsche Worte vermiest haben – damit ja kein Gemeinschaftsgefühl mehr aufkommt. Die wußten, was sie Euch antaten – nur wir Deutschen waren politisch zu naiv, um diese raffinierte Technik der Umerziehung zu verstehen!

Deshalb sage ich – es trennen uns Auslandsdeutsche Welten von Euch – denn wir als Minoritäten (ethnische, volkliche), umgeben von einer nicht-deutschen Majorität, wissen sehr wohl, was Volksgemeinschaft und Schicksalsgemeinschaft heißt. Es ist nicht nur „Wertegemeinschaft“.

Mein lieber Peter, das gleiche gilt für das von Dir und vielen Restdeutschen benützte Modewort vom neuen Faschismus in Amerika oder Amerikas „faschistischen Tendenzen“ usw. Warum nennt Ihr denn nicht das Kind bei dem Namen – das diese Kräfte beschreibt, die Amerika seit 100 Jahren erfolgreich unterwandert und bis zur Unkenntlichkeit in seinen Werten deformiert haben! Aus Vorsicht – oder ist es Feigheit – umschreibt der clevere Europäer – nicht nur der Deutsche, die Franzosen und Engländer tun das auch…Da wird dann von der „Ostküste“ gefaselt…“the new Brahmins“ [Brahmanen] oder „new American Money“. Das sind alles nur „Code-Wörter“. Also Peter, ich bekenne mich selbst schuldig, und will das mit dem Wort „Anarchist“ demonstrieren.

Wenn ich das Wort lese – oder in einer Webseite sehe oder auf einem Pamphlet oder Manifest sehe –, dann sehe ich sofort die ungewaschenen, verzausten, verlumpten, vermummten Gestalten vor meinem geistigen Auge, die für Jahrzehnte zu Hunderten oft monatlich und öfters mein Haus gröhlend herumtanzend belagerten, ihre Verwünschungen und Todesdrohungen ausstoßend mit ihrem roten A im Kreis auf T-Shirts und Plakaten, die dazu aufstachelten, mein Haus niederzubrennen, Molotow-Cocktails gegen mein Haus zu werfen, mich im Fadenkreuz als Attentats-Opfer zum Abschuß frei gaben usw.!

Das ist, was Dein Wort „Anarchist“ bei mir als Reaktion erzeugt. Genau wie das Wort „Nazi“ bei Euch junge Leute mit Glatzen, Bomberjacken und Springerstiefel auf dem Fernsehschirm in Euren Gehirnen produziert. Ähnlich ist es bei dem Wort „Liberaler“. Dieses einst äußerst gut zutreffende Wort wurde in Kanada und den USA so zweckentfremdet und deformiert, daß es heute ein Totschlag-, mindestens aber ein Niederknüppelwort geworden ist! Heute ein Liberaler zu sein, in Nordamerika, heißt ein rückgratloser, doppelzüngiger Aufweicher aller staatstragenden Werte zu sein! So drastisch ist das!

Peter, ich war jahrzehntelang Liberaler – in der Liberalen Partei Kanadas, trat sogar 1967/68 als Kandidat zum Parteiführer an – und dadurch zum Premierminister-Kandidaten. Ich kam ins Endrennen als der erste Deutsche, der erste Einwanderer, der erste Student – der jüngste Kandidat für dieses Amt damals. Es war eine Sensation in Kanada damals.

Damals war ein Liberaler das Gegenstück eines Konservativen. Das änderte sich aber rasant. Als die Sozialisten und die Marxisten merkten, daß sie unter eigener Flagge niemals an die Macht kommen würden, infiltrierten sie alle liberalen Parteifunktionen und verformten diese 200 Jahre alte Partei in eine semi-sozialistisch-marxistische Partei – und ekelten alle echten Liberalen raus! Mich auch!

Ich kann doch aber nicht in Deutschland vor jedem Auftritt sagen „Hallo Leute, ich bin ein Liberaler“ wie die Deutschen vom Hambacher Volksfest oder die Leute in der Paulskirche! Du weißt das genau so gut wie ich. Das ist das gleiche wie in Amerika – da kann ich doch nicht vor jeder Rede oder jedem Interview sagen: „Hey people, I am a Jeffersonian Democrat“… Das sind alles Anachronismen!!!

Mehr folgt.

Ernst Zündel

 

 

Ernst Zündel
JVA Mannheim
Herzogenrieder Str. 111
68169 Mannheim

26. März 2006

[Vorbemerkung in rot:] Bitte Handschrift und Schmierereien sowie Buchstabierungsfehler zu vergeben. Es ist sehr spät nachts, habe kein Wörterbuch – es wurde beschlagnahmt. Mein Tipp-Ex ist zäh…

Mein lieber Peter Töpfer!

Zur Abrundung und Beantwortung weiterer Punkte in dem Brief vom 10. März 06 – wir besprachen das Thema „Debatte um ideale Staatsform und Verfassung“ auf Seite 2 Deines Briefes vom 10. März 06 –, möchte ich noch mal unterstreichen, daß einer der Gründe, warum die amerikanische Verfassung 230 Jahre lange – mehr oder weniger – von diversen amerikanischen Präsidenten geachtet wurde – und von der amerikanischen Bevölkerung fast wie ein religiöser Text, quasi wie eine Offenbarung Gottes an die Gründerväter betrachtet wurde – liegt sicher zum Teil daran, daß wenigstens bis vor wenigen Jahrzehnten dem US-Staat und seiner Einmischung in die Privatsphäre eines US-Staatsbürgers – klare und deutliche Grenzen gesetzt worden waren! Nicht nur auf dem Papier!!

Am ausgeprägtesten ist das aus den Bestimmungen des „Bill of Right“, z.B. dem First Amendement – der totalen uneingeschränkten Redefreiheit – und dem Second Amendement – dem Recht, Waffen zu besitzen – zu ersehen usw. Das reflektierte die Einstellung der weitaus überwiegenden Mehrheit der Menschen bis Ronald Reagan in den USA, und von da an ging’s dann rapide bergab!

Du hast also den Nagel genau auf den Kopf getroffen mit Deiner Feststellung, daß die Freiheitlichkeit nicht von staatsrechtlichen Überlegungen und Konstruktionen abhängt, sondern vom Charakter und von der inneren psychischen Verfassung der Menschen. Die innere Gelöstheit und Gelassenheit der Einzelnen ist die Grundlage einer freiheitlichen Grundordnung. Peter, genau das möchte ich als den glücklichen Zustand der Amerikaner bezeichnen! Ich weiß keinen anderen Staat – und ich bin weit in der Welt herumgekommen –, wo sich die weitaus breiteste Masse der Bevölkerung vor ihrem Staat – und dessen Bürokraten – so unbelästigt fühlte wie in Amerika bis Clinton – und besonders aber bis Bush Junior! Amerikaner zeigten und lebten diese innere Gelöstheit und Gelassenheit des Einzelnen!

Peter Töpfer, ich habe das selbst sofort in Amerika 1958 bis zum 11. September 2001 am eigenen Körper, mit meinen eigenen Augen beobachten und miterleben dürfenja dürfen! Dieses Gefühl ist etwas derartig Herrliches, Unbeschwertes, das sich besonders die Deutschen – so schwer gebeutelt vom Schicksal – gar nicht vorstellen können. Es ist fast paradiesisch!

Meine zweieinhalb Jahre in Amerika waren die schönste Zeit meines Lebens für mich – endlich war ich die offene und verdeckte Bevormundung durch das, was Du als „Obertanen“ so trefflich beschrieben hast, los! Und als deutliches Zeichen dieses glücklichen Zustandes führe ich diese Tatsache ins Feld: Ich brachte nicht eine einzige Stunde in einem US-Gerichtssaal zu – obwohl ich die gleichen Gedanken dachte und auch vertrat, für welche man mir in Kanada und Deutschland seit Jahrzehnten das Leben zur Hölle gemacht hatte. Verstehst Du das?

Und – das gebe ich zu bedenken – der amerikanische Staat ist deswegen gefährdeter gewesen in den letzten 230 Jahren als der kanadische Staat – oder die diversen deutschen Regime, angefangen mit Friedrich dem Großen, der der amerikanischen Revolution so wohlwollend gegenüberstand, daß Preußen einer der ersten Staaten war, der die junge amerikanische Republik nicht nur anerkannte, sondern einen wichtigen bilateralen Vertrag abschloß, der wohl einmalig in den deutsch-amerikanischen Beziehungen ist. Daß sich der Charakter der Amerikaner und der Deutschen später zum Negativen hin entwickelte, ist aus allen späteren Verträgen und Abkommen zu erkennen – und deutlich zu messen! Es ging inhaltlich bergab!

Jeffersons und Washingtons Amerika hätte einen Ernst Zündel niemals ausgeliefert und auch nicht rausgeworfen. Im Gegenteil – deutsche Liberale wie Hecker und Carl Schurz, die man nach 1848 in Deutschland wegen ihrer liberalen und demokratischen Einstellung verfolgte und wie Karnickel jagte, verurteilte und einkerkerte – die flohen NACH AMERIKA. Carl Schurz – der deutsche „Staatsgefährder“ – avancierte innerhalb von zehn Jahren zu einem wichtigen General im US-Sezessionskrieg, wurde danach wiederholt als Senator gewählt – und dann zum US-Innenminister ernannt. 

Ernst Zündel Carl Schurz

Es war dieser in Deutschland zum gefährlichen, staatsgefährdenden Aufrührler gestempelte und verrufene Carl Schurz, der vom US-Präsidenten deshalb zum Innenminister ernannt wurde, weil es galt, die sich ausbreitende Korruption im US-Staatswesen und die Bürokratie unter Kontrolle zu bekommen – und Schurz säuberte die US-Bürokratie mit eisernem Besen, führte Reformen ein, die an den preußischen Ethos und Staatsdienst anlehnten – und die Amerika gesunden ließen und die noch bis in die späten 1950er Jahre das US-Staatswesen beseelte.

A letter Ernst Zundel had written from prison, commenting on the magnificent vision of America's Founding Fathers a theme he has often discussed with friend and foe alike in the past: =>

Ernst Zündel an Heldt und Töpfer,
7. Februar 2006
=>
Peter Töpfer an Ernst Zündel,
10. März 2006
=>
Ernst Zündel an Peter Töpfer
24. und 26. März 2006
=>
Peter Töpfer an Ernst Zündel
20. April 2006
=>

Negative Identifizierung
Warum Nationalisten nichts mit Nation, Anarchisten nichts mit Anarchie zu tun haben, Nationalanarchen aber Vertreter der rationalen Kerne beider Lehren sind
=>

Noch heute spürt man den fast verloschenen Atem des alten Preußens in der US-Armee, die von Generalmajor Baron von Steuben, der in Friedrichs des Großen Generalstab gedient hatte und der von Präsident George Washington, der damals Oberkommandierender der revolutionären Streitkräfte war, den Auftrag erhielt, die US-Armee nach preußischem Muster aufzubauen, was er auch erfolgreich durchführte.

Ohne dieses Geschenk Preußens an Amerika wäre die Revolution Washingtons im Kugelhagel der damals besten Armee der Welt – den Truppen des British Empires – kläglich zusammengeschossen worden! Also daß Amerika entstand und dann bestand, verdankte es zu einem großen Teil dem Geist Preußens und seinen tatkräftigen, freiheitsliebenden deutschen Einwanderern wie von Steuben und Carl Schurz und Millionen anderen – Flüchtlingen deutscher Despoten!

Das unterschlägt man natürlich heute gern – drüben und hüben –, aber gerade wir deutschen Liberalen – ja ich muß es so sagen –, wir schufen uns im fernen Amerika den freiheitlichsten Staat, den die Welt bis dahin gesehen hatte!! Wir, die freiheitsliebenden Europäer, in ihrer großen Mehrzahl, schufen uns dort die konstitutionelle Republik, ohne das Blutbad der französischen Revolution, ohne die Kerker Metternichs – und der Reaktion vor und nach 1848 in Deutschland! Der beste Beweis, daß die 1848er durchaus im Stande waren, mit ihren liberalen Ideen einen modernen Staat zu gründen. 38 Staaten, Königreiche, Herzogtümer usw. hatten die deutsche Verfassung, die sehr stark der von Jefferson kodifizierten entsprach. Hätte Preußens arroganter König diese Verfassung und die ihm angebotene Kaiserkrone akzeptiert, wären 1848 die Vereinigten Staaten von Deutschland aus der Taufe gehoben worden – und die Agonie Europas hätte dadurch verhütet werden können – und ein Vereinigtes Europa wäre sicher aus dem deutschen Modell hervorgegangen – zum Segen nicht nur der Deutschen und Europas, sondern der ganzen Menschheit. 21 Millionen wären im I. Weltkrieg nicht verblutet, 50 bis 60 Millionen Russen und andere Ost- und Zentraleuropäer wären nicht von Bolschewiken dahingemordet worden! Adolf Hitler wäre in Wien ein beliebter Maler von Biedermeier-Bildern geblieben – einen II. Weltkrieg hätte es nicht gegeben mit seinen 50 Millionen Toten. Afrika und Asien hätten sich in ordentlichen Bahnen ohne Blutvergießen entwickelt – die Liste ist endlos. Ein kommunistisches China hätte es nie gegeben. Hätte – hätte – ja hätten die Deutschen damals die Größe des Augenblickes begriffen und dementsprechend gehandelt – der Welt wäre viel erspart geblieben.

Jetzt aber genug der Träumerei! Zurück zur Realität!

Du kritisiertest mich milde wegen meiner Wortwahl damals währenddem ich in Kanada lebte oder den USA. Ich könnte Dir noch zehn Briefe schreiben an Erläuterungen, weshalb ich was tat und schrieb damals – das würde nicht das geringste an etwas ändern! Du führst ins Feld, daß ich dadurch eventuell deutsche liberale Elemente verschreckt hätte!

Mein lieber Peter! Ich bitte Dich zu berücksichtigen – und zwar ein für alle mal, damit nicht neue Mißverständnisse aufkommen! –, erstens: Meine Rundbriefe wurden für Deutsche in aller Welt geschrieben, die nicht so verklemmt und verformt worden waren wie die in der Heimat zurückgebliebenen nach 1945 in Ost und West! Letzten Endes war ich gerade wegen dieser Zustände ja als 19jähriger ausgewandert. Deutsch-Kanadier, Deutsch-Amerikaner, Deutsch-Brasilianer, Deutsch-Argentinier, Deutsch-Südafrikaner und Deutsch-Australier waren meine Leserschaft – und die zuckten nicht zusammen, wenn ich urdeutsche Worte benützte wie „Volksgemeinschaft“ oder „Arier“ oder andere Worte und Themen aufgriff, die bei Euch im Rest-Deutschland Euch Angstschweiß und Herzflattern verursachten!

Das hat man hier nicht, damals und heute immer noch nicht, verstanden! Wir lebten in freieren Staaten, die den Krieg gewonnen hatten und daher dieses Thema „aus gesunder psychischer Verfassung heraus, mit viel mehr innerer Gelöstheit und Gelassenheit“, um Dich selbst zu zitieren, betrachteten – gerade weil unsere Wirtsländer und Wahlheimaten diese Themen nicht aus der Froschperspektive der Verlierer, des Unterlegenen, sondern eben des Siegers aus betrachteten. Und diese Staaten fanden es völlig normal und in Ordnung, daß ich als Sohn Deutschlands, als deutscher Einwanderer – mein deutsches Erbe verteidigen würde, denn Italiener, Franzosen, Engländer, Schotten, Irländer und Juden, sowie Schwarze aus Haiti, Afrika usw., die taten genau das gleiche – sie alle hatten ihre ethnozentrischen Radio- und Fernsehprogramme und Zeitungen, hatten ihre Rundbriefe, ethnischen Zeitungen wie wir USA- und Kanada-Deutschen z.B. den Kanada-Kurier und den Nordwestern hatten, bei dem ich schon in den 60er Jahren als „Assistent Editor“ mitarbeitete. Übrigens war gerade diese Zeitung vor 100 Jahren von dem liberalen „Hitzkopf“ Hecker in Milwaukee gegründet worden nach seiner Flucht 1848!! Also lieber Peter Töpfer! Da müßt Ihr etwas Einfühlungsvermögen aufbringen für mich!

Friedrich Hecker (28.11.1811 - 24.3.1881)
Der Abgeordnete der zweiten badischen Kammer und Rechtsanwalt rief in der Revolution von 1848 zum bewaffneten Kampf auf. In Konstanz rief er die erste deutsche Republik aus. Nach 3 Niederlagen in Serie mußte er über die Schweiz nach Amerika fliehen. Dort wurde er Farmer und einer der bekanntesten Vertreter der Deutschamerikaner. Im amerikanischen Bürgerkrieg kämpfte er als Oberst der Nordstaaten gegen die Konföderierten.

Aber es gab natürlich andere Gründe für die Themen und Wortwahl! Es handelte sich bei meinen Rundbriefen doch um keine Zeitung! Die Rundbriefe entstanden, um anderen Deutschen mitzuteilen, wie sie sich gegen die Verteufelung der Deutschen – und besonders der Kriegsgeneration – am effektivsten wehren konnten. Die meisten von den Rundbrief-Empfängern waren Auslandsdeutsche, die diskriminiert wurden, deren Kinder in den Schulhöfen angespuckt und verprügelt und als Nazis angepöbelt wurden – die hatten ganz andere Sorgen als Ihr im Wirtschaftswunder-Deutschland! Verstehst Du das?

Weil ich ein Mann der Tat war, Schuldirektoren, Manager von Radio- und Fernsehstationen sowie Politiker besuchte mit Delegationen von Eltern schulpflichtiger Kinder – um unsere Rechte, die einer Minorität zustanden, einzufordern usw.

Das war es, was Du in den Rundbriefen widergespiegelt sahst, und was Dich und andere befremdet hat! Von Eurer Froschperspektive im Wirtschaftswunderland verständlich – aber Ihr gabt uns keine publizistische, politische, organisatorische und schon gar keine finanzielle Hilfe! Die Liberalen in der Heimat hatten 1945 bis 1955 den Zug verpaßt – fielen überhaupt nicht ins Gewicht. Wir mußten versuchen, uns selbst zu helfen.

Haben WIR – und insbesondere ich – Fehler gemacht? Ja! 

Darüber mehr später.

Herzliche Grüße

Ernst Z.