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AUTO: Nr. 12, Juli 2004
Der Nationalanarchismus – eine Art Manifest
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6. Die neue Religion, die keine ist: das neue Weltklima
Max Stirner schreibt von einem neuen „Weltklima“, das jetzt aufzieht. Das Eigene ist es, das dieses neues „Weltklima“ schafft. Dieses neue
Weltklima zeichnet sich dadurch aus, daß die Menschen sich auf ihr Eigenes besinnen. Besinnen muß hier wörtlich verstanden werden: Die Menschen werden wieder sinnlich; der Intellektualismus stirbt.
Sämtliche geistigen Produkte verlieren an Bedeutung, nur das sinnlich klar Faßliche behält und gewinnt Bedeutung. Die Normen werden immer relativer, sie
verlieren zunächst mehr und mehr an Gültigkeit und Befolgung. Dann sterben sie völlig ab und machen nackten Interessen Platz. Dann zieht der Eigner, bzw. dann ziehen die Eigner auf, denn es sind viele, und der
Eigner ist nichts als eine paraphilosophische Figur und als solcher Geist und von daher unbedeutend.
Dann ziehen die wirklichen Menschen auf, wie sie wirklich sind und nicht von Philosophen und Wissenschaftlern definiert und vorgeschrieben werden.
Seinen Anfang wird das Aufziehen des neuen Weltklimas in Europa haben, weil hier das Goldene Zeitalter noch seine meisten Überbleibsel hat (Freiheit,
Selbstbestimmung, Wertschätzung der Unversehrtheit, Liberalismus usw.).
Es waren die Europäer, die sich trotz aller Wüstenstürme, die in sie hineingefegt sind, die Erinnerung an das unberührt Eigene erhalten haben und die
zahlreiche Versuche unternommen haben, es wieder herzustellen. Alle diese Versuche können unter dem Begriff „Aufklärung“ zusammengefaßt werden. Die Aufklärung hat immer wieder Rückschläge erlitten und ist
immer wieder von ihren eigenen Vertretern verraten worden (Diderot, Marx, Nietzsche, Freud) und hat ihre konsequentesten und radikalsten Vertreter (la Mettrie, Stirner, Reich) mit Mitteln bekämpft, die denen der
Reaktion an Falschheit übertrafen.
Die Europäer haben also über Jahrhunderte versucht, das Fremde, das das Eigene zerstört, zurückzuwerfen und seine schlimmen Folgen zu heilen. Die Europäer
haben sich infizieren lassen und selbst die Welt erobert und geknechtet. Jetzt müssen sie all das wieder rückgängig machen.
Jetzt kommen die Europäer wieder auf den Grund von allem: sie selbst und ihr Eigenes. Sie lassen sich nicht mehr von Worten und Begriffen ruhigstellen, sie
begnügen sich nicht mehr mit Hirngespinsten und Veränderungsphantasien. Nein, jetzt gehen sie ans Ganze: Wir wollen nur noch wir selbst sein, und zwar wirklich, nicht nur in Träumereien und „im Glauben“, in
Zukunftsprojektionen. Wir glauben nur noch an uns selbst und an das, was wir sehen und fühlen, was wir wahrnehmen können. Jedes Dogma, jede Ideologie, je Weltanschauung fällt vollständig weg. Wir sind die
definitiven Himmelsstürmer; wir erstürmen ein letztes Mal den Himmel und leben dann endlich nur noch dort, wo wir eh nur leben können: auf dem Boden, wo wir es uns gemütlich machen.
Dieses neue, das aufziehende Weltklima beschreibt Max Stirner wie folgt: „Hat das Mongolentum das Dasein geistiger Wesen festgestellt, eine Geisterwelt, einen
Himmel geschaffen, so haben die Kaukasier Jahrtausende mit diesen geistigen Wesen gerungen, um ihnen auf den Grund zu kommen. Was taten sie also anders, als daß sie auf mongolischen Grund bauten? Sie haben (…)
den mongolischen Himmel gestürmt. Wann werden sie diesen Himmel endlich vernichten? Wann werden sie endlich wirkliche Kaukasier werden und sich selber finden? (…) Das wahre Ende des Himmelstürmens ist der – Himmelssturz, die Himmelsvernichtung. Das Verbessern und Reformieren ist das Mongolentum des Kaukasiers…“21
Das „neue Weltklima“ wird das des „wirklichen Kaukasiers“ sein. Der wirkliche Kaukasier hat keinen Himmel mehr, er setzt keine neue Himmel an die Stelle der alten. Was Stirner nicht wußte – was aber auch nicht weiter wichtig ist –, ist, daß die Kaukasier die Mongolen sind.
7. Der Ursprungsmythos, der keiner ist: die Ureuropäer
Die Mongolen fielen als erster bekannter Wüstensturm nach Europa ein und terrorisierten und unterwarfen dort die einheimischen Nationen. Diese Nationen waren
keine aus Kaukasien stammenden Germanen, keine Arier, keine Mongolen, sondern ansässige Ureuropäer.
Stirner meint diesen Ureuropäer, wenn er vom „wirklichen Kaukasier“ schreibt. Der Kaukasier war eben nicht der Ureuropäer, sondern dessen asiatischer
Antipode, der den Ureuropäer heimsuchte, in Kriege verwickelte, entfremdete und ihn, sich mit ihm vermischend, zum Europäer machte (Germanen, Kelten, Slawen). Der Ureuropäer, der Prägermane, war noch frei, noch
„Eigner“; später wurde einer der Seinen als höchster Gott „Frey“ verklärt.
Die nationale Anarchie ist Ausdruck dieser ureuropäischen Nationen, wenngleich sie – da geht es ihr wie anderen Urvölkern – Ursprungsmythen hat,
diese aber, im Unterschied zu den Zivilisierten, nicht all zu ernst nimmt.
Bei Weltbeginn, so weiß es die germanische Mythologie, gab es einen „Gründungskrieg“ zwischen den Wahnen und den Asen. Diese werden Völker gewesen sein,
aber sie stehen für grundsätzlich verschiedene Lebensweisen. Es handelt sich hier nicht um den Beginn der Welt, sondern um einen entscheidenden Teil der Entstehung des heutigen Europas, auch wenn er außerhalb
Europas stattgefunden hat.
Das heutige Europa ist in sich gespalten bzw. setzt sich aus im wesentlichen drei verschiedenen Herkünften zusammen: die alteuropäische, die wahnische und die
asische. Diese Spaltung verläuft durch jeden einzelnen Europäer. Wir alle haben Anteile dieses Erbes in uns; jeder in seiner ihm eigenen Mischung.
Weitere Bezeichnungen für die Alt- oder Ureuropäer sind: die Pelasger (die Urgriechen), die Megalithiker oder die Europäer der Bronzezeit. Diese unterteilen
sich in die großen Gruppen Vorkelten, Vorgermanen und Vorslawen, denn Kelten, Germanen und Slawen sind bereits nur noch Halbeuropäer, asiatisierte Ureuropäer. Aus Ureuropäern wurden später – im Ergebnis einer
Überlagerung durch Asiaten – sogenannte Indoeuropäer: zum Alteuropäischen kam etwas hinzu, das auch die Inder abbekamen: Der massive Einfluß von Asiaten, die sowohl nach Westen bzw. Nordwesten als auch weiter
nach Osten bzw. Südosten zogen. Eine bessere Bezeichnung für „Indoeuropäer“ wäre der Begriff „Asioeuropäer“ und, analog dazu, „Asioinder“ – die aus den Ur-Indern entstanden.
Die Urzeitforschung geht fälschlicherweise davon aus, daß die Indoeuropäer eine urtümliche und homogene Gruppe bildeten und immer noch – obgleich
geographisch voneinander getrennt und in zwei große Gruppen unterteilt – bilden: die westliche in Europa und die östliche in Indien. Daher hätte der Begriff Indoeuropäer seine Berechtigung. In Wahrheit sind
sowohl (Ur-)Europäer als auch (Ur-)Inder (oder Ur-Perser) nicht verwandt, sondern haben lediglich den gleichen asiatischen Einfluß über sich ergehen lassen müssen, was sie zu Stiefgeschwistern macht. Die
Gemeinsamkeiten in Sprache und Mythen der Inder und Europäer sind – abgesehen von Universalismen – lediglich Ablagerungen der sie jeweils erobernden Asiaten.
Diese Eroberung und der sich daraus ergebende Einfluß ging von Asiaten aus, die aus dem Gebiet stammten, das auf halber Strecke zwischen Indien
und Europa liegt. Dieses Land, das in der germanischen Mythologie Asenland (mit Hauptstadt Asgorod) heißt und als Ur-Asien gelten kann, war durch katastrophale klimatische Veränderungen unfruchtbar geworden, so daß
seine Bewohner – die Asen – ihre Nachbargebiete, die noch Nahrung hergaben, eroberten. Dabei werden sie auf etliche einheimische Völker gestoßen sein, doch folgenreich für uns Europäer (wie auch für die
Inder, im Prinzip aber für die ganze restliche Welt) war dabei die Begegnung und die Vermischung der Asen mit dem seßhaften Volk der Wahnen, denn aus dieser Vermischung entstand ein Zwittervolk, das bis nach Europa
vordrang und seine Unstetigkeit und Rastlosigkeit allen Völkern, denen es begegnete, aufzwang.
Die Wahnen sollen an der Mündung des Dons in das schwarze Meer gewohnt haben. Der Don mag der Grenzfluß zwischen ihnen und den Asen gewesen sein. Sie können
aber auch weiter im Inneren Europas gewohnt haben, denn „der Name Wahnen kommt am Schwarzen Meer nirgends vor“22 . Es ist auch völlig gleich, ob das asische und das wahnische Prinzip dort oder erst später, weiter im Westen, aufeinandergestoßen sind. Womöglich sind die Asen erst in
Kern- oder Nordeuropa auf die Wahnen gestoßen; demnach wären die Wahnen mit den Ureuropäern identisch.
Die ersten, die die kriegerischen Asennomaden infiziert, d.h. verast hatten, waren die friedliebenden Wahnenbauern. Diese lebten in üppigen Gegenden, die von
einer Verwüstung verschont geblieben waren. Erinnerungen an diese Zeit leben in Mythen fort. Freyja und Frey waren charismatische Wahnen, die später rückblickend zu Göttern verklärt wurden, die für Fruchtbarkeit,
Wohlstand und Glück standen bzw., mythisch erhöht und verfälscht, für die Üppigkeit „verantwortlich gewesen“ sein sollen.
Selbst hatten die Wahnen keine Mythen. Freyja und Frey waren lediglich Menschen, die sich durch besondere Schönheit und Stärke auszeichneten. An sie hätte sich
unter den Wahnen und später unter den wahn-asisch überlagerten Ureuropäern aber niemand erinnert, wenn diese nicht in tragische Berührung mit den Asen gekommen wären. Freyja und Frey waren die bekanntesten Exemplare
der letzten freien Wahnen. Erst durch die Überlagerung Wahniens und später Ureuropas entstanden Erinnerungen an die paradiesischen Zustände.
„Götter“ waren den Ureuropäern unbekannt. Erst im Nachhinein, als ihnen der Krieg von den Asen bzw. Indoeuropäern aufgezwungen wurde und sie sich
verhärten mußten, erinnerten sie sich an das Goldene Zeitalter und an die letzte Führerin und den letzten Führer, deren Führertum aber kein Herrschertum war und auch keine große Rolle gespielt hat wie später bei den
militärischen Auseinandersetzungen. Und so idealisierte man Freyja und Frey. Wehmütig hörten die ehemaligen Ureuropäer den Alten zu, die von einer Zeit erzählten, als alles noch warm, herzlich, liebevoll und
gemütlich war und die Menschen in matriarchalen Sippen lebten. Freyja und Frey waren Geschwister, sie waren keine Götter, sondern normale Menschen.
„Im Garten Eden gibt es kein Heiligtum.“ (Ernst Jünger23 )
Alles Heilige muß also aufgelöst, d.h. in Heiles rückverwandelt werden, wenn wir in den Garten Eden zurückwollen. Und das wollen wir.
Ob sie wollten oder nicht – die alten Europäer, die Wahnen, mußten, vom ersten Dominostein angestoßen, mit den Asen auf die Fahrt durch die Welt, weil
ihr Land abgeweidet und zerstört war.
Ab jetzt – das war der Beginn dessen, was man „Geschichte“ nennt – stießen Völker in Kriegen aufeinander, machten sich die Ressourcen
streitig, verdrängten sich, wichen oder rotteten sich aus, flüchteten voreinander oder warfen sich fanatisch in den Kampf, unterwarfen sich oder warfen sich zu Herren auf, vermischten sich, lösten Bewegungen und
sog. Wanderschaften aus: Die große Unruhe und das große Chaos kam in die Welt, die sich von nun an durch Leid, Schmerz und vielen Millionen von Opfern menschlicher Gewalt auszeichnete. Dieses Elend hält bis heute an
und wird erst am Ende der Geschichte, das der Nationalanarchismus vollzieht, enden.
Vor ihrer schicksalhaften Begegnung lebten die Wahnen am östlichen Rand Europas, die Asen am westlichen Rand Asiens im heutigen südlichen Rußland diesseits und
jenseits des Flusses Don, der die Grenze zwischen Europa und Asien bildet. Die Wahnen lebten seßhaft, friedlich und matriarchal organisiert auf fruchtbarem, europäischem Boden. Sie waren ein „glänzendes, lichtes
Geschlecht, die mit Jahressegen, Frieden und Reichtum zu schaffen haben“24 und „im Naturzustand verharrten“25 . Sie paarten sich unter Geschwistern, das im „deutlichen Gegensatz“ zu den
„kriegerischen, geistesmächtigen Asen, die sich im Besitz höherer sittlicher Anschauung“26 befanden und streng patriarchalisch-familiär verfaßt waren.27
Die Asen waren zunächst auch friedlich, wurden aber, nachdem ihr Land durch eine Naturkatastrophe unfruchtbar wurde, zu Reiterkriegern, die ihre angestammte,
nun aber verwüstete und versteppte Heimat im Asenland (Ur-Asien) verließen und nun nomadisierend, raubend und erobernd fruchtbares Land heimsuchten, den landwirtschaftlichen Anbau abweideten und die ansässigen
Bauern unterjochten. Sie gelten als kriegerisch, brutal, ihrer Natur entfremdet, vergeistigt und intellektuell. Ihr vornehmstes Zeichen ist, daß sie ihre Kinder abrichten wie ihr Vieh. Säuglinge werden Höllenqualen
ausgesetzt:
„Eine Reihe weiterer traumatischer Faktoren stehen insbesondere mit der harten Lebensweise in Wüsten und Dürregebieten in Verbindung. Ein wichtiges Beispiel
stellt die Verwendung eines bestimmten Rückentragegestells bei den Nomadenvölkern Zentralasiens dar, das für das Baby zur doppelten Qual von Schädelverformung und immobilisierendem Festeinwickeln des ganzen Körpers
führte. Die kulturelle Institution der Schädeldeformation beim Säugling verschwand um die Wende zum 20. Jahrhundert, doch das kokonartige Einwickeln scheint zwischen Osteuropa und Ostasien bis heute üblich zu sein.
Normalerweise wird ein Baby, das solcherart schmerzhaftem Einbinden ausgesetzt ist, versuchen, sich zu befreien und laut schreien, um die Aufmerksamkeit und
Hilfe eines Erwachsenen anzuziehen. Ich vermute allerdings, daß dies bei hungerleidenden Säuglingen in einem körperfixierenden (und oftmals kopfquetschenden) Rückentragegestell während eines langen Marsches unter
sengender Sonne nicht der Fall ist. Unter extremen Dürre- und Hungerbedingungen werden die Erwachsenen zunehmend kontaktlos und sind weniger aufmerksam und willens, ständig anzuhalten, um ein im schmerzenden,
kopfverformenden Tragegestell festgezurrtes Kind zu beruhigen.“28
Das kann nur zu unbeschreiblichem Haß führen; der Sadomasochismus der Gattung Mensch ist nun in der Welt und bis heute in ihr geblieben.
Die Wahnen wehrten sich aber, und so kam es zu besagtem Krieg zwischen den friedlichen wahnischen Bauern und den nomadisierenden asi(ati)schen Eroberern.
Dieser Krieg ist der Ur- und Protokonflikt der seither andauernden Auseinandersetzung zwischen Europa und Asien, aber auch die Ursache für unsere aller Zerrissenheit in Lebensbejahung und Lebensverneinung.
Gezwungenermaßen gaben die Wahnen dabei ihr friedliches Wesen zum Teil auf. Weder Wahnen noch Asen konnten den Krieg für sich entscheiden, und so schlossen sie
Frieden und vermischten sich. Dabei gaben die Wahnen mehr von sich auf als daß die Asen von den Wahnen beeinflußt worden wären. Immer obsiegt die Lebensfeindlichkeit über die Lebensbejahung. Deshalb wird der
Nationalanarchismus nie Erfolg haben und nationale Anarchien erst nach den Ragnarök, nach dem Zusammenbruch der Zivilisation, entstehen, und zwar von selbst, spontan, ohne jede Erinnerung an Nationalanarchismus.
Der Anführer der Asen war ein Mann namens Odin, ein böser, gewalttätiger Herrscher, „Heerführer der Schnurkeramiker-Streitaxt-Leute, die gegen Ende des 3.
Jahrtausends v.Chr. aus den asiatischen Steppen nach Europa eingedrungen sein sollen“.29
Odin war der Fürst (engl. first – der Erste) der Asen. Noch heute benutzt man für „eins“ im Russoslawischen das uröstliche Wort „Odin“.
Odin wurde auch „Ario“ genannt. In den von ihm und seinen brutalen Kriegern unterworfenen Völkern verwandelte sich dieses Wort später u.a.
in das deutsche Wort „Herr“. Bald nannten sich alle seine Untergebenen „Arier“, d.h. „Herren“. Die Arier sind keine Rasse, sondern sind die überall auf der Welt herrschende Ausbeuter- und
Unterdrückerschicht, die vornehmen Herrschaften. Es gibt sogar blonde Arier. Und das Dilemma ideologiesüchtiger Nationalsozialisten, warum es denn nun „auch“ dunkelhäutige und -haarige Arier gibt (Perser,
Kurden), ist damit endlich auch gelöst.
Die germanischen Indoeuropäer mußten, um im Kampf um die Ressourcen weiter bestehen und entsprechend hart kämpfen zu können, ein Ideal entwickeln:
So wie er damals – jener starke Führer, jener sagenumwobene Odin –, so müssen wir auch sein. Und so werden die Kinder, insbesondere die Jungen, künstlich in Situationen gebracht, wo sie sich abhärten und
dabei automatisch das Ideal entwickeln und „Gott erkennen“ müssen, auch wenn die Situation, in der sich das Volk befindet, gar nicht diese Härte erfordert. Das sind die sog. Initiationsriten, wie sie Britta
Verhagen beschreibt:
„Wir wissen, daß der Einzuweihende in den frühen Zeiten den symbolischen Tod zu erleiden hatte, um als neuer, verwandelter Mensch aufzuerstehen. Er wurde dabei
oft schmerzhaften und schwächenden Zeremonien unterworfen, um aufnahmefähig auf für das letzte, höchste Erleben der Jenseitsfahrt zu werden. Aber auch das tiefe Wissen kann [angeblich] nach Glauben der Naturvölker
nur durch Opfer und Schmerzen gewonnen werden. Diesen Sinn hat ohne Zweifel das vielumrätselte Lied vom Selbstopfer Odins (Hávamâl, übersetzt von F. Genzmer):
Odin spricht: Ich weiß, daß ich hing Am windigen Baum neun Nächte lang, Mit dem Ger verwundet, Geweiht dem Odin, Ich selbst mir
selbst An jenem Baum, Da jedem fremd, Aus welcher Wurzel er wächst.
Odin hängt, sich selbst geweiht, am Weltenbaum, verwundet, hungernd und dürstend, um Weisheit zu erlangen.“30
Jedes Kind stirbt seither neu und für sich allein. Es ist mehr als „symbolischer Tod“. Es stirbt wie Odin und wie Jesus.
Auf diese Weisheit aber, die mit so viel Schmerzen verbunden ist, die die Sinne abtötet und daher sinnlos ist und Sinnlosigkeit bewirkt, verzichten wir.
Dem tatsächlichen Odin, der sicherlich mit großen, wenn auch pervertierten, Begabungen ausgestattet gewesen sein muß, wurden allerhand wundervolle
Eigenschaften hinzugedichtet; er wurde idealisiert. Ideal und Gott sind aber das gleiche. Religion heißt: So mußt du sein und dich verhalten, damit alles gut wird. Und so wurden aus realen Menschen, wenn sie bei der
Führung ihres Volkes erfolgreich waren, Ideale bzw. Götter.
Im Streit der Religionswissenschaftler und der Historiker, warum die Götter menschliche Gestalten haben und ob die Götter aus realen historischen Personen
hervorgegangen sind, haben eindeutig die sog. Euhemeristen recht. Euhemerismus heißt – von seinen Gegner aus gesehen –, daß Gott, der a priori als gegeben angesehen wird und gar nicht hinterfragt wird, als Stammesführer, als historische
Person gesehen und dargestellt wird. Außerhalb dieses Streits der Gebildeten ist ein Stammesführer ein Stammesführer.
Die Nationalsozialisten haben die Deutschen zu Ariern erklärt, was sie aber – je nach Standpunkt gottseidank oder leider – nur zum Teil sind. Und
der von den Nationalsozialisten behauptete Gegensatz zwischen Ariern und Juden ist im Grunde keiner, weil die Juden die Herren der Welt sind. Sie waren die mächtigsten, weil intelligentesten Eindringlinge nach
Europa.
Der Nationalsozialismus war Ausdruck der Infizierung Ureuropas mit dem Arischen: die Ureuropäer konnten nur ihre Eigenheit wenigstens teilweise bewahren, indem
sie sich den Methoden der Arier, der eindringenden Herrenmenschen aus dem südlichen und östlichen Wüsten- und Steppengebieten, anpaßten und mit den gleichen Mitteln zurückschlugen. Dabei verrieten sie sich freilich
gleichzeitig.
Doch noch immer ist das Ureuropäische mit seinen typischen Eigenschaften lebendig. Je weiter man nach Norden kommt, desto heiler hat das Ureuropäische
überleben können, desto friedlicher und toleranter sind die Menschen und deshalb auch bei allen anderen Völkern beliebt. So ist es z.B. kein Zufall, daß die deutsche Nationalmannschaft bei der
Fußball-Europameisterschaft zwei Trainer hat, auch wenn einer der Chef ist. In südlicher gelegenen Ländern ist das schlechter denkbar; dort herrscht ein einziger Patriarch. Das noch nördlicher gelegene Schweden hat
zwei Trainer, und zwar rangmäßig gleichgestellt – undenkbar im autoritär-hierarchischen Süden. Beide Trainer genießen gleich viel Autorität: einer eher auf athletischem, der andere eher auf taktischem Gebiet.
Die Führung beruht im Norden stets auf fachlicher Qualifizierung und fluktuiert von Gebiet zu Gebiet. So trifft es sich, daß in einer Gemeinde fast jeder auf einem Gebiet Führer ist. Und selbst die Dorfälteste hat
ihr Gebiet, auf dem sie führt (z.B. Streitschlichtung), und mischt sich nicht in andere Gebiete und Belange ein.
Es ist auch alles andere als ein Zufall, wenn sich ausgerechnet Schweden der repressiven Religiosität und dem Gesinnungsterror widersetzt. Die Meinungsfreiheit
hat sich nur im hohen Norden halten können; in allen anderen „europäischen“ Staaten herrschen libertizide Gesetze und Gesinnungsterror. Die Schweden trotzen erfolgreich dem Glaubenszwang, obwohl Mitte Januar
2000 wiederum nicht zufällig gerade in Stockholm eine Holocaust-Tagung durchgeführt wurde, wo von südlichen Staaten und Judenvertretern eine europaweite Zensurgesetzgebung durchgepeitscht werden sollte. Michel
Friedmann tobt, daß in allen nordischen Ländern Meinungsfreiheit herrscht. Die sozialdemokratische Justizministerin Schwedens, Laila Freiwald, hält den Neo-Asen stand: „Ich halte nichts vom Verbot der freien
Meinungsäußerung.“31
Die Mythisierung des Norden durch die Nationalsozialisten ist grotesk. Diese waren alles andere als nordisch, d.h. friedliebend, frei und tolerant. Ganz im
Gegenteil kopierten sie den kriegerischen und autoritären Süden, das Römer- und Judentum. Wenn die Blonden in der Welt beliebt sind – empirisch nachgewiesen sind sie das –, dann aufgrund ihrer
Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Friedsamkeit und Vertrauenswürdigkeit.
Doch auch der Nationalsozialismus hatte ureuropäische Anteile. Diese wurden von Herman Wirth präsentiert, der als Widerpart zu Heinrich Himmler gelten kann,
welcher das Herrenmenschentum repräsentierte. Der asische Teil der deutschen Freiheitsbewegung des 20. Jahrhunderts hat sich in seiner Brutalität kaum mehr vom puren Asentum der Wüstensöhne unterschieden. Der
Nationalanarchismus ist u.a. das Erbe des matristisch-wahnischen Flügels der NSDAP.
Der wirkliche Gegensatz besteht nicht zwischen Ariern und Juden, sondern zwischen den friedlichen Ureuropäern auf der einen und den Asioeuropäern
(„Indogermanen“) und Semiten auf der anderen Seite. Auf der einen Seite das Seinsprinzip, daß man so ist wie man ist und der wird, der man ist. Auf der anderen Seite das Streben nach einem Ideal, der Kampf
gegen sich selbst zugunsten einer Person, die man eigentlich gar nicht ist. Auf der einen Seite die Zufriedenheit mit sich selbst, wie man ist (was voraussetzt, daß man als Kind genug bekommen hat und von den
Älteren bestätigt worden ist). Und auf der anderen Seite Unzufriedenheit mit sich selbst, die Selbstverurteilung (weil man sich das sadistische Verhalten der Älteren – von denen man abhängig ist, die man
abgöttisch liebt und denen man nichts Schlimmes zumutet – nur mit eigener Schuld erklären kann).
Doch „es gibt keine Schuld, das weiß ich jetzt; es gibt nur verschiedene Rollen. Die Schuld ist eine Schöpfung, Spannung zu erzeugen, ein Kunstgriff, eine
Willkür, ein Mutwillen wie das Recht“.32
Wahnen und Ureuropäer hatten, so, wie sie keine Mythen hatten, auch keine Ideale. Sie waren mit sich zufrieden und strebten nach nichts anderem. „Bleib so, wie
du bist“, war ihr einziges „Ideal“. Sie kannten keine materielle Not, ihr Land war fruchtbar, und alles war schön.
Auch wir haben keine Ideale und keine Mythen mehr – dieser Ursprungsmythos ist keiner. Es ist uns egal, ob er historisch stimmt oder nicht, am Ende wird
er vielleicht sogar wirklich von den Historikern bestätigt... Es ist nur ein Bild, das uns behilflich ist, etwas auszudrücken, was wir an anderer Stelle auch nichtmythisch und nichthistorisch auszudrücken versuchen.
Wir Ureuropäer brauchen keine Verfassung; und so sollen die Gebildeten ruhig die „christlichen Ursprünge Europas“ in ihrer komischen Verfassung nennen
und erzählen, daß Europa „einer christlichen Kultur entspringt“33 . Lachhaft.
Uns sind Ursprungsmythen im Grunde völlig egal. Wenn wir historisch zu Werke gehen würden, läge unsere Kultur so weit zurück, daß eine Anknüpfung an sie
unmöglich ist. Wir müssen eine neue Kultur herstellen, nur aus unseren Bedürfnissen heraus, ohne jegliche Rücksichtnahme auf Geschichte oder Mythologie. Eines der Charakteristiken der Wahnen ist, daß sie keine
historischen Vorbilder hatten. Und so haben auch wir keine.
Die Europäer haben nie aufgehört, daran zu glauben, eines Tages wieder ausgeglichen und zufrieden mit sich selbst zu sein und keine Arier in und über ihnen zu
haben. Sie haben immer das Mongolentum angegriffen, haben nie Ruhe gelassen, haben immer wieder die Ideale, d.h. die Muster, nach denen sie gebildet, nach denen sie und ihre Gruppen konstruiert wurden, in Frage
gestellt und das Heiligste, die Religion, angegriffen.
Aber sie haben dabei das Ideal selbst als das Schlechte schlechthin nie verworfen, sondern immer wieder neue Ideale an Stelle der alten gesetzt. Jetzt muß
Schluß gemacht werden mit den Idealen. Die Europäer müssen zu Ureuropäern werden, müssen wieder grenzenlos spinnen…
Was wurde in jenem „Gründungskrieg“ gegründet? Dort im südlichen Rußland, am Kaukasus, wurden die heutigen europäischen Völkerfamilien – die
Kelten, die Germanen und die Slawen: die Kaukasier – gegründet. Besser gesagt wurde die Gründung dieser Völkerfamilien dort vorweggenommen. Denn als Wahnen und Asen sich bekriegten, lebten die Vorfahren der
Kelten, Germanen und Slawen – die Stirner meint, wenn er „Kaukasier“ sagt – noch im natürlich-friedlichen Urzustand wie einst die Wahnen, als diese noch nicht von den Asen drangsaliert worden
waren. Erst später sollten es die Ureuropäer mit den Asiaten zu tun kriegen. In Alteuropa wurde nicht indoeuropäisch gesprochen. Die Alteuropäer hatten Sprachen, die kaum etwas mit der Sprache zu tun hatte, die die
wahnisch-asischen Mischlinge mitbrachten: das Indogermanische.
Das wahnisch-asische Zwittervolk, die „Indoeuropäer“, war asisch dominiert, d.h. die Wahnen hatten sich der Lebensweise der Asen, die eine gewalttätige
war, zwangsläufig unterwerfen müssen. Auch ihre wahnische Sprache, die mit den ureuopäischen Sprachen des Westens und des Nordwestens verwandt gewesen sein wird, ging dabei verloren:
„Mindestens 1/3 des germanischen Grundwortschatzes läßt sich nicht aus dem Indogermanischen herleiten“34 und zeugt von unserer vorgermanisch-megalithischen Herkunft. Die ureuropäische Sprache der Germanenvorfahren wurde vom Indogermanischen überlagert. Aber wie zum Zeichen dafür, daß unser ureuropäisches Erbe verdrängt und so getan wird, als seien wir Europäer primär zur Hälfte kriegerisch, d.h. angeboren böse, wird das nicht-indogermanische und vorgermanische Drittel in den Herkunftswörterbüchern verschwiegen35 .
Es findet sich schlicht nirgends ein Hinweis auf Vorindogermanisches! Allenfalls erscheint ein „Herkunft ungewiß“, wie beim Stichwort „Pflug“, oder
es wird gesagt, die Herkunft bleibe „schwierig“, wie bei „Adel“, von welchen beiden Wörtern es just heißt36 , sie seien nicht-indogermanisch. Es muß wohl davon ausgegangen werden, daß, wenn für die Etymologen eine Herkunft nicht klar ist, es sich fast immer um
vorgermanisch-ureuropäische Wörter handelt. Weitere Beispiele: „Krieg“ („ungeklärt“), „Nord“/„Süd“ („auszugehen wäre von … zweifelhaft bleibt ob … angenommen werden
kann…“) und „Volk“ („vielleicht zu verstehen als…“). Im Duden-Herkunftswörterbuch gibt es gar keinen Eintrag zu „Volk“!
Das Gleiche, also die Überlagerung durch Asisches, gilt für die Kelten und für die Slawen, in deren Geschichte es jeweils einen entscheidenden „seltsamen
Bruch“37 gibt: die traumatische Begegnung mit den Asen. Bei den Kelten vollzog sich dieser Bruch mit „Beginn des Latène-Stils etwa um 500 v. Chr.“38 Bis dahin lebten die Kelten bzw. die Vorkelten in der sog. Hallstatt-Kultur, die „in der Nachfolge der nordeuropäischen Bronzezeit“39 – der Zeit des „Klimaoptimums, einer Wärmezeit voller Fruchtbarkeit, zweifellos das ‚Goldene Zeitalter’ der Überlieferung“40 – stand, ein „friedliches bäuerliches und adeliges Leben“ und unterhielten „fruchtbare Handelsbeziehungen zum Süden“.41
Noch heute kann gesagt werden: je nördlicher, desto friedlicher, toleranter. Je südlicher, desto machohafter, herrischer, despotischer. Daß die Skandinavier so
friedlich sind, liegt daran, daß sie nicht so sehr unter den Einfluß der Asen gerieten wie ihre bedauerlichen südlichen und östlichen Nachbarn.
„Dann aber“ – nach jenem „seltsamen Bruch“ –, schreibt Britta Verhagen, „erscheint der Latène-Stil, der sich von dem klarlinigen
Hallstatt-Stil sehr wesentlich durch eine ganz andere Technik und plastische Formung mit Tierdarstellungen von oft erschreckender Dämonie unterscheidet. Dieser Stil erinnert nicht unwesentlich an die aus den
Kurganen Südrußlands bekannten Bronzen mit ihrem wildbewegten Tierstil. Gleichzeitig zeigt sich nun auch bei den Völkern des frühkeltischen Raumes eine vordem nicht gekannte Wanderlust; jetzt beginnen die großen
Keltenzüge, die unter kühnen Anführern (…) nach allen Richtungen ausschwärmen“42 , halb Europa eroberten und sogar so weit verasten, daß sie zu Kopfjägern wurden und die „erbeuteten Feindesschädel über ihren Haustüren anbrachten“43 .
„Was ist denn da mit einem Male in die geruhsam den Acker bebauenden, handeltreibenden und schönheitsliebenden Hallstattleute gefahren, daß sie zu solche
wilden Auswanderern, Eroberern und Kämpfern wurden?“, fragt Britta Verhagen44 und gibt die Antwort: „Es muß sich um einen kompakten Einfall und ein Ansässigwerden einer wenn auch dünnen Erobererschicht handeln.“45 Britta Verhagen meint, daß die asiatischen Eroberer „den Wandertrieb und den kriegerischen ‚Furor’ in den Völkern des Westen weckten“, doch sie selbst geht von der primären Friedlichkeit der Ureuropäer aus.
„Wecken“ ist also der falsche Ausdruck; richtig müßte es heißen, daß die Völker des Westens infiziert wurden. Der Furor ist germanisch, aber nicht
ureuropäisch. Die Ureuropäer mußten sich gegen die Reiterhorden aus dem Osten wehren und sich ihnen anpassen. Die Kelten gingen dabei sogar soweit, daß sie den asischen Brauch übernahmen, Diener zu töten und diese
in das Grab des verstorbenen Herren hinzuzulegen. „Die Kelten wurden zu schweifenden, beutemachenden Auswanderern, zu Reitern, sie schufen eine Kunst von fast erschreckender Aussagekraft und hintergründiger Dämonie.
Kampf, Tod und Schädelkult stehen im Vordergrund. (…) Das alles mutet so ‚östlich’ an, daß wir kaum daran zweifeln können: Hier muß um die Mitte des ersten Jahrtausends v.Chr. ein bedeutender Einbruch
eines Steppenvolkes aus dem Osten die frühere Kultur und somit auch die Bevölkerung überlagert und gewandelt haben.“46
Der Indoeuropäologe Jean Haudry schreibt: „Freyr gehört zu den Wahnen, den Göttern des Wohlstands, des Überflusses, des Friedens und der Fruchtbarkeit. Asen
und Wahnen stießen zu Weltbeginn in einem ‚Gründungskrieg’ zusammen.“47
Manche Autoren glauben, die Indoeuropäer würden aus Mitteleuropa stammen, „aber der soziale Egalitarismus (…) sowie das Fehlen kriegerischer Züge bringen
sie näher an die Donauländer des balkanischen ‚Alteuropas’, das schon durch den Kult einer obersten Muttergöttin offenbar nicht indoeuropäisch ist.“48
Die Asen sind lediglich die Protonomaden und stehen bildlich für alle Nomadengruppen, die sich im Verlaufe der Geschichte über Europa hergemacht haben (Hunnen,
Mongolen, Skythen, Türken, Juden usw.). Seit Beginn des Kolonialismus erleben wir einen furchtbaren Rachefeldzug der verasten, genauer gesagt: verjudeten Europäer, die zu globalen Herrschern werden und die die ganze
Welt untertan machen. Die Weißen sind nun die schlimmsten Asen.
Wie List, Tücke und Lüge charakteristisch für das Asische ist, so zeichnet sich das Wahnische durch Wahrhaftigkeit und Wahrheitsliebe aus. Jean Haudry zufolge
ist „die Wahrheit der höchste Wert in der indoeuropäischen Welt“. Die – wie es Jean Haudry schreibt – „Religion der Wahrheit“ der Indoeuropäer geht mit Sicherheit auf den wahnischen bzw.
ureuropäischen Anteil am Indoeuropäischen zurück. Während die Asen wie gesehen von „höherer sittlicher Anschauung“49 waren, ist die Wahrheit bei den Wahnen – und das ist radikal wichtig – gleichwohl „mehr als ein moralischer Begriff“, wie Jean Haudry schreibt (der das freilich nicht für die Wahnen, sondern irrtümlich für die Indoeuropäer gelten läßt).
Der entscheidende Gegensatz lautet: Moral gegen Wahrheit. Die Dinge akzeptieren, wie sie sind, mit der Natur gehen, oder aus den Dingen etwas Höheres machen, gegen ihre Natur sein.
Doch wir Wahnen bzw. Ureuropäer wissen, daß es uns nicht einmal mehr als Spur geben würde, hätten wir uns nicht den Asen in einem gewissen Maße angepaßt und
uns nicht in Halbasen – in Germanen, Kelten und Slawen – verwandelt. In diesen Verpuppungen leben wir fort. Wir brauchen sie nach wie vor. Wir müssen mit den Asen Kompromisse eingehen, müssen Germanen
und wehrhaft sein. Aber wir werden nie kriegerisch, nie angreiferisch sein. Wir verteidigen nur unser friedliches Leben. Die Einsicht in die Notwendigkeit der Verteidigung ist Grundlage der wahnisch-halbasischen,
d.h. der ureuropäisch-indogermanischen und deutsch-antideutschen Versöhnung.
Nicht die Halbasen, sondern die Asen sind unsere Feinde. Wir sind antideutsch, aber nicht deutschfeindlich, germanophob. Aber wir verleugnen den
Unterschied zwischen uns und den halbasischen Indoeuropäern nicht, wir bestehen auf ihm.
Womit können wir bei den Indoeuropäern werben, womit machen wir uns für sie interessant, was könnte deren Interesse an einer Zusammenarbeit mit uns sein?
Unser hauptsächliches Angebot an die Indoeuropäer, an die Deutschen, Franzosen, Engländer und Ukrainer, an die Germanen, Kelten und Slawen besteht darin, daß
wir ihnen dabei helfen können, wenn sie ihre wahnischen Anteile wiederbeleben möchten, d.h. wieder wirklich frei und zufrieden sein wollen.
Die wesentliche Veränderung in den Seelen und Körper der Indoeuropäer lag darin, daß sie List und Tücke, also die Lüge, von den Asiaten übernommen haben. List,
Tücke und Betrug wurden zur Gewohnheit, zur zweiten Natur. Das führte dazu, daß die Germanen nicht mehr in ihrer Wahrheit lebten. Wir wahnischen Ureuropäer, die das noch tun, können unseren Halbgeschwistern –
wenn sie das möchten – dabei helfen, sich von ihren Lebenslügen zu befreien. Denn danach sehnt sich der Indoeuropäer: Er will in der Wahrheit leben, weil das ein schönes, angenehmes, streßfreies und einfaches,
nicht gespaltenes Lebensgefühl ist. Das kann er aber nur zur Hälfte. Wir helfen ihm, es ganz zu haben.
Der Indoeuropäer sehnt sich zurück zu sich selbst nach Ureuropa.
Wir, die Ureuropäer, also der wahnische Anteil der Indoeuropäer, sind immer wahr geblieben und können ihnen helfen, ihre Wahrheit wiederzufinden und in ihr zu
leben.
Zu diesem Zwecke richten wir Wahrsagereien ein; das sind geschützte Orte, zu denen die Germanen kommen können und wo sie sich aussprechen, wo sie ihre Wahrheit
sagen und wieder annehmen können. Denn selbstverständlich sagen nicht wir ihnen die Wahrheit, wie es die Asen mit ihren Priestern der Wüstenreligionen tun.
Die Leute sollen sie selbst sein; sie sollen sich – wenn sie das möchten – aus sich selbst entwickeln, sie sollen nur ihre eigene Wahrheit
entdecken und nach ihr leben. Wir möchten nicht „durch rednerische Betätigung an der Umbildung der Seelen mitarbeiten“.50
Es gibt nicht die Wahrheit, keine objektive Wahrheit; die Indoeuropäer müssen ihre Wahrheit, die „subjektive“ Wahrheit selbst finden. Wir können ihnen dabei nur Mut machen und sie auf der Wahrheitssuche beschützen, ihnen ihre Wahrheit nur abnehmen.
Durch die Wahrsagereien, durch regelmäßig abgehaltene Stunden der Wahrheit, entsteht eine Kultur der Wahrheit, die die Einzelnen immer mehr zu sich und ihren
Interessen bringen und den Durchsetzungswillen stärken. Auf dem Weg zu sich werden die Scheinbedürfnisse immer weniger; die eigentlichen Bedürfnisse aber werden immer energischer zu befriedigen gesucht.
8. Emanzipatorische Falle und Endstadium des Humanismus: der Hegelianismus
Der Hegelianismus ist deshalb eine Gefahr und von Bedeutung, weil es in Europa Hegelianer gibt, die sich aufgrund ihrer Intelligenz und Ihrer Radikalität an
die Spitze einer europäischen anti-mongolisch/anti-jüdischen Bewegung setzen könnten. Eine weitere Falle, in die der entfremdete Mensch auf der Suche nach Heil, d.h. nach Ganzheit tappen kann, d.h. eine weitere
Religion, in der er sich flüchten kann, ist die Ganzheit im Denken, d.h. die so umfänglich und so logisch korrekt wie mögliche gedankliche und sprachliche Erfassung des Wirklichen, d.h. die Denkreligion,
anders gesagt der Hegelianismus. Hier flüchtet sich der Mensch in den Kopf. Denkt er alles, vermeint er alles zu haben und zu sein. Natürlich flüchtet er nicht vollständig, weil er vom Denken nicht satt wird. Und so
gehören heute Hegelianer sogar zu den vehementesten Vertretern einheimischer, eigener Interessen und können ziemlich radikal, geradezu nihilistisch argumentieren, so als würden sie nichts kennen und wäre ihnen nichts heilig (Mahler, Oberlercher).
Oberlercher kritisiert vehement den Humanismus, aber seine Kritik bleibt auf halbem Wege stecken, ist nicht wirklich radikal. Er schreibt: „Der vereinzelte
Mensch, wie er heute zum Pathosträger der Zeit, zum Souverän und zur Quelle aller Rechte gemacht wird, ist aber ein bloßes Exemplar seiner Gattung, ein Mensch an sich und damit jeder Mensch. Aber der
Mensch an sich, ohne jede weitere Bestimmung, ist bloß eine besondere Tierart mit auffällig entwickeltem Großhirn.“51
Eine „jede weitere Bestimmung“ würde aus dem Menschen an sich nur etwas Weiteres an sich, ein Bestimmtes an sich, machen. Der Mensch
wird durch eine Bestimmung (durch die Bestimmungsbehörde?) wieder zu nichts Eigenem, zu nichts Selbstbestimmtem; er bekommt wieder seinen Platz und seine Daseinsform zugewiesen.
Um der Menschlichkeitsreligion zu entkommen und ihr ernsthaft etwas entgegenzusetzen, muß ich aber überhaupt kein Mensch mehr sein, sondern nur ich. Als ich, als voll fühlendes, denkendes, freies und verantwortliches Ich identifiziere ich mich – ich ganz persönlich jedenfalls, PT – allemale mehr mit jedem anderen Ich („Mensch“, „Mitmensch“) und habe mit diesem Ich viel weniger Reibung, habe viel mehr Achtung vor ihm als es ein Humanist je haben könnte, der – weil nur Ideologe und auf dem dünnen Eis der Zivilisation wandelnd – immer wieder zum Schlächter von Menschenmillionen wird. Doch mein Haupteinwand gegen den Humanismus ist, daß Humanisten mich bestimmen.
Die Hegelianer wollen mich nun „weiter bestimmen“. Das hört sich nicht nur schlecht an, das ist es auch.
Was wäre also gewonnen? Würde der Grad der Selbstentfremdung, hervorgerufen durch die Bestimmung, „Mensch“ zu sein, dadurch abnehmen, wenn wir „weiter bestimmt“ würden?
Was nützt mir eine weitere – im Sinne von genauere, mir gemäßere – Bestimmung, wenn es doch nur eine weitere – im Sinne von erneuter –
Bestimmung ist? Mag sein, daß ich weiter (gründlicher) bestimmt bin, wenn ich nicht nur Mensch, sondern z.B. auch Deutscher bin. Wirklich unentfremdet bin ich aber nur dann, wenn ich nicht mehr bestimmt bin, zu was
und von wem auch immer, wenn niemand mehr über mich bestimmt, wenn ich nicht länger in Gefahr gerate, von zu politischer Gewalt gewordenen Theorien bestimmt zu werden.
Bleibe ich aber bestimmt, d.h. entfremdet, wie kann dann die Gemeinschaft, der ich angehöre und die ich bilde, die meinige, die unsrige sein? Wir wollen
bestimmen und nicht bestimmt werden, und zwar nicht theoretisch (etwa uns näher bestimmen, definieren), sondern praktisch. Sowieso und einfach so. Eine radikal nichtnormative Überwindung des Humanismus würde noch
ganz andere Energien freisetzen als die des Hegalianismus von Mahler und Oberlercher.
Oberlercher: „Die Menschenrechte sind die Rechte dieser besonderen Tiere.“52 Der „Mensch an sich“ ist aber keine Tierart, sondern nur ein Gespenst, das nur in Theorien, aber nicht im Tierreich vorkommt. Wir sollten diesem Gespenst lieber die Luft ablassen, als es zum Tier umzugestalten. Die Menschenrechte sind also keine Tierrechte, sondern Rechte von etwas Nicht-Existierenden und damit zu ignorieren.
Von dieser im Metaphysischen bleibenden Dekonstruktion des Humanismus aus, wo einfach ein „Recht“ (z.B. „das Recht, Rechte zu haben“) postuliert
wird, das zwar keinem Menschen an sich, aber irgendeinem anderen, näher bestimmten Menschen zukäme, geht es bei Oberlercher den gesamten Text über weiter und richtig hinein in das Reich des Nicht-Existierenden, der
Metaphysik, und wird diese prompt zum „notwendigen Nullpunkt des Denkens“ erklärt.53
Mein Denken beginnt aber nicht bei einer Hypothese oder einem „Begriff“, sondern bei irgendeinem Problem oder Ding, das mir begegnet und mit dem ich mich
beschäftigen will oder muß. Es ist stets induktiv: Ich gehe stets vom sinnlich wahrgenommenen Konkreten aus, nicht, wie die deduktiv und damit immer aus und in der Fremde denkenden Hegelianer, von Begriffen, die
ohne Bezug zu etwas Sinnlich-Erfahrenen einfach so daherpostuliert werden.
Weil diese höchsten Begriffe („Gott“) mit dem tatsächlichen, d.h. mit meinen Sinnen erfahrbaren Leben, nichts zu tun haben und dort nichts, also keinen
Sinn haben, versuchen die Deduktivisten mittels kognitiver („logischer“) Operationen diesen Begriffen nachträglich eine Realität beizuordnen, wobei sie zur Unterstützung der Richtigkeit ihrer Postulate auf
makro- und mikrokosmische Phänomene verweisen (die des äußeren Raumes und der inneren, „geistigen“ Welt des Ichs), die nur durch metaphysische Spekulationen zu „erklären“ sind oder durch Errichtung eines
allseits geltenden „Systems“ ihre Einordnung finden, die aber in mir und meiner Phantasie nicht vorkommen und deren Existenz auch nur abzustreiten ich keine Veranlassung sehe.
„Gott“ oder andere höhere Dinge des Geistes sind mir gleichgültig.54 Ich gebe meinen Gedanken keinen „jenseitigen Halt“ (Oberlercher)55 , sondern meine Gedanken kommen aus dem Diesseits meiner Empfindungen und nur in diesem zustande. Wenn es nach Hannah Arendt das einzige Recht des Menschen sei,
„Rechte zu haben“ (anstatt etwa „Menschenrechte“), dann braucht man nicht davon auszugehen, daß es solche gibt, dann nimmt sich jeder seine „Rechte“, die dann etwas Beliebiges und Überflüssiges
sind, weswegen wir auch nicht mehr von dem „Recht, Rechte zu haben“ und von gar keinem Recht sprechen brauchen.
So wie die Menschlichkeitsreligion daher ihre Macht nimmt, weil sie vom Menschen spricht (wer will schon kein Mensch sein?), der aber letztlich doch abstrakt
bleibt, so ist die Denkreligion für einige anziehend, weil sie an die Sehnsucht nach dem Ganzen, nach Einheitlichkeit und Integrität, nach Heil und Gesundheit appelliert, aber noch mehr, weil charismatische und
heilversprechende Persönlichkeiten wie Horst Mahler sie vorgeben.
Der hegelianische Schüler, der voller Hoffnung in diese vielversprechende Falle tappt, wird aber schwer enttäuscht und wird immer wieder von Depressionen
heimgesucht, weil er nicht den Mut aufbringt, das Ganze zu sein, anstatt nur zu denken, d.h. weil er nicht leben kann, wonach er sich – diesseits des Denkens, real, körperlich – eigentlich sehnt,
weil er in einem „Jenseits“ Halt sucht, anstatt im Hier und Jetzt. Er wird „das System“ sowieso nie verinnerlichen. Selbst die gebildetsten Hegelianer streiten sich untereinander. Und er sollte seine
Gefolgschaft gegenüber anderen Menschen aufgrund deren Ausstrahlung und der für ihn positiven Seiten nicht von der Übernahme ihres kompletten Denkens abhängig machen. Er kann sich noch so sehr abmühen, „richtig zu
denken“ – er wird es nie schaffen.
Das ganzheitliche Denken ist ein Abziehbild und ein Ersatz des ganzen Seins; der Ganzheitliche wagt nicht den Schritt zum Sein. Von daher ist der Hegelianismus
nur eine weitere Religion, die uns – das hat die Religion so an sich – nicht uns selber sein und direkt unsere Interessen wahrnehmen läßt, und deswegen, weil er nicht an den nackten Egoismus appelliert,
bleibt er in der Abschüttelung einer Fremdherrschaft ineffektiv.
Und wo Mahler und Oberlercher Erfolge erzielen, da sind sie Nihilisten, dann, weil sie nichts kennen außer blanken und radikal formulierten Interessen. Und damit rekrutieren sie ihre Anhänger, nicht mit Hegelianismus. Die Anhänger schauen gnädig über den Hegelianismus hinweg, schanzen den Hegelianern aber, weil von ihrem Nihilismus fasziniert, Macht zu, die sie eines Tages gebrauchen könnten, einen neuen Himmel, eine neue Kirche zu errichten.
Stirner erkannte sehr genau, wie die Europäer (die „Kaukasier“) zwar das Heilige (den Spuk) einerseits immer wieder mutig angriffen und ihm an die Maske
wollten (den mongolischen Himmel stürmen), wie sie aber andererseits und gleichzeitig auf ihrem Wege zu Rationalität und Selbstsouveränität lediglich das jeweilig Heilige immer wieder in etwas anderes Heiliges
transformierten („die Vernunft“, „der Mensch als das höchste Wesen“, „das Ding an sich“, „die tiefste, wissenschaftlich erwiesene und empirisch festgestellte Bestimmung des Menschen“, „das
Volk“ usw.) und also mongolische Kaukasier blieben. Stirner: „[Der Kaukasier] hegt die unversöhnlichste Feindschaft gegen den Himmel und baut doch täglich neue Himmel: Himmel auf Himmel türmend erdrückt er nur
einen durch den andern.“56
Wenn von höheren „Wesen“ oder „tiefsten Bestimmungen“ die Rede ist, bezeichnen wir das als Religion, auch wenn „Gott“ nicht mehr
vorkommt. Und so tritt die Religion auch mit Hegel unter dem Namen „Philosophie“, d.h. als Denkreligion auf und kämpft sich verzweifelt – denkerisch – an das Eigentliche, die Wirklichkeit,
heran, und sieht dabei, als Gedankengebäude, dem Eigentlichen zum verwechseln ähnlich. So wie der Mensch mir und dir täuschend ähnlich sieht.
Viele Hegelianer bemerkten die Verwechslung und daß sie um den heißen Brei herumtanzten, schickten sich dann sogar als Junghegelianer an, „praktisch zu
werden“, gebierten dabei aber nur eine weitere Religion, den liberalistischen Humanismus oder die Religion der Kritik, und blieben wieder Mongolen.
Die Philosophie kann aber nicht praktisch werden, weil sie auch nur Religion ist, d.h. aus Spuk („Theorie“) besteht. Aus ihr kann nur der finale Impuls
kommen, sich selbst – als Philosoph – aufzugeben.
Das ist der Punkt, an dem die Junghegelianer Stirner nicht länger folgen konnten. Alles, was Feuerbach noch konnte, war adorierend zu stammeln, daß Stirner,
nachdem er von diesem als frommer Atheist verspottet worden war, „der freieste und genialste Schriftsteller [ist], den ich kennengelernt“57 . Niemand, außer Stirner, traute sich, in den heißen Brei hineinzufliegen und dort – als Philosoph – zu ersaufen, um, den Brei abschüttelnd und sich
von ihm reinigend, als er selbst wieder aufzuerstehen; alle schwirrten wie die Motten um das mongolische Licht.
Und doch waren sie so nahe am Brei, sie konnten schon daran – am wahren, wirklichen Leben! – lecken. Stirner: „Bei Hegel kommt endlich zu Tage, welche Sehnsucht gerade der Gebildete nach den Dingen hat, und welche Abscheu er vor jeder ‚hohlen Theorie’ hegt. Da soll dem Gedanken ganz und gar die Wirklichkeit, die Welt der Dinge, entsprechen, und kein Begriff ohne Realität sein. Dies verschaffte Hegels System den Namen des objektivsten, als feierten darin Gedanke und Ding ihre Vereinigung. Aber es war dies eben nur die äußerste Gewaltsamkeit des Denkens, die höchste Despotie und Alleinherrschaft desselben, der Triumph des Geistes, und mit ihm der Triumph der Philosophie.
Höheres kann die Philosophie nicht mehr leisten, denn ihr Höchstes ist die Allgewalt des Geistes, die Allmacht des Geistes.“58
Und sicher war es alles andere als ein Zufall, daß Stirner als Beender des Philosophierens selber Hegel-Schüler gewesen war. Die Selbstsicherheit und
Überheblichkeit der Hegelianer im Umgang mit anderen Religiösen ist also durchaus nachvollziehbar: Sie sind näher am heißen Brei, sie haben den ganzen Kosmos und die ganze Geschichte, wenn auch nur – in ihrem Kopf.
Stirner: „Das [mongolische] Himmelreich, das Reich der Geister und Gespenster, hat in der spekulativen Philosophie seine rechte Ordnung gefunden. Hier wurde es
ausgesprochen als das Reich der Gedanken, Begriffe und Ideen: der Himmel ist von Gedanken und Ideen bevölkert, und dies ‚Geisterreich’ ist dann die wahre Wirklichkeit.“
Es gilt, an Max Stirners Kritik des Liberalismus und an der Religion in all ihren Formen anzuknüpfen, die nicht reaktionär auf einen voraufklärerischen Zustand
verweist, sondern das Steckenbleiben der Aufklärung auf halbem Wege nachweist und den Weg wieder frei räumt. Nicht „der Mensch“ soll im Mittelpunkt stehen, sondern wir, du und ich mit unseren wirklichen Interessen! Die Vertreter der Aufklärung waren, wenn sie dem Kult vom Menschen frönten, selbst in hohem Maße anti-aufklärerisch. Radikalisierung und Realisierung der Aufklärung heißt Zurückführung der Interessen und Motive auf die Eigenheit, heißt die Zurückweisung aller Namen, in welchen wir unsere Interessen wahrnehmen sollen, also auch – selbstverständlich – den Stirner’schen „Eigner“ (was Stirner freilich selbst schon tat).
So wie wir etwas in einem Namen tun, tun wir es nicht für uns, sondern für den Namen bzw. für einen Priester oder einen Religionsgewinnler oder den Pfaffen in
uns. Die Namen sind Schall & Rauch, etwas außer uns Seiendes. Die in der Menschlichkeitsreligion steckengebliebene und selbst Reaktion gewordene Aufklärung hat ihren Impetus als Aufheber der Entfremdung verraten
und die alte Religion durch die Menschlichkeitsreligion ersetzt.
Ihre Vertreter setzen bis heute „die Menschheit“ als Instanz der Entfremdung in die Herzen und Köpfe, besonders der Heranwachsenden. Es ist gleichgültig,
in wessen Interesse die Religion der Pseudoaufklärer ausgeübt wird (meist im Interesse der Globalkapitalisten) und wer im Namen der Menschlichkeit auftritt: Unser Interesse ist es auf keinen Fall, wir haben unsere
eigenen Interessen.
Fakt ist, daß es nichts Wirksameres im Kampf gegen Leute gibt, die im Namen der Menschlichkeit auftreten und unseren Interessen entgegenstehen, weshalb sie
immer wieder „Menschen“ aus uns machen wollen, als das Auftreten als wir selbst und die klare und deutliche Formulierung unserer Interessen. Nur das kann der erste Schritt dahin sein, uns und unsere Interessen
durchzusetzen gegen die Imperialisten.
Wir müssen den Menschen von uns abschütteln.
Gelingt es, den Schleier der Menschheitsreligion zu zerreißen und das vorgegebene Terrain, auf dem nur „Menschen“, aber nicht wir einen Platz haben, zu
verlassen, bricht der Globalkapitalismus oder was auch immer uns Uneigenes und uns Vernichtendes, d.h. die gesamte Zivilisation, schlagartig zusammen.
Nur die Moral, nur Schuldgefühle, nur unsere Erpreßbarkeit hält die Fremdherrschaft aufrecht. Michel Friedman braucht nur dieses kleine Wort auszusprechen
– „Mensch“ –, und alles zuckt zusammen, duckt sich und fängt an zu kriechen.
Dagegen hilft nur eine Propaganda, die mit den ureigensten, nämlich unseren Interessen argumentiert (und keine Hegelschulungen): Es mag ja sein, daß der Krieg gegen den Irak gut ist, vielleicht auch für die Menschheit oder die westliche Zivilisation oder für Israels Sicherheit; aber: Wir wollen ihn nicht, Punkt, aus, Ende der Diskussion. Sollen die reichen Amerikaner oder alle Reichen der Welt, die noch reicher werden wollen, oder die vom Reichtum Korrumpierten der Welt, die selbst nicht im Krieg sterben wollen, oder auch diejenigen in den Krieg ziehen, die oder deren Hinterbliebene etwa Geld bekommen, wenn sie fallen. Mal sehen, wie weit sie kommen. Wenn sie weit kommen, dann kann man nichts dran ändern. Denn unser Beteiligtsein am Globalkapitalismus und das Ausmaß unserer Korruption ist enorm, wahrscheinlich nicht mehr korrigierbar und verheerend.
Die Kritik des Humanismus ist angesichts seiner scheinbar unbesiegbaren Stärke, seiner Verankerung in tiefen (Schuld-)Gefühlen unserer Mitmenschen (Religion)
ein schier aussichtsloses Unterfangen. Sie wird nur Erfolg haben, wenn wir an noch tiefere Schichten appellieren, wenn wir unter die nach Wilhelm Reich „mittlere Schicht“ (die der Destruktivität und des
Freud’schen Polymorph-Perversen, die sich unter der Fassadenschicht befindet) und unter das Mythische (Ernst Jünger) in den Kernbereich der Existenz stoßen, wo es weder Gut und Böse noch Schuldgefühle gibt,
sondern gelassenes, volles Sein, das sich annimmt, wie es ist, und seine Interessen wahrnimmt, sofort und selbstverständlich. Wir müssen die bloße Kritik hinter uns lassen.
Wir sind zwar außer Stande, uns als „gut“ zu gerieren (wir können aber in aller Gelassenheit vorleben, daß Gut-sein Anstrengung und unnötigen Streß
bedeutet) und womöglich noch in einen Wettbewerb der Gutmenschen zu treten, aber wir sollten nicht auf den Verweis auf die kriminelle Bilanz des Humanismus und seine Millionen von humanen Opfern verzichten:
„Verglichen mit der unseren war die Steinzeit wahrscheinlich auch in politischer Hinsicht ein Goldenes Zeitalter. Vermutlich konnte man sich unendlich glücklicher fühlen, auch sicherer. (...) Überhaupt fällt jede
Begegnung zwischen dem geschichtlichen und dem Steinzeitmenschen zu unseren Ungunsten aus.“ (Ernst Jünger59 )
Humanisten haben die Atombombe geworfen, wir Primitiven sind dazu aus Gründen der Mitfühlsamkeit und der absoluten technologischen Unfähigkeit nicht imstande.
Primitive töteten lediglich Eindringlinge (das können sie heute leider nicht mehr); die Humanisten haben scheinbar den Endsieg errungen und die ganze Erde mit unvorstellbarer, kalt und systematisch betriebener
Brutalität unterworfen.
Zuletzt hat wieder Franz Uhle-Wettler darauf hingewiesen, daß sich bei Interessenkollisionen durch Bezug auf Menschlichkeit, Moral und Recht („gerechter
Krieg“) anstatt auf Interessen alles totalisiert und in Kriegen wahrhaft menschliche Dimensionen erreicht werden (aber solche Bestien wie die Humanisten sind im Tierreich nicht zu finden).60
Für das Massenabschlachten sind die Zivilisierten, die Moralisten, die Religiösen, die Humanisten verantwortlich, nicht wir Menschentiere und primitiven
Egoisten. Leider ist Uhle-Wettler inkonsequent und spricht, nachdem er den „gerechten Krieg“ in seiner neuartigen, katastrophalen Dimension entlarvt, von der „Pervertierung des Rechts“, anstatt ein für
alle Male auf das Recht zu verzichten und diesen Begriff vollständig zu dekonstruieren; er weiß doch, das bei unmoralischen Hirschen, die kein „Recht“ kennen, die „Kriege“ geradezu „menschlich“
(„ritterlich“, besser gesagt also: tierisch) ausgetragen werden und die „Zivilbevölkerung“ unbeschadet bleibt.
Wenn wir einen sog. nihilistischen bzw. einzel- und gruppenegoistischen Standpunkt einnehmen, dann nicht, weil wir besonders gierig oder egoistisch in dem
Sinne wären, daß wir mit allen erdenklichen üblen Mitteln versuchen würden, Vorteile zu erzielen. Wir sind Nihilisten und Egoisten zunächst aus dem heraus, was „Redlichkeit“ genannt wird, aber nichts anderes
ist als der eigene Wille, in der Wahrheit zu leben, weil das, was wir fühlen, denken und sagen, stimmen, stimmig sein und miteinander übereinstimmen muß, weil Unredlichkeit aufrecht zu halten uns zu große Mühe
macht.
Im Notfall, zu unserer Verteidigung, können wir zur Lüge greifen. Aber bis dahin lügen wir nicht, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die Lüge erstens zu
anstrengend ist und zweitens wir uns gefühlsmäßig zu sehr mit dem Belogenen identifizieren würden, was uns weh tun würde – also aus rein egoistischen und unmoralischen Gründen.
Und in unserem Innersten finden wir nichts, keinen höheren Wert oder dergleichen, nichts, in dessen Namen wir handeln sollten oder könnten, also keinen
Fetisch, welchen Namen er auch immer haben mag („Arterhaltung“, „Menschheit“ usw.), sondern dort finden wir nur die Gefühle, Bedürfnisse und Triebe selbst, die allein schon zu benennen unwichtig ist, die
wir aber befriedigen wollen – wiederum aus Egoismus heraus, nur einem nach außen gerichteten, „materiellen“ im Gegensatz zum zuvor genannten, der sich auf das innere Empfinden, die innere
Ausgeglichenheit bezieht, die sich natürlich wiederum nur durch Befriedigung der gefühlsmäßigen, sexuellen, nahrungsmäßigen, körperlichen usw. Bedürfnisse einstellt.
Der Vorgang der Essensaufnahme ist genau so gut ein Akt der Wahrheit wie es einer wäre, eine mathematische Aufgabe korrekt zu lösen.
Aber sind nicht, so wird der Nichtanarchist fragen, die Interessen, die Bedürfnisse der Einzelnen dergestalt, daß sie, wenn jeder nach ihnen lebte, geradezu
erst einen Staat herbeigerufen werden muß, um Mord und Totschlag zu vermeiden? Eine anarchistische, d.h. eine scheinbar völlig weltfremde Position läßt sich in der Tat nur dann einnehmen, wenn man davon ausgeht, daß
ein Mensch, wächst er in wirklich heilen Bedingungen auf, d.h. werden seine Bedürfnisse von Verschmelzung der Gründerzellen an befriedigt, spontan bescheiden und friedlich ist und nicht gierig wird. Er wird sich
weiter dafür einsetzen, daß seine Bedürfnisse, so bescheiden sie auch sind, befriedigt werden; aber er will seine Ruhe haben. Er ist kein Polymorph-Perverser.
[Manifest 1. bis 3. => / 4. bis 5. => / 6. bis 8. hier / 9. bis 12. =>]
Anmerkungen
21 Max Stirner, a.a.O. S. 74-75
22 Britta Verhagen, „Kam Odin-Wodan aus dem Osten? Zur Religion der germanischen Frühzeit“, Tübingen 1994, S. 126
23 Ernst Jünger, a.a.O. S. 505
24 Wolfgang Golther, Handbuch der Germanischen Mythologie, Essen 2000, S. 182
25 ebenda S. 184
26 ebenda
27 Zum Unterschied zwischen Sippe und Familie siehe „Die Vaterschaftslüge“ in diesem Buch.
28 James DeMeo, Die Entstehung und Ausbreitung des Patrismus vor ca. 6000 Jahren: die Saharasia-These. Beweise für ein weltweites, mit dem Klima in
Zusammenhang stehendes geographisches Muster im menschlichen Verhalten, http://www.orgonelab.org/saharasia_de.htm. Dieser Text ist eine Zusammenfassung von James DeMeo, Saharasia: The 4000 BCE Origins of Child
Abuse, Sex-Repression, Warfare and Social Violence, In the Deserts of the Old World, Natural Energy Works, Ashland, Oregon 1998, welches Buch auf deutsch noch nicht vorliegt. Besagte Zusammenfassung erschien auf
deutsch unter dem Titel Entstehung und Ausbreitung des Patriarchats – die “Saharasia”-These. Wüstenbildung und Hungersnöte als historischer und geopraphischer Ursprung emotionaler Panzerung,
übersetzt aus dem Englischen von Thomas Harms und Raphaela Kaiser, in: emotion. beiträge zum werk von wilhelm reich, Nr. 10 (1992)
29 Britta Verhagen, a.a.O. S. 9
30 ebenda S. 119
31 Leserbrief Georg Wieshollers „Holocaust – Keine Meinungszensur in Schweden“ in Deutsche Stimme, Juli 2004,
http://www.deutsche-stimme.com/Ausgaben2004/Sites/07-04-Leserbriefe.html
32 Andreas Röhler, Judas Gotthilf Felsenstein, Sleipnir. Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik, Nr. 38
33 Umberto Eco, Die Wurzeln Europas, Welt am Sonntag, 12.10.2003, S. 12
34 Werner König, Atlas zur deutschen Sprache, München 1978 (dtv), S. 43. (Der Begriff „indogermanisch“ ist identisch mit dem Begriff
„indoeuropäisch“, wenn auch weniger präzise, denn er schließt Kelten und Slawen aus.)
35 hier: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer, München 1995 (dtv)
36 Werner König, a.a.O.
37 Verhagen, a.a.O. S. 57
38 ebenda S. 50
39 ebenda
40 ebenda S. 62
41 ebenda S. 50
42 ebenda S. 54
43 ebenda S. 55
44 ebenda S. 56
45 ebenda S. 57
46 ebenda S. 60-61
47 Jean Haudry, „Die Indo-Europäer. Eine Einführung“, Wien 1986, S. 105
48 ebenda S. 152
49 Golther a.a.O. S. 184
50 Kurt Eisner an Gustav Landauer, wenige Tage nach der Münchner Novemberrevolution: „Kommen Sie, sobald es Ihre Gesundheit erlaubt. Was ich von Ihnen möchte,
ist, daß Sie durch rednerische Betätigung an der Umbildung der Seelen mitarbeiten.“ Zit.: Gerhard Schmolze, Revolution und Räterepublik, S. 147. Der germanisch-assimilierte Landauer erlag der asischen
Versuchung und bezahlte das mit seinem Tod.
51 Reinhold Oberlercher, Lehre vom Gemeinwesen, Berlin 1994, S. 5
52 ebenda
53 ebenda S. 202
54 Vgl. Peter Töpfer, Agnostische Front! Horst Mahler, Gott und weltliche Herrschaft 1 u. 2, Sleipnir. Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik 30 (6/99) und 33
55 Reinhold Oberlercher, Lehre vom Gemeinwesen, Berlin 1994, S. 202
56 Stirner a.a.O. S. 75
57 Brief an seinen Bruder Friedrich, Gesammelte Werke, Bd. 18, Berlin 1988, S. 416/417, zit. bei Bernd A. Laska: Ein dauerhafter Dissident. 150 Jahre Stirners
„Einziger“. Eine kurze Wirkungsgeschichte, Nürnberg: LSR-Verlag 1996, S. 23/24
58 Stirner a.a.O. S. 80
59 Ernst Jünger, An der Zeitmauer, Gesammelte Werke, Stuttgart 1963, S. 497/498
60 Franz Uhle-Wettler, Die vergebliche Suche nach dem Frieden, in: Alain de Benoist (Hrsg.), Die Welt nach dem 11. September. Der globale
Terrorismus als Herausforderung des Westens, Tübingen, Zürich, Paris 2002, S. 141
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